AUS DEM INSTITUT FÜR WISSENSCHAFTLICHE KONTAKTOPTIK ULM

HANS-WALTER ROTH

Kontaktlinsen bei  CORONA-INFEKT

Derzeit belasten weltweit Infektionen durch das Corona-Virus mit der Bezeichnung COVID-19 die ärztlichen Praxen. Auch die Augenheilkunde ist davon betroffen, Bindehaut- und Hornhautentzündungen mit der Symptomatik einer viralen Konjunktivitis oder Keratitis gehören zu nahezu jedem grippalen Infekt, zur klassischen Influenza, sie werden inzwischen auch bei Ebola- oder Coronainfektionen beschrieben.

corona infekt auge

Bei jedem Anstieg der Körpertemperatur sind nicht nur einzelne Organe sondern auch das Auge gefährdet. Im akuten Stadium des Fieberschubs wurden bei an Corona Erkrankten Körpertemperaturen von bis zu 41° Celsius gemessen, extreme Werte, die auch am Oberlid bzw. Augapfel nachweisbar waren. Für den Kontaktlinsenträger werden solche hohen Fieberwerte zum Problem, denn sie führen immer zu einem Tränendefizit, was den Linsenträger gefährdet. Die formstabile Linse benötigt nämlich ein Tränenpolster um beim Lidschlag reibungslos über die Hornhaut zu gleiten, die weiche hydrophile Linse braucht je nach Wassergehalt mehr oder weniger an Flüssigkeit um elastisch und transparent zu bleiben.

Kontaktlinsen die bei einem fieberhaften Infekt wie bei z.B. einer Infektion durch das Coronavirus am Auge verbleiben, trocknen daher rasch aus, die Linsen kleben im Extremfall sogar am Auge fest. Besonders kritisch ist dies für den Träger von hydrophilen weichen Linsen, die für eine verlängerte Tragedauer, z.B. auch über Nacht, am Auge verbleiben können.

 

Hier zeigen sich dann spätestens beim Erwachen massive Probleme am Auge. Der Patient empfindet ein starkes Brennen, Reiben und ein erhöhtes Fremdkörpergefühl. Der Visus ist reduziert, es wird über  Schleiersehen berichtet, zugleich ist die Blendungsempfindlichkeit extrem erhöht. Diese Situation, in Fachkreisen als Tight-Lens-Syndrom bezeichnet, führt den Kontaktlinsenpatienten in die augenärztliche Notfallsprechstunde.

Bei der Untersuchung an der Spaltlampe (Abb. 1)zeigt sich immer eine ausgetrocknete reflexlose Linsenoberfläche, gleichzeitig ist die Beweglichkeit der Linsen beim Lidschlag und Lidschluss deutlich reduziert, im Extremfall sitzt die Linse unbeweglich auf der Hornhaut fest.

Die Bindehautgefäße sind auf Grund des Reizzustandes in allen Abschnitten deutlich erweitert, unter der perilimbalen Auflagefläche der weichen Linse erscheinen sie durch die Kompression des ausgetrockneten Linsenrandes verstärkt. In der sogenannten Tränenlinse zwischen Linsenrückfläche und Hornhautvorderfläche finden sich Schleimablagerungen, durch die mangelhafte Tränenkonvektion können sich dort gelegentlich Gasbläschen ansammeln. Eine transpalpebrale Temperaturmessung ergibt im lateralen Lidwinkel Werte bis über 40° C,

Spätestens jetzt muss die Linse sofort vom Auge entfernt werden, dies muss unter sterilen Kautelen erfolgen. Dabei darf sie auf keinen Fall im ausgetrockneten Zustand vom Auge entfernt werden, die Folge wäre ein großflächiger Hornhautdefekt, nach Anfärbung der Kornea mit Fluoreszein zeigt sich dann der Epithelschaden. Typischerweise klagt der Patient nach Entfernen der Kontaktlinse spontan über einen massiven stechenden Schmerz auf dem betroffenen Auge. Der reflektorische Blepharospasmus verhindert jetzt jeden weiteren Versuch die ausgetrocknete Linse zu entfernen, er kann nur durch die lokale Gabe eines Anästhetikums durchbrochen werden.

Um eine Schädigung des Hornhautepithels bei der Linsenentfernung zu vermeiden ist es daher unbedingt erforderlich das Auge vorher ausreichend zu benetzen. Hierzu empfiehlt sich die wiederholte Gabe einer künstlichen Tränenflüssigkeit, auch eine sterile physiologische Kochsalzlösung ist hierfür geeignet. Empfehlenswert ist es, diese solange in den unteren Tränensack zu träufeln bis die Beweglichkeit der festsitzenden Kontaktlinse beim Lidschlag wieder hergestellt ist und diese, jetzt ohne das Hornhautepithel aufzureißen, entfernt werden kann. Am geschicktesten schiebt man sie dabei über die Unterlidkante vom Auge, Instrumente sollten hierzu wegen der Verletzungsgefahr nur im Notfall eingesetzt werden. Danach sollten unabhängig von der Ursache des fieberhaften Infekts immer ein Antibiotikum als Salbe oder Tropfen verordnet werden um einer bakteriellen Superinfektion vorzubeugen.

Um solchen gefährlichen Komplikationen vorzubeugen empfiehlt es sich bei allen fieberhaften Infekten keine Kontaktlinsen, und schon gar nicht während des Schlafs, am Auge zu tragen. Zwar ist die regelmäßige vorbeugende Gabe einer künstlichen Tränenflüssigkeit hilfreich, sie kann aber, vor allem bei hohem Fieber, wie es für eine Coronainfektion pathognomonisch ist, meist nicht das Auftreten eines Tight-Lens-Syndroms vermeiden.

 

Dr. Hans-Walter Roth, Augenarzt

Institut für wissenschaftliche Kontaktoptik

Im Wiblinger Hart 48

89079 Ulm