INSTITUT FÜR WISSENSCHAFTLICHE KONTAKTOPTIK ULM

ZUR GESCHICHTE VON AUGE UND SEHEN HANS-WALTER ROTH

ZU DIESEM BUCH

 

Vor einigen Monaten berichtete die Fachzeitschrift: „Der Augenspiegel“ unter der Rubrik Aktuelles, dass der Ulmer Augenarzt Dr. Hans-Walter Roth, langjähriger Vorsitzender des Redaktionsbeirats und Autor zahlloser Artikel zur Augenheilkunde und Kontaktlinse, die Errichtung eines Technik-Museums plant. Dort soll unter anderem auch seine umfangreiche eigene Sammlung „Zur Geschichte von Auge und Sehen“ untergebracht werden. Bereits in der Vergangenheit wurden immer wieder Exponate in Ausstellungen gezeigt, unter anderem anlässlich des Jubiläums der Universität oder dem ECLSO-Kongress in Ulm. In loser Folge werden an dieser Stelle ausgewählte Exponate aus der Sammlung vorgestellt und nach ihrer Herkunft und Bedeutung beschrieben.

 

AUGENVOTIV AUS WACHS

Das bekannteste Wachsvotiv und Motiv der Ophthalmologie war das Augenpaar aus rotem Wachs. Die Stiele, anatomisch allerdings nicht exakt dargestellt, erinnern an die Sehnerven. Sie enden an einem wurzelförmigen Ständer, mit dem man das Votiv auf dem Altar abstellen konnte. Bei dem hier gezeigten Original handelt es sich um ein künstlerisch besonders schön ausgearbeitetes und vollständig erhaltenes Augenpaar. Es stammt aus Niederbayern und ist datiert aufs frühe 18. Jahrhundert.

Votive beziehungsweise Devotionalien (lat. votivus: gelobt, versprochen) finden sich in allen Kulturen und zu allen Zeiten. Auf europäischem Gebiet stammen.

die ältesten schon aus früher vorchristlicher Zeit, selbst neuere steinzeitliche Grabungsfunde aus Süddeutschland lassen figürliche Darstellungen als Bitt- oder Dankopfer interpretieren. In der Antike finden sie sich in griechischen wie auch römischen Tempeln, in keltischen Weihestätten, in christlicher Zeit in den Kirchen und an Wallfahrtsorten. Es scheint, dass der Patient, wenn Heiler oder Arzt erfolglos blieben, die Hilfe bei den Göttern suchte. Ihnen wurde bei Gesundung auch gedankt.

Die bekanntesten Devotionalien beziehen sich meist auf das betroffene Organ, alle Fachgebiete sind vertreten. So gibt es Darstellungen vom Kopf, Arm oder Bein. Es gibt sie gegen Impotenz, für und gegen Schwangerschaften und besonders häufig für gesunde Kinder. Auch Sinnesorgane wie Nase oder Ohr sind zu finden. Die Krankheitsbilder selbst werden dabei nur selten dargestellt, allein der gesunde Körper war das Motiv für Bitte oder Dank.

Im Bereich der Augenheilkunde sind die ältesten Votive Darstellungen jeweils des isolierten Augapfels, erst in der Neuzeit kommen dann Augenpaare in Mode, sie wirken wie maskenförmige Ausschnitte eines Gesichts. Am bekanntesten sind hier die verzierten barocken Darstellungen aus Metall, die wertvolleren waren meist aus Silber, die preiswerten, fürs einfache Volk, aus Kupfer oder dem noch billigeren Wachs. Je nach Lage des Geschäfts konnte man die Votive schon an der Kirchenpforte erwerben, ein gewisser Obolus für die Aufbewahrung innerhalb der Kirche war stets im Preis enthalten. War der Patient letztendlich geheilt oder verstorben, verschwanden diese Opfergaben auch wieder. Manch‘ cleverer Händler, so scheint es, hat sie dann erneut verkauft.

Die wenigen noch erhaltenen Exemplare sind aus Stein, Ton oder Metall, sie finden sich heute meist in den Museen. Auch in einigen katholischen Kirchen und Wallfahrtsorten Bayerns finden sie sich noch an den Wänden und werden selbst heute noch neuzeitlich ergänzt. Besonders selten und vom Sammler daher sehr gesucht sind Devotionalien aus Wachs. Die meisten Originale fielen der Vergänglichkeit des Materials zum Opfer. Nur wenige sind wegen der raschen Alterung des Materials noch erhalten. Sie wurden nach wenigen Jahren brüchig, wurden wieder eingeschmolzen oder gingen bei Bränden verloren.

Votive aus Wachs sind dabei meist weniger künstlerisch gestaltet als solche aus Gold oder Silber. Dies lag an den eingeschränkten Bearbeitungsmöglichkeiten des Materials. Die Modelle wurden abgeformt und in Wachs gegossen. Die nahezu unbegrenzte Wiederverwertung der Gussformen aus Ton oder Zinn

 

DER LESESTEIN

Obwohl den alten Ägyptern wie auch den Griechen die optischen Brechungsgesetze schon teilweise bekannt waren, waren ihnen sphärisch bearbeitete Gläser unbekannt. Zwar findet sich bei Aristophanes um 300 vor Christus ein Hinweis darauf, dass ein entsprechend zugeschliffenes Glas genauso wie ein Hohlspiegel als Brennglas benutzt werden könne, aber alle archäologischen Funde brachten bislang nichts zu Tage, was auf das Vorhandensein optischer Linsen in der Antike Hinweis geben könnte.

Erst Ptolemäus entdeckte um 150 nach Christus den Zusammenhang zwischen dem Einfalls und Ausfallwinkel. Auch war er erste, der ein Werk über die Optik verfasste. Sehr viel später, etwa um das Jahr 1000 beschäftigten sich dann die Araber mit den optischen Phänomenen. Zu nennen ist hier Ihn el Haitam (965- 1041) auch Alhazen genannt, der sich bevorzugt mit den optischen Gesetzen beschäftigte. Auch weist er als erster auf die Möglichkeit hin mit entsprechend sphärisch geschliffenen Linsen das Auge zu unterstützen. Der englische Wissenschaftler Roger Bacon berichtete im Jahr 1267, dass Schwachsichtige, was auch immer er darunter verstand, durch passend geschliffene Gläser besser lesen könnten. Praktische Ergebnisse über eine Anwendung liegen von beiden Forschern allerdings nicht vor.

So waren es wohl Mönche, die um 1100 zuerst den Nutzen aus den ihnen bekannten Schriften des Alhazen zogen und so den Lesestein, eine halbkugelige Plankonvexlinse zur ersten Lesehilfe entwickelten. Andere Wissenschaftler halten seine Entdeckung für einen Zufall: tropft man nämlich einen Tropfen flüssiges Glas auf eine Metallplatte so formt sich je nach der Fallhöhe, Glasmenge und Temperatur eine optisch brechende Plankonvexlinse, – nach dem gleichen Prinzip übrigens wie man im späten Mittelalter in Massenproduktion Bleikugeln für die Handfeuerwaffen herstellte. Erstarrt das Glasgebilde, so zeigt es, direkt auf eine Schrift gelegt, vergrößernde Effekte. Schliff man ein gläsernes Segment auf einer Seite sphärisch, so zeigte es das gleiche Phänomen. Da Lesesteine gleichzeitig das Licht des Umfelds bündeln sparte man sich die zusätzliche Ausleuchtung.

Nun war in den frühen Jahren transparentes Glas nur schwer herzustellen, Venedig sicherte sich das Monopol. Daher griff in den Klöstern anfangs auch auf das Quarz des Bergkristalls zurück. Seine lateinische Bezeichnung war Beryllium, der mittelalterliche Name „Berilli, Parrille, Bril“ und später „Prille“ weist auf die Herkunft der heutigen Bezeichnung „Brille“ in der deutschen Sprache hin. In Venedig wurde er als „Lapis ad legendum“, als „Stein fürs Lesen“ bezeichnet.

Der Lesestein erfreute sich vor allem in den kulturellen Zentren wie z.B. in den Klöstern bald großer Beliebtheit, erleichterte er das Abschreiben früher Texte durch die Mönche, er war bei der Entzifferung alter Urkunden eine wertvolle Hilfe. Er wurde sogar besungen, er findet sich in der Manessischen Handschrift des 14. Jahrhunderts wieder. Der Minnesänger Albrecht von Scharfenberg widmet ihm bereits um 1280 eine Strophe im Epos „Der jüngere Titurel“.

Als es endlich gelang die Kugelsegmente immer flacher zu schleifen war es schließlich nicht mehr nötig, das Glas auf die Schrift zu legen, man konnte es sich jetzt bequem vors Auge halten. Die weitere Entwicklung ging über das Einglas zur ersten Brille, der Nietbrille, die ihre optischen Wirkung direkt am Auge entfaltet.

Lesesteine aus der Zeit sind äußerst selten, nur wenige Museen besitzen ein Exemplar in ihrer Sammlung. Der hier über einer Kaiserurkunde abgebildete Lesestein hat einen Brechwert von + 15.32 Dioptrien. Sein Durchmesser beträgt 5.68 cm, sein Gewicht 284 Gramm. Das Glas, so konnte inzwischen spektrographisch nachgewiesen werden, stammt aus Murano, wo solche gläsernen Lesesteine im schon im 12. und 13. Jahrhundert industriell gefertigt wurden. Kleine Fehler wie Luft- und Fremdkörpereinschlüsse sind Hinweis auf das Alter, moderne Kopien, oft in Form der Paperweights, zeigen diese Fehler nicht.

Der hier abgebildete Lesestein wurde in einem Fachgeschäft für alte Optik in Genf erworben.

 

ERSTE DARSTELLUNG EINER BRILLE IM BUCHDRUCK

 

Die frühe Geschichte der Brille ist weitgehend unbekannt, bis heute gibt es kein wissenschaftlich gesichertes Wissen über Ort, Zeitpunkt oder gar den Erfinder

dieser Lesehilfe. Sicherlich war den Menschen schon lange vorher die vergrößernde Wirkung eines Wassertropfen bekannt, auch dürfte man um die optische Wirkung halbkugelig geschliffener Schmuckstücke aus Bergkristall gewusst haben. Aber erst die Möglichkeit Glas durchsichtig d.h. optisch transparent herzustellen und dieses dann auch sphärisch zu formen zu können ermöglichte die erste Konstruktion einer Brille.

Als Ursprungsort der Erfindung vermutet man Murano bei Venedig. Die Insel ist bekannt durch ihre frühe Glasproduktion. In ihrer Nähe liegt das Städtchen Treviso, hier findet man im Kloster San Nicolò ein Fresko mit der weltweit ältesten Darstellung einer Brille, sie wird ins Jahr 1352 datiert.

Über zwei Jahrhunderte lang galt der Lesestein, nichts anderes als eine halbierte Glaskugel, die auf den Text gelegt werden musste, als erste brauchbare Lesehilfe. Daher war es ein großer Fortschritt, als um 1270 erstmals ein Brillenglas gegossen oder geschliffen werden konnte um mit einem Brechwert von etwa 3 Dioptrien nicht mehr über den Lesetext geschoben sondern direkt als so genanntes Einglas oder Lorgnon vor dem Auge getragen zu werden. Zur Weiterentwicklung zu Brille war es jetzt nur noch nötig zwei solche Gläser in einen Halter aus Holz, Metall oder Elfenbein einzupassen. Dies dürfte ab 1290 geschehen sein. Da die zwei Gläser durch einen am Ende ihres Stils mit einem Metallniet beweglich miteinander verbunden waren, wird diese erste Brillenkonstruktion auch als Nietbrille bezeichnet.

Unsere Kenntnis über Ihre Form und Technik stammen aus einigen wenigen Fresken, Plastiken, Altarbildern oder einer handgemalten Initiale in einem Stundenbuch. Nur sehr wenige Originale sind uns aus früher Zeit, z.B. durch die Funde aus dem Kloster Wienhausen erhalten, Sie waren damals selten, kostbar und teuer und dienten nur den wenigen Menschen, die damals des Lesens und Schreibens kundig waren. Es war der alterssichtige Wissenschaftler oder Philosoph der ihrer bedurfte.

Erst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg in Mainz ermöglichte um 1450 Texte kostengünstig herzustellen und zu verbreiten. Bald waren sie für jedermann erschwinglich. So sorgte der Buchdruck jetzt nicht nur für die rasche Verbreitung von Lesestoff sondern auch den erhöhten Bedarf an Lesehilfen vor allem für den Alterssichtigen.

 

Es war jetzt nur eine Frage der Zeit bis die erste Abbildung einer Brille in einem Buch auftauchte und diese als Lesehilfe für die Allgemeinheit bekannt machte. Die erste gedruckte Darstellung, sie stammt aus einer Inkunabel, verfasst von dem Nürnberger Arzt Hartmann Schedel (1440 bis 1514) der im Jahr 1493 erstmals in einer Chronik unter dem Titel „Der Werlt“ den damals gesamten damals bekannten Erdkreis beschrieb, die Genealogie der Königshäuser zusammen- stellte, über die Erfindungen seiner Zeit berichtete und die Namen bedeutender Wissenschaftler auflistete. Zugleich veröffentlichte er ihre Portraits im Holzschnitt. So hält sich beispielsweise Hippokrates eine Nietbrille vor das Auge wobei der Verleger Anton Koberger in origineller Weise den gleichen Holzschnitt in dem selben Band als „Bildnis mit Brille“ noch für sechs weitere Philosophen und Naturwissenschaftler verwendete. Auch damals musste man schon sparen, Abbildungen waren teuer und der Leser vielleicht noch nicht so kritisch wie heute.

Gedruckt war dieses meisterliche Standardwerk in Nürnberg in lateinischer und in deutscher Sprache. Berühmt wurde es auch durch seinen frühen Stadtansichten. Zu den bekanntesten Mitarbeitern des Verlags zählte der junge Albrecht Dürer, der uns in seinen späteren Werken kein Abbild einer Brille mehr hinterlässt. Das hier gezeigte, noch hervorragend erhaltene Original ist ein Ausschnitt der Druckseite CXVIII der Deutschen Auflage von 1493, sie stellt Julius Africanus dar und stammt aus einem Antiquariat in Mainz.

 

DAS NÜRNBERGER EINGLAS

Nachdem es gegen Ende des 13. Jahrhunderts gelungen war, zum einen ein durchsichtiges Glas herzustellen, zum anderen dieses aber auch so zu formen, dass es optisch brechende, das heißt vergrößernde Eigenschaften aufwies, um als Brillenglas oder Lupe zu dienen, stand als nächstes die Konstruktion einer passenden Halterung an.

In allen Fällen bestand das Problem darin, den Rand des Glases möglichst nahtlos einzufassen. Es galt beim täglichen Gebrauch, Verletzungen des Benutzers wie auch Beschädigungen des Glases zu vermeiden. Um die Handhabung zu vereinfachen sowie eine Schattengebung zu vermeiden, wurde seitlich an der Fassung ein Griff angebracht, mit dem das Glas entweder direkt vors Auge oder über den Lesetext gehalten werden konnte.

 

Nürnberg war bereits im 15. Jahrhundert bekannt als Stadt mit gewerbsmäßiger Brillenproduktion. Bereits 1498, so ein Ratsprotokoll, wollte man dort eine Optiker-Innung gründen, die Ratsherren aber befanden damals, „dass selbiges“, weil wohl zu neumodisch und nicht zukunftsträchtig, „nicht zu fördern“ sei. Aber bereits ein Jahr später besann man sich eines Besseren und der Stadtrat zertifizierte das neue Handwerk. Jetzt war es jedermann nach „tüchtiger Ausbildung und gehöriger Prüfung“ gestattet, „Parillen“ herzustellen beziehungsweise in den Handel zu bringen. Bei besonders wertvollen Stücken waren Halterung und Griff aus Elfenbein. Einfachere Modelle bestanden aus Horn, Leder oder Metall. Allerdings waren damals Eisen, Messing und Bronze schwer zu bearbeiten, Zinn war zu weich. Kupfer hingegen war preiswert, leicht zu bearbeiten und damit für die Herstellung von Brillen oder Eingläsern, später auch Lorgnons genannt, besonders geeignet. Letztere bestanden nur aus einem einzelnen Glas, eingepasst in eine Fassung mit einem Stiel: Es entsprach in seiner Form der heutigen Leselupe.

Die erste Brillenmacherordnung findet sich Nürnberg um 1535. Im Jahr 1568 sprach der Rat der Stadt dann ein Verbot aus: Das Hausieren mit Brillen war nicht mehr erlaubt, der Verkauf und Vertrieb war nur noch dem Fachhandel gestattet. Schließlich handelte es sich bei den Nürnberger Brillen mittlerweile um Ware von höchster Qualität.

Das blieb nicht lange so. Inzwischen war nämlich eine Maschine konstruiert worden, um in einem Arbeitsgang einen runden Kupferdraht platt zu walzen und zugleich eine Hohlkehle in Breite des Gläserrandes zur Aufnahme des Glases einzupressen. Dieses Gerät, als Plättmühle oder -walze bezeichnet, erlaubte es nun, Lupen- wie Brillenfassungen preiswert in Massenproduktion herzustellen, um sie dann durch fliegende Händler oder auf den Märkten zu vertreiben.

Auch die Herstellung der Gläser erfolgte zunehmend industriell. Sie wurden jetzt aus Rohlingen geschliffen, die schon vom Guss her weitgehend ihrer Endform entsprachen. Hierzu wurde das flüssige Glas mit Hilfe von Zangen in ihre bikonvexe Form gepresst. Es gab Maschinen, mit denen bis zu 12 dieser Rohlinge gleichzeitig nachbearbeitet werden konnten. Der Markt boomte, dennoch konnte die Nachfrage nach solchen Fertigbrillen nicht mehr befriedigt werden. Es fehlte immer mehr an Personal, man warb aus anderen Berufen Arbeitskräfte an. Selbst Gastarbeiter wie Strafgefangene verschafften sich mit der Brillenproduktion ein Zubrot, so berichtet der Chronist aus Nürnberg. Man überschwemmte den Markt mit Billigware.

 

Das vorliegende Einglas ist hierfür ein klassisches Beispiel: Es stammt aus dem 17. Jahrhundert. Das Glas hat einen Durchmesser von 4,8 cm, sein Brechwert

beträgt +11.71 Dioptrien. Das Gestell wie auch der Haltegriff sind aus einem einzigen Stück gefertigt. Um das Glas in der Fassung aus geplättetem Kupferdraht zu fixieren, ist sein Rand scharfkantig geschliffen, der ringförmige Halteteil ist mit einem gewachsten Wollfaden umwickelt und damit fest verschlossen. Zur Reparatur oder zum Gläserwechsel genügte es, den Haltefaden durchzutrennen und zu entfernen. Später ersetzte man es durch einen feinen Kupferdraht. Das vorliegende, sehr seltene und noch gut erhaltene Stück wurde dem Verfasser von einer 87-jährigen Patientin geschenkt. Es stammte aus ihrem Familienbesitz und wurde von ihr bis zuletzt noch beim Lösen von

 

ÄGYPTISCHES AUGE ALS GRABBEIGABE

Die bildliche Darstellung des Auges, sei es von Mensch oder Tier, läuft parallel zur Entwicklung unserer Kultur. Frühe steinzeitliche Abbildungen zeigen das Auge entweder als Klecks, Punkt oder Kreis im dem später ein zentraler Punkt als Hornhaut oder Pupille auftaucht. Die Lider bzw. die sichtbaren Teile des Augapfels wie Bindehaut, Hornhaut oder Regenbogenhaut werden in den Höhlenmalereien meist nur abstrahiert dargestellt, bei dem über 30.000 Jahre alten Löwenmenschen von Ulm genügte dem Schnitzer hierfür eine kreisförmige Vertiefung. Den ersten schöpferischen Menschen der Jungsteinzeit reichten ein paar Striche oder Punkte um ihre Welt im Bild wiederzugeben. Erst die moderne Malerei nimmt diese Abstraktion wieder als Kunstform auf.

In den frühen Hochkulturen taucht dann das Auge statt in einem kreisförmigen in einem mandelförmigen Umriss auf und zeigt so, wie sich die darstellende Kunst inzwischen langsam an die Wirklichkeit herantastet. In dieser Zeit entsteht auch die erste Schrift, die Sprache formt sich, die Menschheit hat ihr Nomadentum verlassen und wird sesshaft. Die Darstellung des Auges wird immer wirklichkeitsgetreuer, der Realismus findet allmählich den Eingang in die Kunst. Dennoch dauert es noch Jahrhunderte bis auch die Asymmetrie des Auges vom Maler oder Bildhauer erkannt und in der Abbildung wie auch der Skulptur naturgetreu dargestellt wird. Die Lidkante, die den Augapfel nach oben begrenzt ist jetzt deutlich länger als die des Unterlides, die Lidspalte wird jetzt asymmetrisch wiedergegeben.

 

Dieser Übergang aus der Urzeit wird in Ägypten vor etwa 5000 Jahren vollzogen. Das Land zeigt als eine der ersten Hochkulturen an der Grenze zwischen Afrika und Europa diese künstlerische Entwicklung besonders deutlich. Die Bilder an den Wänden der zahllosen Tempel und Grabstätten geben jetzt das Auge erstmals wirklichkeitsgetreu wieder. Parallel zur Kunst entwickelt sich die Medizin, es stellt sich die Frage nach dem Stand der Augenheilkunde und Optik zur Zeit der Pharaonen. So war den Ägyptern nicht nur der Grundaufbau des Auges sondern bereits auch die asphärische Vorderflächenkontur der Hornhaut bekannt, was sich am Auge der bekannten Skulptur des Horusfalken am Eingang zur ägyptischen Abteilung des British Museums in London einfach nachweisen lässt.

Außer dem Wissen um Auge und Sehen hatten die Ägypter mit Sicherheit Kenntnisse von Makrokosmos und Mikrokosmos, die nur schwerlich auf außerirdische Einflüsse zurückgeführt werden können. Das Wissen um die vier großen Jupitermonde oder die so genannten Ohren, also den Ring des Saturns sind damit keine Entdeckungen der Neuzeit. Die schriftlichen Aufzeichnungen über die Beweglichkeit der Spermien lässt auf optische Hilfsmittel schließen, die bislang den Archäologen verschlossen blieben. Wer allerdings die Sammlungen im Ägyptischen Museum in Kairo kritisch betrachtet findet dort alle optischen Bestandteile, die zum Bau eines einfachen Mikroskops oder Fernrohrs notwendig sind. Sie stammen aus dem Grab von Tutanchamun und wurden sinnvoller Weise als Schmucksteine inventarisiert.

Das Motiv „Auge“ begleitet den Menschen in den frühen Hochkulturen zu allen seinen Lebzeiten. Seine Bedeutung wird schon daraus verständlich dass es auch als Buchstabe oder Hieroglyphe verwendet. wird. Sowohl die semitische wie auch die chinesische Sprache ordnet wie später auch das Latein das Auge dem Buchstaben „A“ zu. Die ägyptischen Hieroglyphen kennen es in mehreren Versionen, am bekanntesten ist das Auge des Horus.

Das hier abgebildete Auge stammt aus Ägypten. Es ist aus Stein geschnitzt, poliert und in einem Rahmen aus Bronze gefasst. Seine Größe beträgt 7,6 x 2.3 cm. Die Kornea ist schwarz emailliert, der Hornhautdurchmesser beträgt zwischen 1.8 und 2.0 mm, Die Pupille ist im Gegensatz zu den Ausführungen späterer Jahrhunderte nicht ausgearbeitet.

Das Auge ist etwa 3400 Jahre alt. Man fand es 1910 in einem Grab nahe Luxor, es gehört zu einer Mumie aus einem Sarkophag eines hohen ägyptischen

 

Beamten der 18. Dynastie. Ein französischer Archäologe und Sammler schenkte es dem Autor.

 

AUGENSPÜLGLÄSER

Die Anwendung von Medikamenten am Auge lässt sich in der Geschichte der Augenheilkunde weit bis in die Hochkulturen zurückverfolgen. In früheren Jahrtausenden wurden zumeist pflanzliche oder tierische Produkte direkt auf die Augenlider aufgetragen bzw. verdünnt in den Bindehautsack eingeträufelt. Sie dienten zur Linderung bei Fremdkörperreiz, wirkten entzündungshemmend bei Infektionen oder halfen beim Auswaschen von Splittern, die bei der Produktion von Steinzeitwerkzeugen auf das ungeschützte Auge trafen. Zu versorgen waren auch Augenverletzungen nach Kampfhandlungen, das bunte Bild der Ophthalmologie und Traumatologie reicht sicher bis zum Urbeginn der Menschheit zurück. Doch erst mit dem Beginn von schriftlichen Aufzeichnungen wissen wir mehr über die frühen Behandlungsmaßnahmen am Auge.

Die ersten Therapeutika stammten demnach alle aus der Natur. Sie wurden aus Blättern oder Früchten ausgepresst und als Pflanzensäfte frisch oder vergoren direkt ins Auge getropft. Tierische und pflanzliche Fette kamen als Salben zur Anwendung. Das Wissen um viele dieser historischen Behandlungsmethoden ist heute leider vergessen, die moderne Pharmazie hat ihren Platz übernommen. Interessant sind dabei nicht nur die Fragen zur Herstellung und Aufbewahrung der Augentherapeutika sondern auch zu ihrer Applikationstechnik.

Auch hier war es wieder das Glas, das die Augenheilkunde revolutionierte. Glas wurde nicht nur zum Ausgangsmaterial für die Sehhilfen sondern man konnte es auch zu Behältern für die Bevorratung von Augensalben und -tropfen formen. Letztendlich gab es auch zahlreiche Hilfsmittel zur Applikation von Medikamenten am Auge aus Glas, erwähnt seien die Stäbchen für die Einbringung von Salben oder die so genannten Augengläser zur Spülung der vorderen Augenabschnitte. Diese erfand man gegen Anfang des vorletzten Jahrhunderts um die zumeist wertvollen Medikamente sparsam und zugleich intensiv einzusetzen. Man bezeichnet sie auch als „Augenspülgläschen“, ein anderer Name ist das „Augengläschen“ oder banal die „Augenbadewanne“.

 

Die meisten Augenbadewännchen waren aus Glas. Durch die Erfindung einer Technik flüssiges Glas in Formen zu pressen statt es zu blasen erlaubte ab 1880 die kostengünstige Markenproduktion. Die Gläschen wurden zu einem festen Bestandteil einer jeden Hausapotheke. Sie sind ähnlich wie ein Schnapsgläschen geformt und dennoch unverwechselbar: sie haben alle einen querovalen Durchmesser, ihre Ränder sind mittig abgesenkt, die Größe der Öffnung beträgt nahezu einheitlich in der längeren Achse 3.4 bis 4.2 mm, in der kürzeren sind es 2.4 – 2.9 mm. Je nach der Größe ihres Fußes schwankt ihre Höhe von 4.0 bis 6.5 cm.

Das Gläschen wurde bis zur Hälfte mit der Spüllösung gefüllt und auf die geöffneten Lider gepresst. Durch Zurücklehnen des Kopfs umspülte die wässrige Lösung Lider und Augapfel, was auf Grund der genormten Standardgrößen sicherlich nicht immer ohne Verluste abging.

In den frühen Lehrbüchern der Augenheilkunde werden die Inhaltsstoffe genannt. So enthielten die Spülflüssigkeiten meist pflanzliche Extrakte der Euphrasia, des Hamamelis oder der Rosenblüte. Ihre Wirkung bei chronischen Blepharitiden, Conjunctivitiden oder dem schon seit vielen Jahrhunderten bekannten Tränenmangelsyndrom war sicher wohltuend.

Die moderne Chemie bzw. Pharmazie lieferte chemisch aufgearbeitete Spüllösungen wie z.B. die verdünnte Acetylsalicylsäure zur Behandlung von allgemeinen Reizzuständen am Auge. Zur weiteren Anwendung kamen wässrige Aufarbeitungen von Silbersalzen und Quecksilberverbindungen zur Therapie bakterieller Infektionen wie z.B. der Gonorrhöe.

Auch wenn ihr Einsatz heute nicht mehr zur Standardtherapie in der Augenheilkunde zählt, gibt es in den Apotheken noch immer die Spülgläschen oder Augenbadewannen. Inzwischen werden sie aus durchsichtigem Plexiglas in Massenproduktion hergestellt. Ihre historischen Vorbilder findet man nur noch auf Flohmärkten oder im Antiquitätenhandel wobei ihre mögliche Verwechslung mit einem Schnaps- oder Likörglas gelegentlich den Erwerb zum Schnäppchenpreis zulässt, denn die Gläser, die es in nahezu allen Farben gibt sind bei Sammlern hoch begehrt, für besonders seltene und begehrte Stücke z.B. aus bemaltem Porzellan sind Preise bis 250,00 € keine Seltenheit.

Die hier dargestellten Augenbadewannen sind alle aus Pressglas, sie stammen aus der Zeit von 1880 bis 1920 und wurden auf verschiedenen Flohmärkten im In- und Ausland erworben.

 

 

DAS LACRIMARIUM

Der hier gezeigte Tränenflakon wurde um 1930 nahe Byblos in Kleinasien ausgegraben, sein Alter beträgt etwa 2.500 Jahre. Das Gläschen ist 66 mm hoch. es ist am oberen rand 14 mm, an seiner dicksten Stelle 32 mm dick. Die lichte Weite beträgt am Hals 6 mm. Es fasst etwa 8,5 ml Flüssigkeit. Erworben wurde es in einem Fachgeschäft für antike Ausgrabungen in London.

Um kaum einen Gegenstand aus der Geschichte der Augenheilkunde ranken sich mehr Geheimnisse als um die so genannten Tränenfläschchen. Dabei handelt es sich um kleine Fläschchen aus Glas, die sich in der Antike im Mittelmeerraum oft als Grabbeigaben finden. Die Archäologen bezeichnen diese kleinen bauchwandigen Glasgefäße als Lacrimé, Tränengläschen, Tränenfläschchen oder Tränenflakon. Die lateinische Bezeichnung war treffend das Lacrimarium. Auch das Wort Ophtiole, es ist griechischen Ursprungs, war dafür in Gebrauch. Die ältesten dieser Flakons dürften wohl vor 3.500 Jahren entstanden sein, die schönsten finden sich in römischer Zeit, sie wurden in Kleinasien ausgegraben.

Wofür sie allerdings dienten, ist bis heute ungeklärt. Zum einen heißt es, diese Fläschchen seien mit Tränen gefüllt gewesen. Zogen die Krieger in die Schlacht, so trugen sie angeblich ein solches Lacrimarium mit sich, in dem die Abschiedstränen ihrer Liebsten enthalten gewesen sein sollen. Geht man jedoch ganz banal davon aus, dass die gesamte Tagesproduktion eines gesunden Auges nur etwa 1 ml an Tränen beträgt, so scheint es fraglich wie diese Ophtiolen, die bis zu 10 ml Flüssigkeit aufnehmen können, jemals gefüllt werden konnten. Allerdings berichtet auch das Neue Testament, man habe in solchen Tränenflaschen die Tränen gesammelt, die man, so wörtlich „aus einem gerechten Anlass“ vergossen hätte. Tränen, die aus Zorn oder gar aus Bosheit geweint worden, waren, durften nicht aufbewahrt werden, sie fielen dem Staub anheim. Nur die Tränen also, die im Glück und in der Herrlichkeit Gottes vergossen worden waren, wurden in diesen Flakons gesammelt und später mit in das Grab gelegt. Im Evangelium von Lukas heißt es, dass eine Frau mit solchen Tränen die Füße Jesu als Zeichen der Hochachtung benetzt habe.

Zu Zeiten Roms, so die Geschichtsschreibung, habe man die Tränen der Trauernden darin gesammelt und dem Toten mit ins Grab gegeben. Andere Versionen klingen banaler: So sollen in diesen Fläschchen Augentropfen

 

enthalten gewesen sein, die als Therapeutika dienten, die Ophtiolen wären damit die Vorläufer unserer heutigen Tropfbehälter. Diese Version klingt durchaus logisch. Zweifellos waren in der Antike Augenentzündungen keineswegs seltener als heute, das trockene Klima in Ägypten oder Kleinasien dürfte das Tränenmangelsyndrom oder die chronische Konjunktivitis begünstigt haben. Staub, Hitze und Trockenheit waren zu allen Zeiten der Menschheit die häufigste Ursache von Augenentzündungen und die Therapeutika, zumeist aus der Naturheilkunde, mussten irgendwie aufbewahrt werden. Auch kennt die Archäologie keine anderen Gefäße aus der Antike, die hierfür geeignet gewesen wären.

Hergestellt wurden die ältesten der Gläschen, indem man einen feuchten Stofffetzen oder Lappen um einen kleinen Holzstab wickelte und darauf unter langsamen Drehbewegungen geschmolzenes Glas tropfen ließ. Nach Erkalten wurden der Holzstab sowie der Lappen dann vorsichtig entfernt. Erst im fünften Jahrhundert vor Christus wurde die Technik des Glasblasens entwickelt, jetzt ließen sich diese bauchwandigen Flakons in großen Stückzahlen einfach und preiswert produzieren. Ihre Öffnung beträgt zwischen 4 und 8 mm. Sie wurden, da der Korken noch unbekannt war, durch ein Stückchen Stoff, das mit Harz oder Wachs getränkt war, verschlossen. Die älteren Gläschen waren noch undurchsichtig, das Glas ist heute in der Regel als Zeichen des Alters irisiert. In römischer Zeit ist das Gläschen oft mehrfarbig eingefärbt, die Oberfläche besonders wertvoller Exemplare ist kunstvoll verziert.

 

DIE EISENBAHNBRILLE

Die hier abgebildete Brille stammt aus der Mitte des 19. Jahrhundert und ist eine absolute Rarität. Leider wurden irgendwann einmal die Originalbänder durch eine gewöhnliche Kordel ersetzt. Solche Schutzbrillen tauchen nur selten im Handel auf, diese wurde auf einem Flohmarkt in München entdeckt und für die Sammlung erstanden.

Brillen zum Schutz der Augen vor Staub, Fremdkörpern beziehungsweise Verletzungen finden sich erst in der Neuzeit, sie sind unabdingliche Beispiele einer zunehmenden Industrialisierung. Der Arbeiter am Hochofen oder an der Drehbank, der Schweißer oder Lackierer benötigte jetzt einen Schutz des Auges am Arbeitsplatz.

 

Frühe Schutzbrillen wie die so genannte Steinschlägerbrille bestanden nur aus einem einfachen Stück eines engmaschigen Drahtgeflechts, das zwar kleine Splitter, nicht aber den Staub abhielt. Später waren es dann einfache Glasscheiben, die mit teilweise abstrus anmutenden Gestellen aus Leder oder Metall am Kopf befestigt wurden. Alle diese Konstruktion vermochten zwar Fremdkörperverletzungen am Auge vermeiden, sie hatten allerdings noch keinerlei optische Wirkung.

Die zunehmende Spezialisierung von Handwerk und Industrie erforderte ab Ende des 19. Jahrhunderts Schutzbrillen mit lichtabsorbierenden Gläsern oder solchen mit optisch brechender Wirkung. Die Nahbrille für den Bildschirmarbeitsplatz, die Lupenbrille des Juweliers, die abdunkelnde Brille des Röntgenologen oder die lichtabsorbierenden Gläser des Laserspezialisten sind alles Konstruktionen unserer Zeit. Hierzu gehört auch die Schutzbrille des Motorradfahrers bis hin zur Maskenbrille des Feuerwehrmannes oder Soldaten. Der Polarforscher benötigte einen Schutz vor der gleißenden Sonne, der Pilot in der offenen Kanzel vor Wind und Wetter. Alle diese Brillen sollten nun entweder das Sehen verbessern oder das Auge vor Schäden bewahren. Die gerade gegründeten Berufsgenossenschaften förderten ihre Entwicklung und überwachten ihren fachgerechten Gebrauch am Arbeitsplatz.

Hierzu zählt letztlich auch der Straßen und Schienenverkehr. Die ersten mit einer Dampfmaschine oder einem Verbrennungsmotor angetriebenen Fahrzeuge hatten noch keine Windschutzscheiben. Niedrige Geschwindigkeiten bei der Fortbewegung benötigten weder einen Schutz des Auges noch erforderten sie ein hohes Sehvermögen. Erst mit der Zunahme der Reisegeschwindigkeit erhöhte sich das Verletzungsrisiko des Automobilisten oder des Kradfahrers, zugleich stiegen die Anforderungen an die Sehschärfe.

Bereits mit dem Aufkommen der Eisenbahn machten sich Ärzte wie Ingenieure Gedanken, wie sich die häufigen Augenverletzungen und -entzündungen von Zugpersonal und Passagier vermeiden ließen. Augenreizungen durch Staub und Witterungseinflüsse waren an der Tagesordnung. Schließlich waren die Waggons damals nach Vorbild der Kutschen noch offen, die Reisenden den Unbilden der Natur voll ausgesetzt. Heiße Aschepartikel aus den Schornsteinen der Lokomotiven gefährdeten Fahrgast und Personal, besonders davon betroffen waren Lokführer und Heizer.

Die hier vorgestellte Schutzbrille diente vor allem gegen Flugasche und Staub. Sie wurde den Passagieren vorderer Waggons zum Schutz vor Flugasche von

 

ärztlicher Seite ausdrücklich empfohlen, für den Lokführer und Heizer war sie bei ihrer Arbeit unter freiem Himmel Pflicht. Ihre Konstruktion ist denkbar einfach. Die beiden Halbschalen überdeckten im Gegensatz zur einteiligen Schutzbrille des Steinmetzen jeweils ein Auge, in der frühen Version waren sie statt mit einem Nasensteg nur mit einer Schnur verbunden. Erst spätere Modelle hatten Bügel und Stege. Mit Hilfe von zwei Bändern, die um den Kopf geschlungen und am Hinterkopf verknotet wurden, konnte das Ganze mehr oder weniger gut befestigt werden.

Die Größe der querovalen Gläser beträgt 33 mm x 24 mm. Es sind wie bei allen Schutzbrillen der Zeit einfache Plangläser mit einer leichten blauen Einfärbung gegen Blendung. Der Seitenschutz, er ist 53 mm x 30 mm groß, ist zur besseren Durchlüftung aus einem feinen Netzwerk aus dünnem Eisendraht gefertigt.

 

DAS AUGE DER FAUSTINA

Betrachtet man die Darstellungen des menschlichen Körpers in Bild und Plastik zur Zeit des alten Roms, so wird dieser meist als ein Schönheitsideal dargestellt. So wie in heutiger Zeit hatte man auch damals schon eine zeitgenössische Mode und entsprechende Models. Geschmack und Stil passten sich jeweils der Epoche an, schöne Körper waren gefragt. Abbildungen von Erkrankten oder ihren Krankheiten finden sich auch in der Antike nur äußerst selten.

Zu den wenigen Ausnahmen zählen die Portraits von Mutter und Tochter Faustina. Hier haben die Künstler bewusst oder unbewusst eine Augenerkrankung dargestellt, denn schon von ihrem römischen Leibarzt Galen ist für beide ein familiäres Augenleiden überliefert. Leider fehlen uns dazu die näheren Angaben, sie wären ein wertvoller Beitrag für die Medizingeschichte.

Im Handel tauchen immer wieder einmal Münzen auf, deren Vorderseite das Profil der Kaiserin Faustina zeigt. Geboren wurde diese als Tochter von Faustina der Älteren zwischen 125 und 130 nach Christus, sie starb 176 auf einer Reise in das Gebiet der heutigen Türkei in Halala. Den meisten ist sie aus der Historie als die Ehefrau von Marc Aurel und damit als römische Kaiserin bekannt, ihr vollständiger lateinischer Name lautet Annia Galeria Faustina Augusta.

 

Auffallend ist bei der hier gezeigten Münze eine ungewöhnliche, nahezu realistische Ausarbeitung der Haare sowie des gesamten Gesichts bis hin zur Nase. Hervorstechend ist dabei die Augenpartie. Bei kritischer Betrachtung fällt auf, dass diese weniger nach künstlerischen Aspekten gestaltet ist, sondern eher das wirkliche Aussehen der Person wiedergeben soll.

Schon ein ophthalmologisch nicht geschulter Betrachter spürt, dass hier eine Augenerkrankung vorliegen muss. Die überweite Lidspalte gibt Hinweis auf eine Störung, die vielleicht im Zusammenhang mit der für die Kaiserin bekannten Persönlichkeits- oder Gesundheitsstörung stehen könnte. Auch wenn seitens einiger Kunsthistoriker die Auffassung vertreten wird, dass solche Formen der Augendarstellung durchaus auch einmal vom künstlerischen Stil der Zeit geprägt sein könnten, besteht doch kein Zweifel an einem ausgeprägten Exophthalmus. Da Faustina auch als Göttliche bezeichnet wird, hatte ein Künstler der Antike kaum einen Grund einen Augenfehler so realistisch herauszustellen, wenn er nicht auch in Wirklichkeit vorhanden gewesen wäre.

Differentialdiagnostisch besteht ein Exophthalmus beziehungsweise Protrusio bulbi. Gegen eine Myopia magna spricht die Tatsache, dass in allen Schriften über das Leben von Faustina niemals über eine Sehstörung oder gar Blindheit berichtet wird, dieses wäre aber mit Sicherheit bei dieser prominenten römischen Kaiserin erfolgt. Vermutlich ist der hier zu vermutende ophthalmologische Befund einem Morbus Basedow zuzuordnen, da die Kaiserin in der zeitgenössischen Literatur als ungehemmt, ausgelassen und extrem lebhaft dargestellt wird, was durchaus zu einer Schilddrüsenfehlfunktion passen könnte.

Leider besteht keine Chance mehr, die Erkrankung der Faustina durch eine anthropologische Untersuchung ihrer sterblichen Überreste oder gar durch einen Gentest wissenschaftlich abzusichern. Ihr Leichnam wurde eingeäschert und nach Rom gebracht. Kunsthistoriker und Mediziner werden also auch weiterhin die Geschichte und die Krankheiten der Familie gegensätzlich diskutieren. Das Urteil aber, dass es sich bei Faustina Augusta um eine bemerkenswerte Frau und im Übrigen attraktive römische Kaiserin handelte, bleibt unwidersprochen.

 

PIPETTENFLÄSCHEN EINER ALTEN AUGENPRAXIS

 

Nicht nur die Erfindung des Augenspiegels im Jahr 1851 beeinflusste als wichtiges diagnostisches Instrument den Weg der Augenheilkunde zum eigenen Fachgebiet sondern es waren auch die Chemie und Pharmazie welche in diesen Jahren die Entwicklung der Ophthalmologie förderten. So gab es in der Mitte des vorletzten Jahrhunderts noch nicht einmal ein Dutzend Medikamente zur Anwendung am Auge, gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts hatte sich ihre Zahl bereits vervielfacht.

Die ersten Medikamente zur lokalen Therapie am Auge stammten mehrheitlich aus der Naturheilkunde, sie dienten der Verengerung oder Erweiterung der Pupille, sie waren entzündungshemmend oder schmerzstillend. Ihr Wirkspektrum war eingeschränkt. Die geringe Zahl der Therapeutika dieser Zeit erklärt, warum historische Fläschchen zur Aufbewahrung von Augentropfen in den Museen heute nur noch nur selten zu finden sind.

Ganz besonders selten aber findet man gleich ein Konvolut solcher Phiolen aus dem Bestand einer alten Praxis. Die Abbildung zeigt einen Holzständer auf dem sich das gesamte medikamentöse Repertoire der frühen Augenheilkunde befindet. Die Beschriftung auf den sechs Gläschen ist noch gut lesbar. Die wichtigsten Medikamente für das Auge, hier „ad manu medici“ sauber im Gestell aufgereiht, waren damals:

Holocain, es diente als Langzeitanästhetikum für die Schleimhaut. Es verlor im Gegensatz zum Kokain auch nach mehrfach wiederholter Applikation seine Wirksamkeit nicht. Es wurde daher gerne bei kleinen operativen Eingriffen der Hornhaut und Bindehaut eingesetzt.

Argentum nitricum, das Silbernitrat, war bakterizid, viruzid und fungizid. Quasi als Vorläufer der modernen Antibiotika galt es als stark entzündungshemmend. Seine Wirksamkeit vor allem gegen Gonokokken machte das Argentum nitricum zum wichtigsten Prophylaktikum und Therapeutikum bei der Neugeborenenblenorrhoe.

Atropin, das Gift der Tollkirche wirkte als Parasympatholyticum. Es erweiterte die Pupille und diente daher als Mydriatikum bevorzugt zur Netzhautdiagnostik.

Targesin, ein Silbereiweißacetyltannat, half als Adstringens bei allen milden Formen der Konjunktivitis und Keratitis. Es kam auch in anderen Fachgebieten wie zum Beispiel der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde zum Einsatz

 

Cocain, ein Extrakt des Colastrauches, zeigte sich als ein ideales kurzfristig wirkendes Oberflächenanästhetikum z.B. für die Entfernung eines Fremdkörpers vom Auge. Zugleich beeinflusste es auch die Pupillenweite.

Eserin, ein Alkaloid aus der Kalabar Bohne war als Parasympathomimeticum als eines der ersten bekannten drucksenkenden Präparate beim Glaukom im Einsatz.

Der hier gezeigte Ständer ist aus gewachstem Buchenholz, eine kleine Metallklammer fixiert jeweils eine bauchige Phiole in dem Gestell. Die Gläschen sind alle dünnwandig, sie sind mundgeblasen und verschieden eingefärbt um eine Verwechslung zu verhindern. Zusätzlich verhinderte die Einfärbung der Gläser den Zerfall der empfindlichen Substanzen durch das Sonnenlicht. Auch die Pipette mit ihrem kleinen Gummisauger am Ende war von der gleichen Farbe wie jeweils der Glaskolben um nicht aus Versehen die verschiedenen Präparate miteinander zu vermischen.

Solche Tropfenständer waren ein praktisches Hilfsmittel in den alten Augenarztpraxen. Erhalten sind davon nur noch wenige, nur selten fanden die leicht zerbrechlichen Gläschen den Weg in die medizinhistorischen Museen. Das hier gezeigte Exemplar stammt aus der Praxis einer hochbetagten Fachkollegin, die diesen Ständer und die Phiolen aus dem Besitz ihres Vaters vor dem ersten Weltkrieg selber noch benutzte. Sie stiftete sie kurz vor Ihrem Tode der Sammlung.

Der hier gezeigte Ständer mit sechs Phiolen aus der Zeit um 1870 gehört zu den frühen Praxishilfen der Augenheilkunde. In den Gläschen befand sich, wie die noch erhaltenen Aufschriften zeigen, das gesamte damals bekannte therapeutische Spektrum der Ophthalmologie. Die bezeichneten Medikamente dienten der Pupillenerweiterung und -verengung, sie waren schmerzstillend und entzündungshemmend. Nur wenige dieser Pipettenständer sind noch komplett erhalten. Dieser stammt aus einer alten Augenpraxis und war bis zum ersten Weltkrieg noch in Benutzung.

DIE ERSTEN SKLERALSCHALEN

Die Erfindung der Kontaktlinse reicht gerade in das Jahr1888 zurück. In dieser Zeit entwickelte Eugen Fick die sogenannte Kontaktbrille, die später als Kontaktschale, Haftschale oder Skleralschale bezeichnet wurde. Parallel zu dieser Entwicklung gelang es Artur Müller im Zentrum dieser Schalen eine optische brechende Zone einzuschleifen um so z.B. eine Myopie auszugleichen. Er nannte seine Gläser Hornhautlinsen.

Ficks Skleralschale war noch ohne Optik. Sie diente wie auch die von Eugène Kalt primär als eine durchsichtige Korsage zur Behandlung des Hornhautstaphyloms. Dieses Krankheitsbild, heute als Keratokonus bezeichnet, führte vor der Ära der Kontaktlinsenversorgung generell zur Erblindung. Ein Brillenausgleich war nicht möglich und die damals schon gewagten operativen Eingriffe wie die Hornhauttransplantation zeigten nur bedingt Langzeiterfolge.

Der Grundgedanke der Keratokonusbehandlung bestand nun darin, mittels kleiner Glasschälchen, die auf der Sklera stabilisiert wurden und die Hornhaut überdeckten die Keratokonusspitze sanft zurückzudrängen. Das zwischen Hornhaut und Linse gespeicherte Wasser sollte den Druck mechanisch abpuffern, den Tränenfilm optisch stabilisieren und die Ernährung der Kornea sicherstellen. Dabei galt es vor allem ein Austrocknen der Kornea zu vermeiden. Schon damals wurde der Tränenmangel zu Recht als einer der Risikofaktoren und für den Keratokonus vermutet.

Das Tragen solcher Sklerallinsen, so die ersten Berichte zu dem Verfahren, war eine Tortur. Sie konnten nur wenige Stunden am Auge verbleben. Der kaum zu steuernde Druck auf die Konusspitze führte schnell zu schmerzhaften Erosionen des Hornhautepithels. Der Sauerstoffmangel unter der unbeweglich angepassten Schale führte zum Hornhautödem, zur erhöhten Blendung und zum Visusverlust. Tragezeiten von über zwei Stunden waren eine Seltenheit.

Die ersten Skleralschalen waren aus dünnem Glas und waren daher sehr zerbrechlich. Sie wurden durch den Glasbläser vorgeformt und dann mühsam nachgeschliffen und poliert. Ihre Form, so würden wir sie heute beschreiben, war ursprünglich zweikurvig, an ein halbkugelig gekrümmtes optisch inaktives Zentrum schloss sich ein ringförmiger Teil an, welcher der perilimbalen Konjunktiva bzw. der Sklera aufsaß.

Gerne wird die frühe Kontaktoptik als Orthopädie des Auges oder Miedertechnik umschrieben. Viele der Fachausdrücke wie die Korsett- oder Korsagetechnik erinnern an den Bandagisten. Auch die Zahnheilkunde und ihre Abgusstechnik fanden in der Nomenklatur ihren Niederschlag. Der erst in den

letzten Jahren entstandene Begriff der Orthokeratologie des Auges beschreibt ein Verfahren zur Behandlung der Hornhautverkrümmung, der irregulären Hornhautvorderfläche nach Verletzung, Verbrennung oder Fehlbildung bzw. von Brechungsfehlern mit Kontaktlinsen

Jedes einzelne Exemplar dieser frühen Linsen war handgefertigt. Es sind Meisterstücke der Glasbläserkunst und Augenoptik. Dabei wird in der Nomenklatur unterteilt: Die Skleralschale war in ihrem optischen Zentrum ohne Refraktion, die ansonsten gleich gestaltete Sklerallinse ist in ihrem Zentrum optisch eingeschliffen. Diese Definition wurde später auch für die sehr viel kleinere Kornealschale bzw. klassische harte Kontaktlinse übernommen. Erst die Ära der Korneallinse führte später dazu, dass die Kontaktlinse zur alternativen Sehhilfe wurde, die Erfindung der weichen Linse 1964 später machte die Kontaktlinse zum Allgemeingut.

Das hier abgebildete Exemplar hat einen Gesamtdurchmesser von 15.2 mm. Es gehört zu den frühesten Skleralschalen und zählt neben den Linsen im Deutschen Museum von München zu den ersten der Welt. Sie sind äußerst selten, noch nie tauchten welche im Handel auf. Diese Skleralschale, der beschriftete Aufbewahrungsbehälter ist vermutlich aus späterer Zeit, stammt aus der Sammlung eines verstorben Kollegen aus Stuttgart und wurden von seiner Witwe freundlicherweise der Sammlung überlassen.

 

KLAPPBARE LICHTSCHUTZBRILLE

Die hier gezeigte Lichtschutzbrille stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert, typisch für diese Zeit sind die verstellbaren Ohrenbügel. Ihr Gestell ist aus Eisendraht, wie üblich weist sie keine Refraktion auf. Die vier getönten Plangläser haben jeweils eine Lichtabsorption von 31,8 %, der abdunkelnde Effekt kann durch das Vorklappen der beiden Zusatzgläser bei intensiver Lichteinstrahlung verdoppelt werden. Diese Brille mit blau eingefärbten Gläsern diente vermutlich einem Kataraktpatienten als Lichtschutz. Erworben wurde sie in einem Antiquitätenladen in Wiesbaden.

Die ersten Brillengläser dienten im ausgehenden Mittelalter als Lesebrillen allein zu optischen Zwecken. Sie sind, von Fehlern in Glas einmal abgesehen, nicht eingefärbt und sind haben daher auch keinen Blendschutz. Bereits sehr viel

früher, so ist anzunehmen, dienten aber schon in der Antike dunkle Scheiben zur Dämpfung des Sonnenlichts.

Glas ist etwa seit 3500 Jahren bekannt, bevor es jedoch gleichmäßig dunkel eingefärbt werden konnten war es ein farbiger Edelstein, der plan geschliffen quasi als Sonnenbrille bei Bedarf vor das Auge gehalten wurde. Kaiser Nero, so berichten die Geschichtsschreiber, benutzte dazu einen entsprechend bearbeiteten Smaragd. Dieser sollte, so der Originalton der Zeit, die Betrachtung der Gladiatorenkämpfe im Kolosseum für das Auge „angenehm“ machen. Dem einfachen normalen römischen Bürger dürfte dies kaum genutzt haben, für ihn waren solche aus einem Edelstein geschnittene Scheiben unerschwinglich.

Diese ersten Hilfsmittel gegen die Sonneneinstrahlung oder später auch durch das künstliche Licht stammten alle aus dem Bereich der Gemmen. Sie wurden aus Halbedelsteinen oder Edelsteinen mühsam scheibchenweise heraus gesägt, sorgsam plan geschliffen und in langwierigen Arbeitsvorgängen poliert. Spezielle Fassungen dafür gab es wohl noch keine, allerdings finden sich in einigen Museen der Antike ringförmige Halterungen, die aus Edelmetall gefertigt sind. Ihr genauer Zweck ist bisher nicht bekannt, einige von ihnen könnten aber durchaus zur Aufnahme von solchen, das Sonnenlicht dämpfenden Scheibchen gedient haben.

Antikes Glas war zwar durch anorganische Verunreinigungen farbig durchsetzt, der Weg aber zum gleichmäßig eingefärbten oder gar völlig klaren Glas für Brillengläser dauerte noch Jahrhunderte. Erst in den Kirchenfenstern der frühen Gotik findet sich ein qualitativ hochwertiges farbiges Glas, seine Rezeptur blieb ein großes Geheimnis der Glashütten. Meist waren es Schwermetalle die der Glasschmelze beigefügt wurden und so eine intensive dauerhafte Farbgebung ermöglichten. Blattgold beispielsweise erzeugt dem Glas beigemischt einen intensiven Rotton, der selbst über Jahrhunderte nicht ausbleicht.

Jetzt war es lediglich eine Frage der Zeit, wann farbiges Glas auch für die Brillen zum Einsatz kam. Die Farben der frühen Lichtschutzbrillen waren bevorzugt blau, seltener grün, bei den neuzeitlichen Modellen sind sie gelb oder braun, sie lassen nur den mittleren Anteil des sichtbaren Spektrums ungefiltert. Letzeres erfolgte aus der Tatsache, dass man zu Beginn des letzten Jahrhunderts sowohl infrarotes wie ultraviolettes Licht für das Auge als schädlich erkannte. Mit der Industrialisierung wurden für viele Berufen vor allem in der Glas- und Metallbearbeitung oder für den Umgang mit Laserstrahlen Lichtschutzbrillen

mit besonderer Lichtabsorption notwendig. Selbsttönende Gläser sind erst seit 50 Jahren bekannt.

Schon in der Antike wusste man, dass Trübungen der brechenden Medien zu unangenehmen Streueffekten am Auge führten. Als eine der medizinischen Indikationen für getönte Gläser ist seit dem ausgehenden Mittelalter der graue Star bekannt, das Einfärben der Gläser vor allem im Blaubereich empfanden vor allem Menschen mit einer Katarakt als angenehm. Dass diese eingefärbte Brillen eines Tages als Sonnenbrillen oder gar Modeaccessoires in den Handel kommen würden, daran war damals nicht gedacht.

 

AUGENÄRZTLICHES OPERATIONSBESTECK

Die ersten feineren augenärztlichen Instrumente stammen aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, sie wurden erforderlich nachdem es 1884 erstmals gelang den Augapfel lokal zu betäuben was letztendlich dann auch den ausgedehnten intraokularen Eingriff ermöglichte. Dieses augenärztliche Operationsbesteck wurde um 1890 von der Firma Schleifer in Wien angefertigt. Es wurde auf einem Flohmarkt in Oberschwaben entdeckt, und, weil als Präparierbesteck für Leichen angeboten, zum Schnäppchenpreis für die Sammlung erworben.

Bereits früh in der Geschichte der Menschheit dürfte man schon gewusst haben, dass die Eintrübung der Augenlinse ein Grund für eine Abnahme der Sehfunktion war. Der weiße Reflex hinter der Pupille fiel beim Erblindeten auf, sein „starrer Blick“ führte zu dem in der deutschen Sprache heute allgemein gebräuchlichen Namen „grauer Star“ für das Krankheitsbild.

Die Idee eine solche Linsentrübung durch einen Stich ins Auge und der Dislokation der eingetrübten Linse zu heilen ist sicher schon sehr alt. Gab es doch unter Hammurapi um 1600 v. Chr. schon ein Gesetz, das den Operateur bei erfolgreichem Starstich mit der, so wörtlich, Bronzenadel hoch belohnte, bei Misslingen des Eingriffs wurden aber dem Arzt, so der Gesetzestext, die Hände abgehackt. Mit Kunstfehlern ging man damals also nicht gerade zimperlich um.

Die ersten erfolgreichen Starstiche werden den Babyloniern zugeschrieben, vermutlich übernahmen die Ägypter von diesen den Eingriff, ihre

 

augenärztlichen Instrumente sind unter anderem an einer Tempelwand in Luxor dargestellt. So gab es diverse Pinzetten um lästige Wimpern, die über Augapfel scheuerten, zu entfernen, es gab verschieden geformte Fremdkörpernadeln zur Entfernung von Splittern aus dem Auge. In den Abbildungen finden sich auch lange dünne Bronzenadeln, sie wären zum Starstich geeignet gewesen.

Die Griechen benannten den grauen Star nach dem Wasserfall „Cataract“, das Wort wurde später als Feminin zur „Cataracta“ latinisiert. Von operativen Eingriffen am Auge ist weder aus Athen noch aus Rom allzu viel bekannt. Die Römer besaßen zwar auch die bronzene Starnadel und wussten um den Eingriff, allerdings dürfte die häufig nachfolgende Panophthalmie den Starstich kaum zur Routine gemacht haben. Nicht zuletzt trat der Star vor allem beim alternden Menschen auf, die niedrige Lebenserwartung dieser Zeit dürfte die Zahl der Betroffenen stark eingeschränkt haben.

Umso mehr enthielt das augenärztliche Operationsbesteck des römischen Truppenarztes zahllose Nadeln, Pinzetten und kleine scharfe Löffelchen zur Entfernung von Splittern aus dem Auge. Ihre Form überdauerte unverändert die Jahrhunderte. Starstecher und Okulisten des Mittelalters griffen lange noch auf die Instrumente der Antike zurück.

Erst die Abgrenzung der Augenheilkunde als eigenes Fachgebiet führte zur Spezialisierung der Operateure und damit auch zur Verfeinerung ihrer Instrumente. Voraussetzung für die erfolgreiche Augenoperation war in erster Linie die Einführung der Lokalanästhesie mit Kokain, welche die intrakapsuläre Entfernung der eingetrübten Augenlinse ab 1885 zur zum Standardeingriff werden ließ. Die erste erfolgreiche Hornhauttransplantation wurde 1905 vorgenommen.

Die neu entstandene Ophthalmochirurgie erforderte jetzt besonders feine Operationsbestecke. Manufakturen in London, Paris und Wien spezialisierten sich auf die Herstellung edler Instrumente für den Augenarzt. Solch ein Instrumentenset ist hier abgebildet. Es zählt zu den frühen der modernen Augenheilkunde. Alle Metallteile sind aus Silber, die Griffe der Messer, Nadeln und Häkchen aus Elfenbein. In einigen ist der Namen des Herstellers „Schleifer in Wien“ eingraviert. Noch fehlt das klassische Gräfemesser und die Irispinzette, ansonsten befinden sich alle auch noch heute gebräuchlichen Instrumente in dem kleinen primitiv anmutenden Eichenholzkästchen. Erst später wurden solche wertvollen Operationsbestecke in einer mit Samt ausgeschlagenen Schatulle ausgeliefert bzw. aufbewahrt.

 

MESSINGBRILLE

Lesebrillen aus Messing waren im 18. und 19. Jahrhundert Massenware. Das Material war gegenüber Holz, Leder oder Kupfer zwar schwerer zu bearbeiten, das stabile Gestell hielt dafür aber über Jahrzehnte, die Brillen wurden über mehrere Generationen hin immer wieder weitergegeben. Die noch recht dicken Gläser hatten bereits eine Einheitsstärke von 2 – 3 Dioptrien. Die Bügel reichten inzwischen schon bis zu den Ohren, eine Schur sicherte das Gestell gegen das Abrutschen. Diese Brille stammt aus der Zeit um 1780, sie wurde in einem Antiquitätengeschäft in Wien erworben.

Nachdem es gelungen war optisch brechende Gläser herzustellen, die auf Grund ihres niedrigeren Brechwerts von nur noch einigen wenigen Dioptrien direkt vor dem Auge getragen werden konnten, ging es nun um Frage eines brauchbaren Brillengestells. Die ersten Gläser waren noch als sogenanntes Einglas oder Lorgnon in einem runden Rahmen gefasst und wurden, mit einem Griff versehen, wie unsere heutigen Leselupen dicht vor das Auge gehalten. Ein beidseitiger Gläserausgleich war so schon gar nicht möglich. Erst ein Metallstift, als Verbindung zweier solcher Lorgnons am unteren Ende der beiden Griffe angebracht, löste das binokulare Problem. Allerdings musste noch immer eine Hand die so miteinander verbundenen Gläser während des Lesens und Schreibens vor die Augen halten.

Um die Brille aber auch zu einem Gebrauchsgegenstand z.B. für den Handwerker werden zu lassen war es erforderlich eine Halterung zu erfinden, welche die Brillengläser stabil und mit möglichst konstantem Abstand vor dem Augapfel fixierten. Beide Hände sollten frei sein. So banal die heutige Lösung mit Brillenbügeln auch aussehen mag, es dauerte noch über vier Jahrhunderte bis dieses Problem in der Mitte des 19. Jahrhundert durch den heute klassischen Ohrenbügel befriedigend gelöst war.

Die Ideen jedenfalls waren bis dahin durchaus vielfältig und sinnreich. Entweder band man sich die Fassung mit den beiden Gläsern mit einer Schnur um den Kopf oder befestigte sie an einem Stirnreif. Man schneiderte Mützen mit speziellen Halterungen für Brillengläser. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt. Letztendlich klemmte man die sich die Gläser in einem Gestell, das mit kurzen seitlich angebrachten Bügeln versehen war, an die Schläfe.

 

In der Folgezeit wurden diese Bügel immer länger, waren irgendwann zwecks einer vereinfachten Aufbewahrung der noch recht primitiven Sehhilfen klappbar oder ausziehbar oder wurden einfach im letzten Drittel mit einem weiteren Scharnier versehen. Um einen besseren Halt hinter den Ohren zu erzielen waren die Enden meist abgeplattet.

Erst später verfeinerte man die Befestigungssysteme, der heutige der Anatomie des Ohres angepasste Bügel ist gerade einmal 150 Jahre alt, seine Vorläufer waren rundgebogene Drähte und Spiralen. Der Nasenbügel in seiner heutigen Form entstand erst im vorletzten Jahrhundert, die Auflagepads für den Nasenrücken wurden noch später, nämlich zur Zeit des Zwickers erfunden.

Bei den frühen Brillen waren die Rahmen waren aus Holz, nur wenige Vertreter der oberen Gesellschaftsschichten sowie kirchliche Würdenträger besaßen Gestelle aus Gold, Silber oder Elfenbein. Die Brillengestelle des einfachen Bürgers waren aus Kupfer, ab dem dreißigjährigen Krieg aus Messing. Eisenbrillen sind in den ersten Jahrhunderten selten. Brillen aus Leder, die vor die Augen gehalten werden mussten waren dagegen die erste Billigware, wie sie auf den Jahrmärkten an jedermann verhökert wurden. Ihre Brauchbarkeit und Haltbarkeit waren begrenzt.

Schließlich war es das Messing das sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts als preiswerter Werkstoff für das erste wirklich brauchbare Brillengestell durchsetzte. Die hier gezeigte Messingbrille ist ein typischer Gegenstand aus einer frühen Massenproduktion. Die Gläser sind nicht aufwendig geschliffen sondern wurden einfach in eisernen Formen, ähnlich einem Waffeleisen, gegossen und dann nur nachpoliert. Die die mit einem Scharnier versehenen nur 10,8 cm langen Bügel endeten in Höhe der Ohrmuschel und lagen der Schläfe an. Sie wurden, wie die kleinen Bohrungen an ihrem Ende erkennen lassen mit einem um den Kopf geschlungenen Faden gegen ein Abrutschen gesichert.

Die Gläserstärke dieser Messingbrille aus der Mitte des 18. Jahrhunderts beträgt 2,86 Dioptrien, diese Stärke war vor Einführung der Metrik wohl ein Standardwert für die Lese- und Arbeitsbrille des gealterten Menschen.

RÖMISCHE AUGENPERLE

Augenamulette finden sich bereits in den frühen Hochkulturen, ihre Geschichte reicht bis in die heutige Zeit. Als Hals- oder Armband getragen oder ins Haar geflochten schützten sie gegen den bösen Blick. Sie waren Glücksbringer oder einfach nur ein Schmuckstück. In der Antike wurden die wertvolleren aus Halbedelsteinen, die für den einfachen Bürger aus buntem Glas hergestellt. Das hier gezeigte Amulett, eine römische Augenperle, ist nur 10 mm groß. Sie stammt aus einer Ausgrabung in der Türkei und lässt sich ins 4. Jahrhundert nach Christus datieren. Ein türkischer Kollege stiftete sie für die Sammlung.

Schon in den alten Hochkulturen kam dem Auge in Kunst und Kultur eine besondere Bedeutung zu, auch stand es im Mittelpunkt zahlreicher Religionen. In vielen Schriften taucht es als Buchstabe auf, als Symbol steht für den göttlichen Blick. Sinnreicherweise findet es sich als Auge Gottes auch heute noch auf jeder US-Dollarnote.

Doch es waren nicht nur die großartigen Darstellungen in Tempeln und an den Friesen öffentlicher Gebäude, auch in kleinen Abbildungen des persönlichen Lebens war das Auge oft als Motiv oder Votiv zu finden. Ein Beispiel hierfür sind Schmuckstücke aus der Antike. Diejenigen, auf denen ein Auge dargestellt ist, betrachten wir heute als Amulett. In römischer Zeit trug man solche Glücksbringer gerne in Form Augenperlen aus buntem Glas. Sie sollten den Besitzer schützen. Sie bewahrten ihn, so der Glaube, vor dem bösen Blick.

Selbst heute noch finden sich weltweit solche Augenamulette im Handel. In den arabisch beeinflussten Ländern wie der Türkei werden blaue Augenperlen als Glücksbringer in nahezu allen Andenkenläden angeboten. In Ägypten werden sie in Gold gefasst von den Juwelieren als Auge des Falken Horus verkauft. Man sagt, es verleihe vom Mann getragen, Gesundheit, Kraft und ein langes Leben. Tutanchamun, in dessen Grab solche Amulette in großer Zahl gefunden wurden, scheint davon allerdings nicht allzu viel profitiert zu haben.

Die wertvollsten Augenamulette aus der Antike sind aus Gold oder Silber, die einfacheren aus gebranntem Ton, Bronze oder eben aus Glas, was in den Glashütten der Antike nahezu unbegrenzt zur Verfügung stand. Beliebt waren vor allem in spätrömischer Zeit die kleinen gläsernen Augenperlen die einzeln oder zusammen mit anderen Perlen an einem Lederriemen um den Hals oder als Armband getragen Glück und Segen bringen sollten. Manch einer flocht sie wie es heute noch in afrikanischen Ländern zu sehen ist, für jedermann sichtbar ins Haar.

 

Die Archäologen fanden im Mittelmeerraum zahllose dieser kleinen Augenperlen. Sie gibt es in vielen farbigen Variationen, oft waren sie auch Grabbeigaben. Hergestellt wurden sie aus farbigem Glas. Eine solche Perle entstand indem man einen geschmolzenen Glasfaden vorsichtig auf einem Metallstäbchen aufwickelte und unter weiterer Zufuhr von Hitze zu einer Kugel formte. Auf ihrer Oberfläche brachte man weiße Glasplättchen als Sklera an. Ein kleineres blaues oder dunkelbraunes Scheibchen stellte die Regenbogenhaut, ein noch kleineres schwarzes die Pupille dar. Nach Fertigstellung zog man dann das Metallstäbchen aus der Glaskugel heraus, durch das verbliebene feine Loch fädelte man ein Lederriemchen.

Zur Herstellung waren zum einen verschiedenfarbiges Glas und zum anderen eine sichere Hand nötig. Bedenkt man das diese Glasperlen gerade einmal 10 mm dick sind dann war ihre Herstellung aus heutiger Sicht sicher eine Meisterleistung.

Die hier gezeigte Augenperle stammt aus einer Ausgrabung aus dem Stadtgebiet des frühchristlichen Konstantinopel, dem Zentrum des heutigen Istanbuls. Sie wird in das 4. Jahrhundert nach Christus datiert. Insgesamt 3-mal wiederholt sich auf der iridisierten, grün schimmernden Glaskugel das Augenmotiv. Wie man die kleine Kugel auch dreht, immer schaut eines der Augen auf den Betrachter.

 

WARNUNG VOR ÜBERTRAGBARER AUGENENTZÜNUNG

Berichte über ansteckende Augenerkrankungen und ihr Umgang damit sind in den alten öffentlichen Medien selten. Bei dem hier gezeigten Blatt handelt es sich um das Amtsblatt der königlich preußischen Regierung mit der Nr. 16 vom 19. April 1822. Das Ministerium warnt darin die Bevölkerung vor einer kontagiösen Augenentzündung, eingeschleppt durchs Militär. Man ordnet zum Schutz der Bevölkerung „einen sorgfältigen Umgang mit den Erkrankten“ an. Es handelt sich hier vermutlich um die älteste Mitteilung über eine Augenseuche in einer Zeitung. Das Blatt wurde von einem Sammler im EBay angeboten und zu einem fairen Preis für die Sammlung erworben.

Es sind nicht nur Gegenstände wie Sehhilfen, Untersuchungsgeräte oder Rezepturen, die dem Medizinhistoriker einen Einblick in die Vergangenheit der Augenheilkunde geben, sondern es sind auch schriftliche Zeugnisse wie Bücher, wissenschaftliche Abhandlungen oder Dissertationen, die uns von den Krankheiten des Auges, ihren Symptomen oder ihren Behandlungsmethoden berichten. Mitteilungen über ansteckende Erkrankungen, vor allem aber über Krankheiten des Auges, finden sich dagegen in der Laienpresse der letzten Jahrhunderte nur selten.

Eine solche Mitteilung findet sich in dem hier gezeigten Blatt. Es handelt es sich um das Amtsblatt der königlich preußischen Regierung zu Marienwerder. Das Ministerium warnt am 19.4.1822 die Bevölkerung vor der kontagiösen Augenentzündung von Soldaten, seien sie nun wegen einer solchen Augenentzündung aus dem Dienst in ihre Heimat entlassen, seien sie gerade auf der Durchreise, beurlaubt oder lediglich zur Kriegsreserve abgestellt. Auf sie sei ein besonderes Augenmerk zu richten.

Bei Ausbruch oder Verdacht einer Augenentzündung sollten gemäß der Anweisung des Ministeriums ältere Kriegsreservemannschaften und Landwehrmänner der Obsorge der Zivilbehörden, also dem Kreisarzt zugeführt werden. Die aktiven Militärs waren hingegen einem Militärlazarett zu überstellen. Auch damals gab es also eine klare Dienstanordnung für den Soldaten. Sie gilt übrigens auch noch heute.

Zugleich wird gewarnt: das königliche Ministerium teilt mit, dass seit einigen Jahren in der Armee unter gewissen Verhältnissen eine ansteckende Augenkrankheit auftrete, die, so wörtlich, in „ihren Graden und Zeiträumen verschiedene nachteilige Folgen für die Augen habe“ und „in ihrem heftigsten Grade selbst eine gänzliche Zerstörung derselben und daraus hervorgehende unheilbare Blindheit veranlassen kann“.

Erkrankte Soldaten werden deshalb unverzüglich in die Heimat entlassen damit sie so vor Rückfällen bewahrt bleiben bzw. den militärischen Dienstverhältnissen, das heißt dem Zusammenleben in den Kasernen entzogen werden. So sollte die Seuche in der Truppe eingedämmt werden.

Prophylaktisch empfiehlt man dem Soldaten wie dem Zivilisten die Augen täglich mit reinem Flusswasser auszuwaschen und den gemeinschaftlichen Gebrauch von Handtüchern, Waschnäpfen, Betten und Kleidungsstücken zu meiden. Die Regierung erwartet zugleich dass die Prediger, Ortsvorsteher und Schullehrer sich „es werden angelegen lassen, auch die ungebildete Klasse des Landvolks hiervon zu informieren“

Auch wenn es nicht ganz klar ist um welche Augenerkrankung es sich hier im genaueren handelte, die spärliche Beschreibung der Symptome und des Krankheitsverlaufes passt auf nahezu alle ansteckenden Konjunktivitiden. Der epidemiologische Verlauf hingegen lässt auf das Krankheitsbild der Keratoconjunctivitis epidemica schließen.

Dieser alte reizvolle alte Druck beschreibt treffend die Symptomatik und die allgemeinen Problematik der epidemischen Augenentzündung. Die seuchenpolitischen Anordnungen der preußischen Regierung zeigen, dass letztendlich wie auch heute noch die Isolierung der Erkrankten sich als das beste Mittel erwies, vor Ort die Weiterverbreitung der Krankheit einzudämmen. Ob durch das Abschieben der erkranken Soldaten in ihre Heimat die Ausbreitung der Augenseuche in der Zivilbevölkerung gefördert wurde, ist nicht näher bekannt. Es wäre durchaus anzunehmen.

 

 

DIE BRILLE IN DER FOTOGRAFIE

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es große Mode, sich fotografisch ablichten zu lassen. Eine Flut von Porträtaufnahmen ist uns aus diesen Jahren erhalten. Und so war es nur einen Frage der Zeit, bis endlich auch die ersten Brillen auf den Bildern auftauchen.

Das hier gezeigte Bildchen gehört zu den ganz frühen Kinderfotos. Der Albuminabzug zeigt eine adrette junge Dame im Sonntagsoutfit. Mit der rechten Hand hält sie sich stolz Muttis Lorgnette vors Auge. Das Bild stammt aus der Zeit um 1860, es ist damit eine der ersten Abbildungen einer Brille auf einem Foto. Es stammt aus dem Familienalbum einer einst wohlhabenden Familie und wurde von der Urenkelin des kleinen Mädchens der Sammlung überlassen.

Will man etwas das Aussehen und die Funktionsweise historischer Brillen erfahren, bleiben hierfür nur ihre wenigen Abbildungen. Noch seltener sind uns Originale der Zeit erhalten. Die ersten Darstellungen von Sehhilfen finden sich in Fresken, man sieht sie in Kirchenfenstern oder als Frühdrucke im Holzschnitt.

Doch auch diese Abbildungen sind seltene Raritäten, es war früher nicht üblich seinen Sehfehler im Bild zu dokumentieren.

Auch auf den Ölgemälden der Renaissance oder des Barocks sind Brillen zusammen mit den Köpfen des Adels, der Politik, der Kirche oder gar des Militärs nicht zu finden. Auch Napoleon, war bekanntlich wie viele in seiner Familie kurzsichtig und Besitzer einer Scherenbrille. Dennoch wird er als Feldherr nirgends von den Malern seinen Gläsern großformatig dargestellt. Wissenschaftler und Erfinder, Forscher und Entdecker oder Seefahrer und Abenteuer lassen sich in diesen Jahren lieber mit einem Fernrohr, nicht aber mit der klassischen Lesebrille für ihr gealtertes Auge abbilden. Dichter und Denker verschweigen gerne ihre Kurzsichtigkeit.

Erst mit Aufkommen der Lithographie und des Stahlstichs häufen sich auch die Darstellungen von Menschen die eine Brille tragen. Fast ausschließlich, wie könnte es anders sein, findet sich jetzt ein kluger Kopf dahinter.

Gegen Endes 18. Jahrhunderts wurde die Brille zum Allgemeingut. Jetzt galt sie nicht mehr als exotischer Gegenstand oder Spielzeug, sie diente der immer älter werdenden Bevölkerung als zwingend notwendige Sehhilfe. Der zunehmende Bildungsstand der Bevölkerung erforderte vor allem die Lesergläser und es gab nun auch keinen Grund mehr diese Sehhilfe nicht auch öffentlich zu zeigen. In besseren Kreisen gilt es jetzt als schick sich mit einer silbernen Schmuckbrille, einem goldenen Zwicker oder einem Lorgnon aus Elfenbein im Ölgemälde portraitieren zu lassen. Meist ist es der Kaufmann, der auf dem Ahnenbild als Standessymbol seinen Zwicker trägt. Die feine Dame griff zur Lorgnette oder zum Lorgnon. Und jetzt gilt es auch als fein mit einer solch wertvollen Sehhilfe durch den Fotografen abgebildet zu werden. Die Brille findet sich jetzt immer häufiger auf auch den ersten Portraits in der Fotografie.

Die Erfindung der Fotografie, vor allem die die ab 1850 übliche Albumintechnik ermöglichte jetzt den Menschen rasch und wirklichkeitsgetreu abzubilden. Das Bild wurde im Studio mit einer hölzernen Plattenkamera aufgenommen, im sogenannten Nassverfahren auf einer Glasplatte als im Negativ fixiert, als Positiv konnte es beliebig oft reproduziert werden.

Die hier auf einem solchen frühen Foto liebevoll abgebildete Dame trägt eine verzierte Lorgnette aus Büffelhorn. Ihre Gläserstärke lässt sich auf Grund ihres erkennbaren Vergrößerungseffekts auf etwa 1.65 Dioptrien errechnen. Mit ihr konnte die presbyope Madame gerade das Menü oder Theaterprogramm entziffern. In dieser Abbildung diente das Bild als origineller Modegag.

Kinderbrillen waren in diesen Jahren nämlich noch verpönt, und es dauerte noch über 80 Jahre, bevor auch diese zur alltäglichen Sehhilfe in der Schule und am Ausbildungsplatz wurden. Sie verlieren damit gleichzeitig ihren Reiz und werden zu einem kaum noch beachteten Alltagsgegenstand.

SILBERNITRAT NACH CREDÉ

Die Credésche Prophylaxe in Form von 0.5 – 1.0 % AgNO3 als Augentropfen hat Millionen von Neugeboren vor der Erblindung bewahrt, sie war bis vor einigen Jahren noch gesetzlich vorgeschrieben. Heute ist Silbernitrat in Form von Augentropfen obsolet und befindet sich daher nicht mehr im Handel. Dennoch tauchen in alten Apotheken und Praxen noch vereinzelt Fläschchen mit Augentropfen, Spüllösungen oder dem Ausgangsmaterial in Form von Stäbchen auf. Ein solcher Glasbehälter mit dem Trockenstoff ist hier abgebildet. Er stammt vermutlich aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg und trägt noch das Etikett der Marienapotheke in Dresden. Er wurde über Ebay angeboten und für die Sammlung erworben.

Die Tripperinfektion des Auges ist keine Erkrankung der Neuzeit, schon zu Zeiten des griechischen Arztes Hippokrates waren die Symptome gut bekannt. In den historischen Beschreibungen bezeichnete man diese Augenentzündung wegen ihres gelbweißen Ausflusses als Augenkatharr, entlehnt dem altgriechischen Wort „Katarrhein“ das meint das, was da „herabfließt“. Mangels genauerer Kenntnisse der Pathologie wurde das gleiche Wort später nicht ganz exakt als Bezeichnung für den grauen Star als „Katarakt“ entlehnt.

Im Mittelalter traten Syphilis und Tripper in der Regel kombiniert auf. Während man heute annimmt, das der Tripper über die persischen Heere nach Griechenland eingeschleppt wurde und sich von dort dann bis in den letzten Winkel Europas verbreitete dürfte die Syphilis durch die Seefahrer aus Amerika einschleppt worden sein, zumindest berichten die Annalen der damaligen Hospitäler, dass bereits um 1500 eigene Abteilungen für die Behandlung dieser Seuche eingerichtet werden mussten. Ganze Regionen wurden durch Tripper und Syphilis ausgelöscht, zahllose Heere infiziert, Kriege gingen verloren.

Nahezu ein Viertel aller Blinden in Deutschland hatten in der Mitte des19. Jahrhunderts bereits als Neugeborene ihr Augenlicht durch eine Gonoblennorrhoe verloren.

Der Tripper war zwar als Krankheitsbild seit über 2 Jahrtausenden bekannt, aber die Ursachenforschung begann erst zu Zeiten der Aufklärung. Dachte man damals nicht zu Unrecht, dass die Gonokokkeninfektion auf verschmutztem Badewasser beruhe. Doch ein Badeverbot half nicht viel weiter, Patrizier wie das gemeine Volk schrubbten sich weiterhin im gleichen Zuber, das vergnügliche Spiel war wichtiger als die Moral. In den Hospitälern glaubte man die Infektion beruhe auf dem Miasma, der schlechten Luft in den Kreissälen und Gebäranstalten, schließlich trat das Krankheitsbild in den besseren Familien die sich die Hausgeburt sowie feste Mätressen leisten konnten, nur selten auf.

Auch eine Obstipation von Mutter und Kind werden ursächlich vermutet. Selbst die die Kirche wird beschuldigt, das kalte Taufwasser sei für den Augenkatarrh verantwortlich. Des Weiteren wird die damals übliche transvaginale Nottaufe bei drohendem Kindstod nicht zu Unrecht als Ursache des Augentrippers hinterfragt, der zu dieser Zeit übliche Seitenhieb auf die Hebammen ist da nicht zu überhören.

Auch Therapieversuche sind uns überliefert. Muttermilch, Rosenwasser, Speichel oder Urin, kalte wie warme Umschläge, Blutegel oder Sublimat, alles von mittelalterlichen Quacksalbern empfohlen, erwies ohne nachhaltigen therapeutischen Effekt. Credé schreibt, dass Rosenöl und Safrantropfen nutzlose Augenwasser wären, ihre Wirksamkeit gegen den Augentripper bezeichnete er als null. Doch er erkannte, dass eine Lösung aus Silbernitrat den Keim nachhaltig inaktivieren konnte. Er empfahl daher, Neugeborenen zur Vorbeugung der Gonoblennorrhoe einige Tropfen einer 0.2 bis 1.2 prozentigen Silbernitratlösung ins Auge zu träufeln. Dies war der Durchbruch.

Auch in der heutigen Zeit ist der Gonokokkus noch ein Keim, der auf Grund seiner hohen Pathogenität am Auge schwere Schäden hinterlässt. Die Prophylaxe beim Neugeborenen mit einem Tropfen einer Silbernitratlösung hat inzwischen Millionen von Menschen vor der Erblindung bewahrt. Durch die Entwicklung von Antibiotika hat die Erkrankung zwar ihren Schrecken verloren, eine zunehmende Resistenz des heute weltweit verbreiteten Keims stellt aber die Wissenschaft immer wieder vor neue Herausforderungen. Die Wirksamkeit von AgNO3 bleibt dabei unumstritten.

 

CHINESISCHE FADENBRILLE

Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass die Brille eine chinesische Erfindung sei und durch Marco Polo im 14. Jahrhundert nach Europa gelangt wäre. Da aber in Fernost bislang keine früheren Exemplare als die in Europa auftauchten fehlen hierfür die geschichtlichen Beweise. Bei der Abbildung handelt es sich um eine chinesische Fadenbrille aus dem Ende des 17. Jahrhunderts. Das Gestell aus Horn wird durch einen Faden, der um die Ohren geschlungen wurde, vor den Augen gehalten. Ein kleiner Nasensteg stützt die Konstruktion auf dem Nasenrücken ab. Solche frühen chinesischen Brillen tauchen immer wieder einmal zu Spitzenpreisen im internationalen Handel auf, die meisten davon sind jedoch gefälscht. Dieses seltene Original wurde von einem Kollegen der Augenklinik in Peking, selbst Sammler, unserem Fundus übereignet.

Das Altern des Auges, seine optischen Fehler und die Notwendigkeit diese mit brechenden Gläsern zu behandeln, betrifft Menschen aller Kulturen. Vor allem im fortgeschrittenen Alter wird spätestens mit Nachlassen der Akkommodation für jeden ein optischer Ausgleich im Nahbereich bzw. beim Lesen nötig. Die Frage, ob nicht wie viele andere Errungenschaften der modernen Zivilisation auch die Brille eine Erfindung aus dem alten China sei lässt sich leicht beantworten: es gibt bis heute in Fernost weder archäologische Funde noch Abbildungen, die auf eine frühe Kenntnis von durchsichtigen Glas oder seinem Schliff zu Brillengläsern schließen lassen. Man darf heute davon ausgehen, dass erst die christlichen Mönche dieses Wissen den Chinesen übermittelten.

Die den Menschen im Fernen Osten typische Anatomie von Nasenrücken, Stirn und Augenhöhle führte dazu, dass sich eigene Formen für Gestell und Bügel entwickelten. Im Gegensatz zu den europäischen Gesichtsformen haben Chinesen und Japaner platte Nasenrücken, flachere Augenpartien und engere Lidspalten, die klassischen europäischen Gläserhalterungen kamen daher für sie nicht in Frage.

Also konstruiert man Gestelle, die dem asiatischen Auge eher gerecht wurden: ein gebogener Nasensteg mit einer kleinen Platte für den Nasenrücken stabilisierte den Gläserabstand, mit zwei um die Ohren geschlungen Fäden wurde das Ganze vor den Augen fixiert. Bei einigen Typen sind diese Fäden zusätzlich mit Gewichten versehen, welche durch ihre Schwerkraft den stabilen Sitz der Brille vor dem Auge sicherten.

Während man in Europa noch mit Nietbrillen experimentierte kannte also man in China und in Japan schon die Fadenbrille, deren Prinzip dann über ein Jahrhundert später auch in Europa übernommen wurde. Auch der Kneifer oder Zwicker waren bereits im vorletzten Jahrhundert in Fernost bekannt, Abnehmer haben sie allerdings nur wenige gefunden. Der Halt vor der flachen Nase war meist zu instabil.

Für die Optiken wählte man, – durchsichtiges Glas war, weil importiert, sehr teuer -, alternativ den Bergkristall, der in China in brauner Färbung reichlich vorkommt und sich damit auch für Sonnenbrillen anbot. Viele historische Brillen haben nur dunkelbraune Quarzscheiben, die keine Brechkraft aufweisen.

Die Gestelle dieser Brillen sind ursprünglich aus Hartholz, Horn oder später auch aus Messing. Bei dem hier abgebildeten Modell ist die Gläserhalterung aus Horn gearbeitet, der halbbogenförmige Nasenbügel ist aus Messing, er wurde mit Kupfernieten befestigt. Die beiden bikonvex geschliffenen Gläser haben einen Brechwert von plus 2.12 Dioptrien. Die Fäden zur Befestigung am Ohr sind nicht mehr aus der Zeit, sie wurden später einmal ersetzt.

Das Tragen von Brille wurde auch in China rasch zur Mode. Wer etwas auf sich hielt, meist Menschen von Stand und Bildung, legte Wert aufs Outfit. Dabei fällt es dem Historiker auf, dass die meisten der wenigen historischen Brillen aus Fernost die ihren Weg in westliche Museen fanden, keine Refraktion aufweisen. Es handelt sich um durchsichtige Plangläser, man brauchte damit nicht sehen, man wollte nur gesehen werden.

Im Gegensatz zu Europas Sovereigns ließen sich Mandarine oder hohe Würdenträger auch gerne mit Brille portraitieren. Man zeigte, dass man etwas hatte. Unschicklich war es aber, wie uns Geschichtsschreiber vermelden, die Brille beim Begrüßungszeremoniell nicht abzunehmen, was westlichen Diplomaten, um diesen Brauch nicht wissend, einst zu Besuch in der verbotenen Stadt den massiven Zorn des chinesischen Kaisers einbrachte.

 

PROBIERSET FÜR FARBGLÄSER

Obwohl die Technik buntes Glas herzustellen schon im Mittelalter bekannt war sind farbig eingetönte Brillengläser erst seit Beginn des vorletzten Jahrhunderts auf dem Markt. Im Gegensatz zu Fernost waren in Europa bis ins 17. Jahrhundert dunkle Brillengläser nicht üblich. Erst das Erfahrungswissen, dass sie für das kranke Auge wohltuend sind, machten sie zum Allgemeingut.

Um die gewünschte Lichtabsorption zu ermitteln, wurden vom Optiker für die Kunden entsprechende Probiergläser bereitgehalten. Das Gestell des hier gezeigten Probiersets enthält 3 verschieden dunkle Plangläser die einzeln herausklappbar sind. Der Halter ist aus Büffelhorn, er stammt aus der Zeit um 1810 und gehörte einst zum Standardwerkzeug eines jeden Okulisten. Dieses Probierset wurde auf einem Flohmarkt in Wien entdeckt und zu einem stolzen Preis für die Sammlung erworben.

Die Gläser der ersten Brillen des ausgehenden Mittelalters waren mehr oder weniger farblos. Zwar kannte man schon in der Antike die Technik Glas durchscheinend einzufärben, aber erst im ausgehenden Mittelalter beherrschte man die Kunst es gleichmäßig und vor allem schlierenfrei herzustellen. Solche bunten Gläser dienten aber nicht für optische Zwecke sondern zur Gestaltung von Kirchen- und Rathausfenstern. Glashütten wie in Straßburg oder Augsburg belieferten den Markt mit Scheiben in nahezu allen Farben, sie verloren selbst nach Jahrhunderten noch immer nicht ihre Leuchtkraft.

Auf den Gedanken auch die Brillengläser einzufärben kam damals wohl noch niemand, schließlich bestand ja auch das Problem darin, dass ein gefärbtes Leseglas mit einem Brechwert von z.B. + 3.0 dpt in der Mitte dann deutlich dunkler war als an seinem Rand. Umgekehrt verhielt es sich mit den bikonkaven Gläsern zum Ausgleich der Myopie, deren Lichtabsorption vom Rand zur Mitte hin abnahm. Farbige Oberflächenbeschichtungen, die eine gleichmäßige Dämpfung des Lichts über das ganze Glas hin zulassen sind neuzeitliche Entwicklungen.

Gleichzeitig bestand zur Anfangszeit der Optik auch kaum ein Bedarf an farbigen Brillengläsern speziell für den Nahbereich. Das änderte sich erst später mit dem Wissen um die Ursachen der Kurz- und Weitsichtigkeit und damit der Herstellung der ersten Fernbrillen. Hier machte man die Erfahrung, dass das Tragen getönter Gläser bei Vorliegen von Augenerkrankungen vom Patienten als angenehm empfunden wurde. Vor allem das Blau war da als Farbe sehr beliebt, später waren Gelb oder Braun gefragt. Bei der Katarakt aber auch bei fortgeschrittenem Glaukom sowie der Makuladegeneration konnten eingeschwärzte Gläser die Blendung signifikant verringern. So kamen um 1550 die ersten getönten Brillen in Europa auf den Markt.

Die notwendige Lichtabsorption wurde durch Vorhalten der Gläser vor das Auge rein subjektiv bestimmt. Das Probierset des Augenoptikers oder Arztes bestand aus jeweils 3 bis 5 Farbgläsern, mit denen der gewünschte Grad der Absorption einfach ermittelt werden konnte. Der Trick: durch das Übereinanderklappen von 2 oder 3 der verschieden stark getönten Gläser konnte die Lichtabsorption stufenweise von 30 % bis zu 90% gesteigert werden. Der Patient hatte freie Wahl. In ähnlichen Gestellen, meist sind sie aus Büffelhorn, findet man auch Lupen oder Plusgläser zur Ermittlung der erwünschten Gläserstärke bei der Altersweitsichtigkeit, der Hyperopie und Myopie. Letztlich ist so ein Probierglashalter ein Vorläufer des modernen Phoropters.

Nur wenige der frühen Fernbrillen oder gar Lichtschutzbrillen mit getönten Gläsern sind in den optischen Museen oder Sammlungen zu finden. Ihr Bedarf aus medizinischer Indikation war gering, sie waren daher nicht weit verbreitet. Anders hingegen war es in Fernost, hier war die dunkelbraune Brille mit Plangläsern von Anfang an das Zeichen hoher Würdenträger oder eben ein Modegag, so wie wir ihn heute im Zeitalter der Popmusik als Outfit auf der Bühne oder der Promenade noch erleben können.

 

AUGENANATOMIE NACH RYFF

Anatomische Bemerkungen über das Auge finden sich in den frühen Kulturen nicht, über die Untersuchungsmethoden des Auges, vor allem aber über dessen morphologischen Kenntnisse wird uns nichts überliefert. Erst die mittelalterlichen medizinischen Handschriften und frühen Drucke gehen auf die Morphologie des Auges ein. Nach Erfindung des Vergrößerungsglases und vor allem aber des Mikroskops im 16. Jahrhundert finden sich zunehmend Abbildungen, die dem heutigen anatomischen Wissen entsprechen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind Augendarstellungen im Schnittbild meist Phantasiedarstellungen. Dies gilt auch für den bekannten Holzschnitt des Nürnberger Stadtarztes Walter Hermann Ryff. Das hier gezeigte Blatt, ein seltenes Original aus dem Jahr 1542‚ wurde von einem Sammler, selbst Augenarzt, für diese Serie freundlicherweise zu Verfügung gestellt.

Scheinbar wurde dem Auge, seinen Erkrankungen und vor allem seinem anatomischen Aufbau in den frühen Hochkulturen nur wenig Bedeutung zugemessen obwohl ohne jeden Zweifel Erblindungen durch Infektionen oder

Verletzungen in der Antike weitaus häufiger gewesen sein dürften als heute. Nicht zuletzt war das Schicksal eines Erblindeten in dieser Zeit weitaus schlimmer als in unserer Zeit. Erst der Papyrus Ebers liefert fast 100 kurze Berichte über Augenkrankheiten.

Eigentlich wäre zu erwarten, dass vor allem die ägyptischen Ärzte sich mit dem anatomischen Aufbaus des Auges beschäftigt hätten, schließlich erforderten ihre Einbalsamierungen auch genaue Kenntnisse des menschlichen Körpers. Allerdings wurde hierbei auf das Auge als wichtigstes Sinnesorgan des Menschen keine besondere Rücksicht genommen, auch weiß man bis heute nicht, was aus den entnommenen Augäpfeln wurde. Sie fehlen bei den Mumien, stattdessen finden sich in den leeren Augenhöhlen Leinenknäuel oder bei hochgestellten Persönlichkeiten kunstvoll angefertigte Prothesen. In anderen Kulturen waren Autopsien obsolet oder von der Religion verboten. Nur das Horusauge, bekannt als Hieroglyphe, kann vielleicht als anatomische Abbildung der vorderen Augenabschnitte einschließlich der Lider und Tränenwege verstanden werden.

Erst die arabischen Wissenschaftler bringen uns Darstellungen der Augenanatomie, so findet sich in den Bücher des Alhazen eines der ersten anatomischen Schnittbilder. Er war auch der erste, der meinte, dass die Augenlinse das für die Sehfunktion entscheidende Organ sein müsse.

Dieses Wissen übernimmt dann der Nürnberger Stadtphysikus Walter Hermann Ryff. In seinem Buch „Die kleine Chirurgie“ liefert er 1542 über das Auge kaum eigene Erkenntnisse, er fasste lediglich die zu diesem Zeitpunkt von anderen Forschern beschriebenen Arbeiten zusammen um sie letztendlich als seine eigene Entdeckung aufzuzeigen. Plagiate waren in diesen Jahren durchaus an der Tagesordnung, man schrieb einfach vom anderen ab ohne den Inhalt zu prüfen oder den Autor zu nennen.

In seinem Holzschnitt vom Auge, wie er hier abgebildet ist, kupfert er die Zeichnungen von Alhazen und wohl auch von Vesalius ab. Er gibt wie seine Zeitgenossen das Auge wie eine Zwiebel wieder. Richtig dargestellt wird von ihm die Konjunktiva als Verbindung zur Innenfläche der Lider. Auch der Limbus als Übergangszone zwischen Sklera und Hornhaut stimmt mit der Wirklichkeit überein. Er verlegt jedoch fälschlicherweise die Lens cristallinea in die Mitte des Bulbus. Die Iris bzw. Pupille projiziert er auf die Hornhautrückfläche, ihre Lage in der Vorderkammer kennt er scheinbar nicht. Der Abgang des Sehnerven erfolgt anatomisch falsch aus dem hinteren

Augenpol, ein Fehler den auch Vesalius und Platter machen. Die Sehgrube bzw. der gelbe Fleck fehlen, die Macula wird erst durch den Gebrauch des Augenspiegels entdeckt. Auch bedurfte es der weiteren Entwicklung der Chirurgie und vor allem des Mikroskopes um die Anatomie des Auges endgültig zu klären.

 

RÖMISCHER BRONZESPIEGEL

Das älteste optische Instrument in der Hand des Menschen ist zweifellos der Spiegel. Mit ihm gelang es das Licht der Sonnenstrahlen beliebig zu lenken und, nachdem man die Fertigkeit erlangt hatte ihn zu sphärisch zu formen, Strahlen damit zu bündeln. Heute geht man davon aus, dass er in der Bronzezeit erfunden wurde, damals, als es zum ersten Mal gelang Metall zu schmelzen und in Formen zu gießen. Waren diese an ihrer Oberfläche glatt, spiegelten sie das Licht. Frühe Kulturen wie Babylonier oder Ägypter kannten den Spiegel. Griechen und Römer verbesserten seine optischen Eigenschaften. Die Abbildung zeigt einen römischen Hohlspiegel aus Bronze, er stammt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Er wurde in einer Fachhandlung für Antiken in Ulm für die Sammlung erstanden.

Der Spiegel ist bestimmt das älteste optische Instrument der Menschheit. Man darf zwar vermuten, dass die reflektierenden Eigenschaften einer Wasseroberfläche schon lange bekannt waren, verzerrungsfreie Abbildungen gelangen aber erst, nachdem es gelang Metall in Scheibenform zu gießen und seine Oberfläche zu polieren. Kupfer, Silber, Zinn und schließlich das Glas waren die ersten Werkstoffe.

Das lateinische Wort für den Spiegel ist „Speculum“. Im Altgriechischen wird er als Katoptron bezeichnet. In Ägypten gilt er als Abbild des Lebendigen, vielleicht symbolisiert die Hieroglyphe für das Leben „Ankh“ sogar einen Handspiegel. In einigen Kulturen findet er sich als Grabbeigabe weiblicher Würdenträger.

In der Zeit, wo geschliffene Linsen aus Quarz oder Glas noch unbekannt waren studierten griechische und arabische Wissenschaftlicher am Spiegel die optischen Gesetze, sie kamen zur Erkenntnis, dass Einfalls- und Ausfallwinkel immer identisch sind. Sie entdeckten am Hohlspiegel die Bedeutung des Brennpunktes für die Bündelung des Lichts.

Es gibt in der Antike genug Beispiele für seine praktische Anwendung. So vermutet man, dass eine Vielzahl solcher Spiegel in Serie angeordnet beim Bau der Pyramiden und unterirdischen ägyptischen Grabmäler das Licht in die Grabkammer warf, denn es waren damals weder das elektrische Licht noch rußfreie Beleuchtungsgeräte bekannt. Archimedes soll mit einer Vielzahl in einer Reihe am Ufer von Syrakus aufgestellter Hohlspiegel die römische Flotte in Brand gesetzt haben. Insgesamt dürfte jedoch die Begehrlichkeit der Frauen die Weiterentwicklung des Spiegels zu einem Gebrauchsgegenstand in weiblicher Hand weit mehr gefördert haben als die Suche ihrer Männer nach einem kriegstauglichen Gerät. Denn nur im Spiegel ließ sich die eigene Schönheit bewundern und so gehörte in Rom bald das „Speculum“ neben dem Tuschekasten zur Mindestausstattung einer jeden Belladonna.

Dieser aus einer römischen Ausgrabung stammende Hohlspiegel ist aus Bronze. Sein Durchmesser beträgt 11.7 cm. Seine polierte Platte ist durch die Patina nicht mehr erkennbar, auch ist er teilweise beschädigt. Auf Grund der raschen Oxidation von Kupfer, Silber oder der Bronze ist die Oberfläche antiker Spiegel nur selten noch im Urzustand erhalten. Dennoch lässt sich seine Brennweite durch Ultraschalluntersuchungen der Oberfläche errechnen. Seine Durchbiegung vom Rand zu Mitte lässt auf einen Brennweite von 153,4 cm schließen. Daraus wiederum lässt sich ein Vergrößerungsfaktor von etwa dem 3-fachen ableiten, ein Wert, der einem modernen Kosmetikspiegel entspricht.

Solche antiken Relikte sind selten und kommen nur noch gelegentlich in den Handel. Dieser römische Spiegel stammt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Er gehörte in der Blütezeit der Kulturen entweder zur Ausstattung einer feinen Dame oder aber des Mediziners, der solche Spiegel zur Ausleuchtung von Wunden oder Körperöffnungen einsetzte. Dies erklärt, warum der Begriff des Spekulums auch heute noch in der Medizin gebräuchlich ist. Als Augenspiegel, einer Erfindung der Neuzeit, wird er schließlich unersetzbar für die Ophthalmologie.

 

FRÜHER AUGENSPIEGEL

Mit der Erfindung des Augenspiegels durch Hermann von Helmholtz im Jahr 1850 gelang es zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit in ein lebendes Organ zu blicken, ohne es zuvor mit chirurgischer Hilfe öffnen zu müssen. Damit erschloss sich quasi über Nacht ein neues Fachgebiet. Unzählige neue Krankheitsbilder der Netz- und Aderhaut sowie des Sehnerven wurden jetzt entdeckt, sie konnten nun differenziert, ätiologisch aufgearbeitet und letztendlich therapiert werden. Die Augenheilkunde grenzte sich von anderen Fachgebieten als eigenes Ressort ab, sie hatte ihr wichtigstes Untersuchungsinstrument bekommen. Diese frühen Augenspiegel sind heute sehr selten und inzwischen bei Sammlern hoch gesucht. Dieser, noch ohne elektrische Beleuchtung, stammt aus der Zeit um 1865, er wurde in einem Antiquitätengeschäft in London teuer erworben.

Im Grunde genommen waren die frühen Augenspiegel recht einfache Instrumente, und die Idee dazu war einfach genial. Ein kleiner Planspiegel wurde in seiner Mitte durchbohrt. Über den Spiegel wurde das Licht einer Kerze oder Gaslampe in die erweiterte Pupille gelenkt, die Durchbohrung erlaubte die gleichzeitige Betrachtung des ausgeleuchteten Augeninneren. Mit Hilfe eines in den Strahlengang verbrachten Konkavglases ließ sich dann der Augenhintergrund im aufrechten Bild betrachten.

Bald stellte man fest, dass im Falle einer Fehlsichtigkeit von Untersucher wie Patient eine Fokussierung schwierig war. Auch hier war die Lösung einfach. Eine in dem optischen Betrachtungsgang angebrachte drehbare Scheibe, nach ihrem Konstrukteur Recoss benannt, war mit verschieden starken Plus- und Minusgläsern versehen. Sie erlaubte jetzt vorhandene Brechungsfehler beliebig auszugleichen.

Kurze Zeit später verwendete man zum Augenspiegeln einen in der Mitte durchbohrten Hohlspiegel. Bei Brennweiten von etwa 20 cm konnte man mit einer Lupe, zwischen Auge und Spiegel gehalten, die Netzhaut sehen. Sie erschien bei dieser Technik vergrößert und reflexfrei im umgekehrten Bild.

So einfach das Grundprinzip des Ophthalmoskops war, schon in den Angangsjahren immer wieder wurden laufend Verbesserungen vorgenommen. Bereits 30 Jahre nach dessen Erfindung gab es über 50 verschiedene Modelle auf dem Markt. Dabei war der Augenspiegel durchaus bei den Kollegen erst einmal umstritten. Frust machte sich breit. Es erforderte, wie manch älterer Kollege vom Spiegelkurs noch weiß, einer gewissen Geduld und Übung, den schwachen Lichtstrahl der Untersuchungslampe durch die erweiterte Pupille ins Augeninnere zu lenken. Und dann musste das hier dargebotene bunte Bild erst einmal differenziert werden. Doch die gekonnte Untersuchung des Augenhintergrundes bei Diabetes und Hypertonie oder die rechtzeitige Entdeckung des malignen Melanoms der Aderhaut rettete unzähligen Menschen das Leben.

Der technische Durchbruch kam mit der Erfindung der elektrischen Glühbirne. Jetzt war es möglich auch bei enger Pupille und in hellem Umfeld Fundusdiagnostik zu betreiben. Immer kleinere und lichtstärkere Lämpchen machten den Augenspiegel zum Routineinstrument in der Ophthalmologie. Mit modernen Geräten lässt sich der Augenhintergrund vermessen, die Fixation ist prüfbar, Farbfilter zeigen Gefäßschäden. Heute ist die Darstellung des Augenhintergrundes mit Hilfe elektronischer Kameras und bildgebenden Verfahren weitaus einfacher geworden. Der Reiz allerdings, dem Patienten beim Blick in die Tiefe des Auges ganz nahe zu kommen, ging damit verloren.

Der alte Augenspiegel hat in der modernen Augenheilkunde bald endgültig ausgedient. Dennoch verliert solch ein historisches Instrument nicht seinen Wert. Jedes einzelne von ihnen schrieb in der Hand des Augenarztes Geschichte, es entschied Schicksale. Dieser Augenspiegel gehörte dem bekannten Physiologen B. Baudevin.

 

STEREOBETRACHTER

Stereobetrachter sind optische Geräte aus neuerer Zeit. Sie kamen auf den Markt als es möglich wurde von ein und demselben Objekt Bilder aus zwei verschieden Blickwinkeln anzufertigen. Mit Hilfe eines solchen Gerätes konnte man die Aufnahmen dann unter Vortäuschung einer dreidimensionalen Wiedergabe betrachten. Bereits wenige Jahre nach Erfindung der Fotografie gab es in der Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Stereoaufnahmen, der Handel mit ihnen und den dazu gehörenden Bildbetrachtern boomte von Beginn an. Das hier abgebildete Modell stammt aus der Zeit um 1890. Es wurde mit dazu passenden Bildern auf einem Flohmarkt in Paris erstanden.

Der Stereobetrachter gehört zu den neueren Geräten in der langen Geschichte von Auge und Optik. Als es gelang von einem Objekt fotografische Bilder unter mindestens zwei verschiedenen Blickwinkeln simultan aufzunehmen und man diese dann auch einfach und billig reproduzieren konnte, überschwemmten Stereofotos und Bildbetrachter den Markt.

Das Wort „Stereo“ stammt als dem griechischen, es ist das Synonym für starr oder fest. Zwei optische Systeme, fest miteinander verbunden, lassen beim Betrachter ein dreidimensionales Bild entstehen, obwohl dieses nur zweifach in einer Ebene abgebildet ist. Technisch besteht daher ein Stereobetrachter immer aus jeweils zwei Linsen bzw. Prismen welche die Bilder entspannt in einem Abstand von ca. 20 – 30 cm mit beiden Augen scharf erkennen lassen. Die Optiken waren anfangs nur auf ein primitives Gestell montiert, die Fokussierung erfolgte durch einfaches Verschieben der Bilder auf einer Holzleiste. Eine dunkle Platte, zwischen den Gläsern als Scheidewand angebracht, diente dazu die beiden Bilder optisch voneinander zu trennen.

Waren die ersten Geräte meist noch aus Holz gefertigt so kamen später zusammenklappbare Modelle aus Messing- oder Eisenblech auf den Markt. Man nahm sie mit auf die Reise. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts verschickte man nämlich gerne Stereobilder als Ansichtskarte. Sie gab es sogar als postalischen Gruß mit einem integrierten Betrachter aus Pappe. In den Nachkriegsjahren überschwemmten dann schließlich billige Stereobetrachter aus Plastik mit farbigen Märchen- oder Reisebildern in den Handel. Heute sind sie nur noch gesuchte Sammlerstücke, Handy und Laptop haben sie ersetzt.

Die für den Stereobetrachter auf dem Markt angebotenen Bilder waren anfangs eher von bildendem Charakter, Aufnahmen von fernen Reisen, aus exotischen Ländern aber auch von berühmten Städten und historischen Bauwerken finden sich unter den wenigen noch erhaltenen Fotos der Anfangszeit. Sie konnten in den Andenkenläden vor Ort erworben werden, die eigene Kamera gehörte in diesen Jahren noch nicht zum Outfit des Touristen.

Irgendwann entdeckte man, dass sich auch das männliche Bedürfnis nach dem Abbild des weiblichen Geschlechtes dreidimensional gut verkaufen lies. Bald überschwemmten tausende von reizvollen Stereobildern den Markt. Sie stammten bevorzugt aus Pariser Etablissements und dienten unseren Vorvätern zur Aufklärung über etwas, was nach heutiger Lehrmeinung auf den Bilder gar nicht einmal zu sehen war. Zum Schutz des häuslichen Friedens gab es bald auf den Jahrmärkten Buden voller Stereobetrachter, die gegen Geldeinwurf ihre professionellen Schätze dem neugierigen Auge freigaben. Die frühesten Bilder waren noch Handabzüge in Albumintechnik, der braune Farbstich verrät das Alter. Die Bildgrößen betrugen einheitlich zwischen 6×6 und 8×8 cm, für einen weltweiten Vertrieb sorgte ein mehrsprachiger Text auf der Rückseite.

In einer Zeit wo Fernsehen und Kino noch unbekannt waren und der Abdruck von Bildern in Büchern kostspielig war diente das Gerät nicht nur der häuslichen Bildung. Auch in der Schieldiagnostik spielte der Stereobetrachter eine große Rolle, konnte man doch mit ihm recht einfach das räumliche Sehen prüfen. Weiterentwickelt zu einem Gerät für das simultane Sehtraining findet er sich noch heute in jeder Sehschule.

 

VERBANDSTUCH FÜR AUGEN

Verletzungen des Auges und seiner Anhangsorgane sind so alt wie die Menschheit selbst. Dabei ist zu vermuten, dass Wunden in der frühen Geschichte des Menschen nur schlecht abheilten. Medikamente kannte man nicht, Verbände waren weitgehend unbekannt und ohne die Kenntnis von Sepsis und Antisepsis dürfte der Heilverlauf oft genug dramatisch verlaufen sein. Erst gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts entwickelten sich, parallel zum Roten Kreuz, die sogenannten „Erste Hilfemaßnahmen“. Das Wissen um die Infektionsgefahren erforderte jetzt die keimfreie Abdeckung von Wunden.

Aus dem Ideenreichtum von Friedrich v. Esmarch stammt dieses Dreiecktuch, auf dem für den Ersthelfer unter der Ziffer 8 gleich die Anweisung zur Versorgung von Augenverletzungen aufgedruckt war. Es gehörte bald zur allgemeinen Grundausstattung des Sanitätsdienstes. Dennoch sind heute nur noch wenige der frühen Exemplare in den Museen zu finden. Gut erhaltene Stücke bringen Spitzenpreise. Dieses hier wurde bei Ebay für die Sammlung ersteigert.

Augenverbände aus Birken- oder Weidenrinde gab es wohl schon zur Jungsteinsteinzeit, Moose und Flechten dienten zur Kompression der Wunde. Extrakte aus Heilpflanzen waren schmerzlindernd und beugten Infektionen vor. Die Folgen waren dennoch fatal, Verluste eines verletzten Auges waren keine Seltenheit. Heilte die Wunde ab, führten Narben zu Funktionsstörungen der Augenlider oder beeinträchtigten die Sehfunktion.

Darstellungen von Augenverbänden finden sich in vielen alten Lehrbüchern der Chirurgie und Augenheilkunde, sie werden meist als primitive Lappen aus Leinenstoff oder Wolle beschrieben. Die Wichtigkeit eines keimfreien Verbandes zur Förderung der Wundheilung und Vermeidung posttraumatischer Infektionen war noch nicht erkannt.

Vor allem auf dem Schlachtfeld waren Verwundungen ein Problem. Kaum ein Soldat kam hier bei dem Gemetzel ohne Blessur davon. Der Sanitätsdienst, sofern überhaupt vorhanden, hatte nach Ende des Scharmützels alle Hände voll zu tun. Die Schilderungen der Kriegsberichterstatter klingen da makaber, Verbandmaterial wurde, weil teuer, gar nicht erst bevorratet. Der Kriegschirurg bediente sich beim Anfall von Verwundeten direkt vor Ort. Man holte man sich im nächsten Bauernhof einfach die Wäsche von der Leine, – was weder für die Hausfrau noch für den Verletzten von besonderem Reiz gewesen sein dürfte.

Die Einführung des Dreiecktuchs in die die Wundversorgung bzw. in die Erste Hilfe war da einfach genial, jeder Pfadfinder weiß davon zu berichten. Es ist leicht anzulegen. Bei nahezu allen Verletzungen des Schädels, Rumpfs und der Extremitäten ist es einsetzbar, sogar als Tragetuch für den verletzen Arm ist es geeignet. Und es ist, sofern gewaschen und gebügelt, sogar einigermaßen keimfrei.

Im Jahr 1877 kam das erste bedruckte Verbandstuch auf dem Markt, er gehörte bald in jeden Sanitätswagen und in den Erste-Hilfekasten. Auf einem Dreiecktuch aus feinem Leinen war seine Gebrauchsanweisung aufgedruckt, an insgesamt 6 Personen sind 32 verschiedene Verbände an Kopf, Rumpf und Extremitäten gezeigt. Die Abbildung Nr. 8 zeigt seine Anwendung bei Verletzungen des Auges. Das Tuch wurde nach der Anleitung der Länge nach handbreit zusammengefaltet, die mehrlagige Mitte kam vor das verletzte Auge, das Ganze wurde um den Kopf geschlungen und am Hinterkopf verknotet. Ein zweites zur Kompresse gefaltetes Tuch ermöglichte, darunter geschoben, sogar den Druckverband.

Derartige Verbandstücher waren einst weit verbreitet, heute sind sie äußerst selten. Sie waren Verbrauchmaterial, wurden nach Benutzung meist vernichtet und konnten, da bedruckt, auch kaum noch anderweitig eingesetzt werden. Die wenigen Tücher, die noch erhalten sind, sind daher meist fleckig oder verschließen. Gut erhaltene Exemplare sind sehr begehrte Objekte von Sammlern und medizinhistorischen Museen.

 

DIE BRILLE IN DER KARIKATUR

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfuhren die Sehhilfen eine weite Verbreitung, sei es als einfache Lesehilfe für den Mann auf der Straße oder als Modeaccessoire der Oberschicht. Es galt für die Dame in besseren Kreisen jetzt als schick eine Lorgnette zu tragen. Der Zwicker fand den Weg in die Kanzlei oder das Büro, das Monokel eroberte die Armee. Durch den Besitz einer Brille sollten Wohlstand und Weisheit gleichermaßen demonstriert werden. Der Esprit aber fehlte zumeist. Die französischen Karikaturisten des ersten Jahrzehnts des 19. Jahrhunderts machten sich diese Schaulust in der Oberschicht zu eigen, zahllose Karikaturen überschwemmten jetzt den Markt und verulkten den vornehmen Brillenträger. Diese Chromolithografie von Louis-Léopold Boilly aus der Zeit kurz nach der französischen Revolution ist ein klassisches Beispiel für den Niedergang der Bourgeoise. Das originelle Blatt wurde in einem Antiquariat in Paris erworben.

Ob wohl es schon im 15. und 16. Jahrhundert Holzschnitte oder Kupferstiche von Brillen gab, deren Träger als Narr, Dummkopf oder einfach als Trottel dargestellt wurde, begann mit der französischen Revolution die Zeit, in der Brille ihren Eingang in die Karikatur fand.

Während sich der Fehlsichtige sich eher schämte in der Öffentlichkeit mit einer Brille gesehen zu werden, war es jetzt in gewissen gehobenen Kreisen „in“ sich mit einem Lorgnon, Zwicker oder Monokel zu präsentieren, -, egal ob man es nun brauchte oder nicht. Rasch wurde dies von den Karikaturisten in England und Frankreich entdeckt. Waren Sehhilfen vor 1800 noch wertvolle Gegenstände wurden sie jetzt zum Accessoire der gehobenen Klasse. Frack, Stehkragen und Zylinder durften beim öffentlichen Defilee genau so wenig fehlen wie die Begleitdame im taillenformenden Kostüm oder aufgeplusterten Rock.

Vor allen die französischen Karikaturisten griffen hier gerne zur spitzen Feder und überschwemmten den Markt mit dem Konterfei ihrer Promis. In den Journalen der napoleonischen Zeit bis hin zum deutschen Simplicissimus der Kaiserzeit spiegelten sich die Eitelkeit und Dekadenz der Vornehmen in den Gläsern ihrer Sehhilfen.

Dieses Blatt stammt von Boilly, einem der bekanntesten französischen Karikaturisten aus der Zeit nach der französischen Revolution. Es zeigt fünf Herren der gehobenen Gesellschaft. Sie sind scheinbar Kunstkenner, von denen drei ihren Blick mit einer Sehhilfe schärfen und damit letztlich verraten, dass sie nicht mehr zur Jugend gehören. Jeweils mit Lorgnon, Zwicker und Scherenbrille bewaffnet betrachten sie ein Gemälde, von dem nur die Rückseite zu sehen ist. Die delikate Thematik der Vorderseite lässt sich an der Mimik der feinen Herren nur allzu gut erahnen – zumal die Dame im Hintergrund geschickt zur Seite gedrängt wird.

Boilly als großer Meister der Karikatur hat hier trefflich die Dekadenz der Oberschicht seiner Zeit dargestellt und wie in vielen anderen seiner bekannten Chromolithographien ist dabei die Brille das Merkmal der Eitelkeit oder eben der Dummheit.

Während die Auflagen von Holzschnitt und Kupferstich durch den Verschleiß der Druckstöcke noch stark limitiert waren erlaubte es die damals gerade erfundene Lithographie ein Bild beliebig oft zu kopieren und ermöglichte so seine weite Verbreitung. Als Beilagen zu den ersten Zeitungen und Journalen erreichten sie nahezu jedermann. Ihre politische Aussagekraft war enorm. Man musste nicht lesen können um ihre Aussage zu erkennen.

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts, letztendlich mit Aufkommen und des Stahlstichs und der Photographie häufen sich auch die Darstellungen von Menschen die eine Brille tragen. Fast ausschließlich, wie könnte es anders sein, findet sich jetzt ein kluger Kopf dahinter. Die Sehhilfe verliert damit allerdings auch gleichzeitig ihren Reiz und wird zu einem kaum noch beachteten Gegenstand des Alltags, sie verliert das Interesse des Karikaturisten.

Solche kunstvollen Karikaturen sind heute auf dem Kunstmarkt sehr gesucht. Sie haben inzwischen eigene Sammlerkreise und bringen bei guter Erhaltung auf den Auktionen Spitzenpreise.

 

DIE SCHUSTERKUGEL

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die sogenannte Schusterkugel in den Werkstätten von Schuhmachern oder Uhrmachern ein wichtiges Hilfsmittel um trotz schlechter Beleuchtung noch genügend sehen zu können. Nach der Erkenntnis, dass sich eine wassergefüllte Hohlkugel aus Glas dazu eignet.

Lichtstrahlen zu konzentrieren konnte schon das Licht eines Kienspans, einer Öllampe oder Kerze ausreichen um bei Dunkelheit noch feine Arbeiten im Nahbereich durchzuführen. Später wurden die mit Wasser gefüllten Kugeln durch die weniger zerbrechlichen massiven Glaskugeln ersetzt. Das Prinzip der Lichtbündelung bleibt dabei gleich. Auf dem Markt finden sich gut erhaltene Schusterkugeln heute nur noch äußerst selten, Originale erzielen Spitzenpreise. Diese hier, ihr Durchmesser beträgt 19 cm, wurde in einem Antiquitätenladen in Rottach-Egern entdeckt und für die Sammlung erworben.

Die Flamme des Kienspans, der Öllampe oder der Kerze war bis zur Erfindung der elektrischen Glühlampe die einzige Lichtquelle bei Dunkelheit. Für die Mehrheit der Arbeiten der Handwerker bedurfte es daher des Tageslichts. Lange Winternächte ließen die Arbeit zumeist ruhen.

Um die geringe Lichtmenge die zur Verfügung stand möglichst optimal einsetzen zu können waren Hohlkugeln aus Glas zur Bündelung von Licht im Einsatz, sie finden sich nicht nur in Form der wassergefüllten Schusterkugel sondern später auch als massive Glaskugeln an Öllampen oder in höchster Vollendung als kunstvoll geschliffene Objekte am Kristalllüster.

Das Grundprinzip ist dabei denkbar einfach: eine mundgeblasene Hohlkugel aus durchsichtigem Glas wird mit klaren Wasser gefüllt und vor eine Lichtquelle platziert. Das Ganze wirkt wie eine große Sammellinse mit kurzer Brennweite: die Strahlen einer Lichtquelle werden im Brennpunkt gebündelt und dient dann zur Ausleuchtung einer kleinen Flächen. Nach Erfindung der elektrischen Glühlampe verschwanden die Kugeln rasch vom Markt.

Auch in der Technik war diese Methode einer einfach und unkomplizierten Lichtkonzentration durch wassergefüllte Glas- oder später Plastikkugeln beliebt: Zeiss bot noch bis in die Nachkriegsjahre Mikroskopierlampen an, deren wassergefüllten Hohlkugeln als Sammellinse wirkten.

Wann zu ersten Mal solche Glaskugeln für optische Zwecke auf den Markt kamen ist nicht genau bekannt, das Grundprinzip der Lichtbündelung z.B. in einem Wassertropfen war sicher schon in der Antike bekannt. Um diese Lichtkonzentration für optische Zwecke nutzen zu können waren allerdings größere durchsichtige Hohlkörper nötig, die erst im späten Mittelalter vom Glasbläser hergestellt werden konnten. Ihre Durchmesser liegen in der Regel zwischen 15 bis 25 cm. Die gleichen Glaskugeln dienten im Übrigen auch für die Herstellung der mittelalterlichen runden Butzenscheiben. Da plan geschliffene Glasscheiben nur unter hohem Aufwand hergestellt werden konnte, wurde Glas einfach zu runden Kugeln geblasen und im noch formbaren Zustand zwischen zwei Metallscheiben plattgedrückt. Zurückblieb eine mehr oder weniger gut durchsichtige runde Glasscheibe, die dann in Blei gefasst werden konnte.

Um möglichst keinen Schatten zu werfen stand die Schusterkugel entweder in einem dünnen Holzgestell oder wurde einfach an einem Seil aufgehängt. Dazu war an Ihrer Einfüllöffnung die Glaswand wie ein Flaschenhals verdickt. Die Einfüllöffnung selbst war nur wenige Millimeter groß, das Wasser sollte keinesfalls verdunsten: Als Folge hätten sich im Inneren Ablagerungen gebildet, welche auf Dauer die Transparenz beeinträchtigt und die Kugel damit unbrauchbar gemacht hätten.

Das Grundprinzip dieser Lichtbündelung bzw. seiner Weiterleitung findet sich heute noch im Lichtleiter moderner Faseroptiken. In primitiver Form hat sich die Schusterkugel als wassergefüllter Plastikflasche in Ländern der Dritten Welt erhalten: unter der der durchbohrten Decke einer Lehmhütte aufgehängt konzentrieren sie das Mondlicht im Raum und ersparen die Lampe.

Heute sind Schusterkugeln selten, auf Grund ihrer hohen Zerbrechlichkeit sind nur noch wenige Exemplare im Original erhalten. Sie bringen inzwischen auf den Antiquitätenmärkten hohe Preise.

 

FLÄSCHCHEN FÜR AUGENTROPFEN

Augentropfen waren bereits in der Antike begehrte Medizinprodukte. Ihre Aufbewahrung war im Altertum jedoch schwierig, die Gefäße mussten klein und gut verschließbar sein. Die ältesten Tropfenbehälter sind einfache geblasene Fläschchen aus Glas. Später gibt es solche Behältnisse zwar auch aus Edelmetall, Zinn oder Blei, durchgesetzt hat sich über drei Jahrtausende jedoch nur der Tropfenbehälter aus Glas. Die hier gezeigten Gläschen für Augentropfen sind aus der Zeit des 18. und 19. Jahrhunderts und stammen von diversen Flohmärkten, wo sie auch heute noch für wenig Geld erworben werden können.

Augentropfen zählen mit zu den ältesten Therapeutika der Menschheit, von der richtigen Wahl ihrer Inhaltsstoffe hing oft das Schicksal einer Erblindung ab. Schon in den frühen Hochkulturen gab es spezielle augenärztliche Rezepturen.

Meist waren die Präparate von pflanzlicher Herkunft, bis ins frühe Mittelalter bestimmten vor allem Heilkräuter ihren Inhalt. Extrakte von Minze, Melisse oder der Euphrasia gehören zu den am häufigsten aufgelisteten Therapeutika. Trägersubstanzen waren Wasser, Wein, Milch oder Essig, dessen antibiotische oder adstringierende Wirkung auch heute noch in naturheilkundlichen Rezepturen geschätzt ist. Flüssige Galle sollte Trübungen der Hornhaut aufhellen.

Die Alchemisten des späten Mittelalters lieferten weitere Inhaltsstoffe wie z.B. die Borsäure, das Zinksulfat oder Silbernitrat. Das wohl bekannteste Medikament der Augenheilkunde war das Gift der Tollkirsche, das als Atropa Belladonna manchen Frauen der Renaissance nicht nur die Pupille erweitert sondern auch lustvolle Stunden beschert haben soll. Diverse Essenzen kamen als künstliche Tränenflüssigkeit zum Einsatz. Die chronische Konjunktivitis und das mit ihr assoziierte trockene Auge erforderten aufgrund einer durch die Industrialisierung bedingten zunehmenden Umweltbelastung immer mehr adstringierende und benetzende Substanzen.

Aufbewahrt wurden Augentropfen in der Frühzeit vermutlich in Töpfchen oder Fläschchen aus Ton. Später waren sie aus Gold, Silber, Zinn oder Blei, wobei man bald man erkannte dass die Inhaltsstoffe oft mit dem Metall unerwünschte chemische Verbindungen eingingen. Allein das Glas, chemisch nahezu inert, löste das Problem. Bereits die Babylonier nutzen es zur Aufbewahrung von Tropfen für Auge, Nase und Ohr. Die Fläschchen für Augentropfen wurden in der Antike als Lacrimarium bezeichnet, die späteren, aus besonders dünnwandigem Glas gefertigten Behälter nannte man Ophthiolen. Sie waren gut geeignet Augentropfen längerfristig aufzubewahren und zum Beispiel im Tross der Heere zur Behandlung von Augenverletzungen oder Entzündungen mitzuführen.

In der Neuzeit waren die Fläschchen oft in Formen geblasen, gegossen oder in hohen Stückzahlen in Formen gepresst. Runde oder eckige Querschnitte wechseln sich ab. Rillen erhöhen die Bruchfestigkeit. Erst spät erhielten sie einen Ausguss, der die Tropfenapplikation erleichterte, Pipetten kamen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zum Einsatz. Die Höhe dieser Fläschchen betrug zwischen 6 – 8 Zentimeter, der Inhalt lag in bei 5 – 6 Milliliter.

Verschlossen waren die Fläschchen mit einem kleinen Glasstöpsel oder Korken, zusätzlich waren sie mit Wachs oder Siegellack gegen ein Auslaufen gesichert. Ein aufgeklebtes handgeschriebenes Etikett definierte den Inhalt. Da viele

Augentropfen unter Lichteinwirkung zerfallen waren die Gläschen meist dunkelbraun, grün oder blau eingefärbt.

Nur wenige der alten Fläschchen sind unbeschädigt erhalten. Als Verbrauchsmaterial gelangten sie in den Abfall. Der Stopfen fehlt fast immer. Heute ist Glas zur Aufbewahrung von Augentropfen obsolet, moderne Ophthiolen aus Kunststoff haben es längst ersetzt. Inzwischen ist das Sammeln solcher Glasfläschchen zum Hobby vieler Freaks geworden wobei man sich immer in Erinnerung behalten sollte: ihr Inhalt, längst vergessen, bewahrte so manchen Menschen vor der Erblindung.

 

SPRITZE FÜR TRÄNENWEGSPÜLUNG

Nachdem die Anatomie der ableitenden Tränenwege erforscht und ihre Funktionsweise geklärt war, gab es auch erste Versuche, diese bei Verstopfung zu durchstoßen um dadurch einen freien Abfluss herzustellen. Schließlich wagte man es sie auch durchzuspülen. Hierzu kamen zu Beginn des 18. Jahrhunderts besondere Tränenwegspritzen mit feinen, an ihrem Ende abgestumpften Kanülen sowie Metallsonden in Gebrauch. Die Abbildung zeigt eine solche Spritze aus der Zeit um 1750. Diese frühen Instrumente sind im Original äußerst selten und für den Sammler kaum erreichbar, noch seltener sind die Nadeln oder Sonden noch vorhanden.

Ein Grund für die chronische Konjunktivitis assoziiert mit einem permanenten Tränenträufeln sind Verstopfungen oder Strikturen in den ableitenden Tränenwegen. Das chronische Tränenträufeln als Leitsymptom gehört daher zu den Augenerkrankungen, die bereits in den frühen Schriften der Augenheilkunde beschrieben werden. Die Ätiologie blieb unklar obwohl Infektionen der ableitenden Tränenwege, insbesondere Abszesse im Tränensack folgern ließen, dass ein Tränenabfluss in Richtung Nase vorhanden sein musste. Das altägyptische Horusauge, eine bekannte Hieroglyphe, könnte als Hinweis auf erste anatomische Kenntnis des Tränenabflusses in die Nase gewertet werden.

Galen jedenfalls kannte das obere und untere Tränenpünktchen. Eine operative Versorgung wurde aber erst im ausgehenden Mittelalter durchgeführt, wo man beim Abszess im Bereich der Tränenwege kurz mit dem Troikart herzhaft zustieß und hoffte, dass durch die Entstehung einer Fistel ein funktionstüchtiger Abfluss zumindest über die Wange verblieb. Kosmetische Entstellungen waren nach Abheilen an der Tagesordnung, Rücksicht auf Anatomie und Schönheit konnte man sich damals nicht erlauben. Lebensqualität und Überleben standen im Vordergrund der Therapie.

Zuvor empfahl man die Sondierung mit Schweineborsten oder Schwanzhaaren vom Pferd. Später nahm man dünne Metalldrähte, die am Ende, um Verletzungen zu vermeiden, umgebogen wurden. Noch später waren es dünne an ihrer Spitze abgestumpfte biegsame Drähte aus Messing, Silber oder Gold. Feine Spülkanülen waren technisch noch nicht herstellbar. Ein Trick bestand nun darin, diese Drähte bis in den unteren Nasengang vorzuschieben, einen wachsdurchtränkten Docht daran zu befestigen und diesen dann durch den verengten Kanal bis zum unteren Tränenpünktchen durchzuziehen. Fehlerhafte Manipulationen führten leicht zur Verletzung und Via falsa.

Im Jahr 1713 berichtete der französische Anatom und Arzt Anel erstmals von einer Methode die Tränenwege mit einem von ihm erfundenen Instrumentarium durchzuspülen, seine Abbildungen sind dem hier gezeigten Instrumentenset nahezu identisch.

Die hier abgebildete Spritze mit den Drähten stammt wohl aus der Zeit um 1750. Die Spritze selbst ist nur 7,6 cm lang, auf dem 4,4 cm langen Metallsteg zwischen Kolben und Druckplatte ist eine Skala von 1-10 eingraviert. Eine Drehplatte direkt hinter der Druckplatte aus Büffelhorn erlaubt die einzuspritzende Flüssigkeitsmenge exakt zu dosieren. Das Maximalvolumen beträgt 3,2 ml, die Länge der Drähte beträgt 7,1 cm. Das noch erhaltene Aufbewahrungskästchen aus Pappelholz ist mit schwarzem Papier beklebt und innen mit dunkelrotem Samt ausgeschlagen, an den Abnutzungsspuren sieht man, dass es sicher über lange Jahre im Gebrauch war.

Es muss noch erwähnt werden, dass solche kleine Spritzen, ursprünglich für die Behandlung verstopfter Tränenwege entwickelt, in späteren Jahren mit entsprechend scharf angeschliffenen Kanülen über viele Jahrzehnte auch für subkutane Injektionen im Einsatz waren.

Frühe ärztlichen Instrumente und Geräte haben inzwischen ihren eigenen Markt. Private Sammler machen den Erwerb solcher Raritäten zu Spitzenpreisen für Museen meist unerschwinglich. Diese Spritze mit ihrem Originalbehälter und den Metalldrähten wurde durch Zufall im Ebay entdeckt und erfolgreich ersteigert.

 

DAS SPEKTIV

Nachdem das terrestrische Fernrohr erfunden war gab es kaum ein Gebiet auf dem es nicht rasch seine Verwendung fand. In der Nautik und vor allem auf der Jagd schätzte man das aufrecht stehende, seitenrichtige Bild. Darüber hinaus schien das Teleskop der betuchten Oberschicht in Florenz oder Venedig auch dazu geeignet, die Nachbarn auszuspionieren. Nur schlecht, wenn man mit dem Instrument vor dem Auge selbst erwischt wurde. Deswegen kam Ende des 17. Jahrhunderts das Spektiv als Minifernrohr auf den Markt, sein Werbeslogan „klein und unauffällig anzuwenden“ machte es zum Verkaufsschlager. Es war ein nur wenige Zentimeter langes Teleskop, das in seiner optischen Leistung kaum an die großen Geräte heranreichte. aber gerade noch im Ausschnitt das erkennen ließ, was man vielleicht nicht sehen sollte. Die Abbildung zeigt ein solches Minifernrohr aus der Zeit um 1750.

In den Annalen des 17. Jahrhunderts liest man, dass vornehme Bürger in Florenz oder Venedig es ihren Frauen nicht mehr erlaubten, allzu offenherzig auf den Dächern ihrer Häuser und Paläste zu verweilen. Das terrestrische Fernrohr, benannt nach Galilei, war erfunden und diente prompt erst einmal als phantasievolles Spielzeug für den Voyeur, lange noch, bevor sein Nutzen für die Seefahrt, das Militär oder gar die Naturwissenschaft erkannt wurde.

Sein Name, „Perspektiv“ oder verkürzt „Spektiv“ stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um ein Gerät um „durchzublicken“. Das hier abgebildete Minifernrohr hat, ausgezogen bei einer Länge von 7 cm, gerade einmal eine Vergrößerung vom 4,2-fachen, damit ließ sich natürlich nur wenig betrachten. Verborgen in der hohlen Hand reichte es jedoch aus, um unauffällig geheimnisvoll Verborgenes auszumachen.

Die Kombination einer Sammellinse als Objektiv mit einer Zerstreuungslinse als Okular erlaubte seine kurze Bauart, in der Regel war ein Spektiv nicht mehr als 10 cm lang. Seine Vergrößerungen waren daher begrenzt, nur selten lag der Vergrösserungsfaktor über dem fünffachen. Auch mangelte es bei einem Objektivdurchmesser von nicht mehr als 3cm an Lichtstärke. Für einen Einsatz bei Dunkelheit war es kaum brauchbar.

Aus der binokularen Version des Spektivs entstand später das bekannte Opernglas, das anfangs mangels eines beweglichen Stegs keine Anpassung an die Pupillendistanz zuließ und so manchem Betrachter bei langfristigem Einsatz eher Kopfschmerzen als Freude bereitete.

Als nicht ganz preiswertes Spielzeug diente das Minifernrohr also mehr dazu, das nahe Umfeld zu beobachten. Versteckt sein, so hieß die Devise. Eingebaut wurden diese Spektive daher im 18. und 19. Jahrhundert in die verschiedensten Geräte und Gegenstände des täglichen Gebrauchs, getarnt als Pillenschachtel, Tabak- oder Puderdose. Selbst in Spazierstöcken war es verborgen, der Phantasie der Tarnung war, wie man es später bei auch bei den Minikameras der frühen Fotografen sehen konnte, keine Grenzen gesetzt.

Während das Spektiv für die Hand des Herren, wie hier gezeigt, als technisch nüchtern gestaltetes Instrument auf dem Markt angeboten wurde, gestaltete man die weibliche Ausführung zum stilvollen Schmuckstück, es wurde beim Juwelier und nicht beim Optiker erworben. Heute sind solche wertvollen Minifernrohre mit Perlmutt und Perlenbesatz ähnlich wie die alten Operngläser feiner Damen gesuchte Sammlerstücke.

Diese kleinen Instrumente finden sich immer wieder einmal auf dem Antiquitätenmarkt und sind für den Sammler alter Optik noch gut erschwinglich.

Die Vielfalt ihrer Formen und Ausführungen machen sie zu einem eigenen Sammelgebiet. Dieses Spektiv, selbst seine Aufbewahrungsdose aus Pappe ist noch erhalten, stammt aus der Zeit um 1750 und wurde auf einem Flohmarkt in Paris erworben.

DAS AMBLYOSKOP

Amblyoskope sind heute kaum noch bekannte optische Geräte zur Schieldiagnostik, sie stammen meist aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Fast alle kommen aus England, wo sich vor allem Worth in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg schwerpunktmäßig mit den Störungen des beidäugigen Sehens beschäftigte. Grund hierfür waren damals die immer höheren Anforderungen an die Sehfunktion des Lokführers, Autofahrers oder Fliegers. Das Amblyoskop, so nannte man diese ersten Geräte zur

Schieldiagnostik, ist heute in seiner klassischen Form nahezu vergessen. Abbildungen und Literatur finden sich nur spärlich. Nur wenige der kleinen Geräte sind noch erhalten, dieses hier wurde im Antiquitätenhandel erworben. Die dazu gehörigen Bildchen stammen aus einer Praxisauflösung.

Das hier abgebildete Gerät, gemäß Gravur als „Worths Amblyoscope“ bezeichnet, ist wie ein handliches kleines Fernglas aufgebaut. Die Bezeichnung „Amblyoskop“ bzw. englisch „Amblyoscope“ entstammt der altgriechischen Sprache: „amblyos“ bedeutet schwach, starr, „scopein“ Sehen. Zwei optische Teleskope, jeweils bestehend aus einem Okular, einem Objektiv sowie zwei zwischengeschalteten Spiegeln bieten jedem Auge getrennt ein Bild an, das sich wie ein Diapositiv in eine Halterung vor das Objektiv stecken lässt. Blickt man durch das Gerät so werden bei richtiger Einstellung der beiden Optiken zueinander die Bilder simultan erkannt, das heißt, das rechte und linke Bild verschmelzen miteinander. Je nach dem unter welchem Winkel dies geschieht lassen sich die Fusionsbreite berechnen, ein räumliches Sehen nachweisen oder die einseitige Amblyopie ermitteln.

Allein die Gravur verrät bei diesem Gerät die Herkunft bzw. den Erfinder. Das Modell stammt aus der Zeit zwischen 1920 und 1930 und wurde von der Firma A. Hawes in London angefertigt. Genaueres lässt sich nicht mehr ermitteln, nur wenige der frühen Geräte waren in den Praxen in Gebrauch, selten landeten sie danach in den medizinhistorischen Museen. Sie im Handel zu finden ist ein Glückstreffer. Unwissend, was damit angestellt werden könnte, sind sie für ein paar Euros im Angebot der Antiquitätenhändler oder Flohmärkte. Die dazugehörigen Testbilder fehlen meist.

Das Amblyoskop ist also ein einfaches Gerät zur Überprüfung des beidäugigen Sehens. Suppression, retinale Korrespondenz, Fusion und räumliches Sehen, so die Originalbeschreibung, lassen sich einfach und unkompliziert damit prüfen. Nachdem durch zunehmende Industrialisierung auch die Anforderungen an das räumliche Sehen stiegen konstruierte Worth in London eine ganze Reihe von solchen Geräten, mit deren Hilfe Störungen der Augenmotilität einfach und unkompliziert nachgewiesen werden konnten. Das dargestellte Gerät besteht aus zwei kleinen Fernrohren, die in Höhe des Okulars mit einem beweglichen Scharnier miteinander befestigt sind. Dies erlaubt bei einer fixierten Pupillendistanz von 50 mm jeweils mit rechten und linken Auge getrennt ein Bild zu betrachten, was dann im Gehirn zu einem Bild verschmolzen wird. Eine gebogene Schiene, bei späteren Modellen mit einer Gradeinteilung zwischen den beiden Fernrohren versehen, erlaubt den Winkel zu messen, sie fehlt noch bei diesem frühen Modell. Der Clou: durch Drehen der Bildhalterungen vorne am Objektiv um ihre Achse können sogar rotatorische Fehler der Augenmotilität nachgewiesen werden.

Mit der gleichen Technik ließ sich auch je nach Wahl der Größe und Art der Testbilder eine Schwachsichtigkeit ausschließen. Die dazu gehörigen Figuren entsprechen der Zeit. Waren es zu Kaisers Zeiten noch der preußische Wachsoldat, der in sein Wachhäuschen verbracht werden musste, war es später der Jeep der in den Hangar verbracht musste. In neuen Zeiten galt es dann die Limousine samt Automobilisten in der Garage abzustellen. Jede Zeit und Kultur hatte ihre eigenen Testfiguren. Allein diese zu sammeln lohnt sich.

Erst in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde das Amblyoskop einerseits zu einem Standardgerät für die Schieldiagnostik, anderseits für das simultane Sehtraining weiter entwickelt, Synoptophor und Synoptometer, sie finden sich heute in jeder Sehschule, beruhen letztendlich auf dem gleichen Grundprinzip.

 

THERMOPLASTISCH GEFORMTE SKLERALLINSE

Erst nachdem das Glas, zerbrechlich und schwer zu bearbeiten, durch den Kunststoff Polymethylmethacrylat ersetzt werden konnte, stand der Weg für die moderne Kontaktoptik offen. Das als Plexiglas bezeichnete neue Material ließ sich, wenn erwärmt, einfach bearbeiten, jetzt konnten die Linsen sogar direkt vom Auge abgeformt werden. Und das war auch dringend nötig: die hohe Zahl von Augenverletzungen als Folge des zweiten Weltkrieges erforderte neue therapeutische Wege. Der posttraumatische irreguläre Astigmatismus der Hornhaut konnte jetzt über eine Kontaktlinse ausgeglichen werden. Ihre heute historische Form als Sklerallinse oder -schale entschied über Schicksale.

Der irreguläre Hornhautastigmatismus stellte um die Mitte des letzten Jahrhunderts die wichtigste Indikation zur Kontaktlinse dar. Ursache waren Verwundungen an der Front oder Verletzungen bei Bombenangriffen. Die verbliebenen Hornhautnarben konnten bestenfalls kontaktoptisch versorgt werden. Aber auch die hohe Myopie und Aphakie, mit einer Brille nur mühsam ausgleichbar, zählte bald zu den Indikationsgebieten der frühen Kontaktlinse.

Dabei war das Verfahren der Linsenherstellung in den Kriegs- und Nachkriegsjahren kompliziert und aufwendig. Als erstes musste ein Abguss vom Augapfel angefertigt werden. Dazu wurde nach Einträufeln einiger Tropfen einer Kokainlösung in das Auge anfangs mit Gips, später mit Hydrogelen aus der Zahnheilkunde ein Abguss der vorderen Augenabschnitte hergestellt. Dies verlief sicher nicht ganz ohne tränenreiche Komplikationen weil das Hornhautepithel gerne an der Gussmasse kleben blieb.

Die abgenommene Gipsform wurde nach Trocknen und Aushärten mit Metall ausgegossen, dieses Positiv wiederum diente dann als Matrize für eine dünne Plastikscheibe aus Plexiglas, die unter Hitze und hohem Druck aufgepresst wurde. Nach Erkalten war deren Innenkontur passgenau der Hornhaut und Bindehaut des Patienten abgeformt. Der Kunststoff entstammte anfänglich, wie auch bei den Implantaten, aus den Kanzeln abgestürzter Flugzeuge.

Da damals schon bekannt war, dass eine planparallel angepasste Sklerallinse, am Auge getragen, rasch zum Zusammenbruch des Hornhautstoffwechsels führte, musste das Ganze noch nachgearbeitet werden. Abflachungen, Rillen oder Durchbohrungen sollten die Tränenkonvektion fördern. Die Linsenränder wurden entgratet und abgerundet. Nach Glätten und Polieren wurde im Linsenzentrum die optische Zone eingeschliffen. Der Tragekomfort blieb beschränkt, die Tragezeit begrenzt. Dennoch dienten solche Sklerallinsen oder Schalen als letzes Hilfsmittel um vor allem einen irregulären Hornhautastigmatismus oder hohen Brechungsfehler auszugleichen. Nur wenig erfährt man über den Tragekomfort solcher Linsen, sie dürften nur über wenige Stunden am Auge toleriert worden sein.

Der Brechwert der hier abgebildeten Sklerallinse beträgt – 12.25 Dioptrien, der Durchmesser der optischen Zone 9.1 mm, der Gesamtdurchmesser 24.1 mm. Der Wert für die zentrale Innenkurve liegt zwischen 7.2 und 7.9 mm. Die Scheitelhöhe beträgt 8.2 mm, die Mittendicke um 0.4 mm. Die noch erhaltene Originaldose aus Bakelit verrät den Namen des Herstellers, nämlich die Firma Müller-Welt in Stuttgart. Solche Linsen wurden dort noch bis 1952 in Handarbeit hergestellt, diese hier trägt am Rand die Nummer 704. Da das Archiv von Müller-Welt während eines Bombenangriffs verloren ging, lässt sich die Zeit der Herstellung nur schätzen.

Solche alten Skleralschalen oder -linsen finden sich hin und wieder auf Flohmärkten oder bei Versteigerungen im Internet. Viele dürften kaum noch erhalten sein, die wenigen noch erhaltenen Stücke liegen in den Schatullen von

Sammlern alter Optik. Dieses unbeschädigte Exemplar stammt von einer lieben Patientin mit hoher Myopie. Sie stiftete das Stück für die Sammlung. Die Linse, so versicherte sie, trug einst ihr Großvater, vermutlich bei gleichem Krankheitsbild. Sie selber trägt heute erfolgreich zwei hochgasdurchlässige Korneallinsen des gleichen Herstellers.

 

HALBAUTOMATISCHES PERIMETER

Mit der Entdeckung des erhöhten Augeninnendrucks als Ursache eines schleichenden Gesichtsfeldverfalls wurde die Perimetrie zur Verlaufskontrolle des Glaukoms unerlässlich. Die frühen Geräte bestanden lediglich aus einem um die Mittelachse drehbaren Halbbogen. Farbige Messpunkte verschiedenen Durchmessers, manuell entlang des Bogens geführt, mussten vom Patienten erkannt werden. Vor allem die Geduld von Untersucher und Patient entschied über die Qualität der Gesichtsfeldprüfung. Versierte Techniker konstruierten daher die verschiedensten Geräte, um die Perimetrie und vor allem die Registrierung der Befunde zu vereinfachen. Eine Wiener Firma baute das hier abgebildete halbautomatische Gerät. Es ist ein früher Vorläufer der heutigen vollautomatischen computergesteuerten Perimeter.

Nach Abspaltung der Augenheilkunde zum eigenen Fachgebiet kam auch der Gesichtsfeldprüfung immer mehr an Bedeutung zu. Vor allem in der Diagnostik von Störungen des Sehnervens bzw. der Sehbahn wurde es unersetzlich. Aber auch die Neurologie, die Neurochirurgie und nicht zuletzt die Rentenkassen forderten immer präzisere Methoden um die Ausfälle des Gesichtsfeldes in Quantität und Qualität zu dokumentieren. Hierzu dienten die auch noch heute bekannten Halbbogenperimeter. Die Gesichtsfeldprüfung mit diesen einfachen Geräten erforderte aber erheblichen Zeitaufwand und vor allem ein hohes Konzentrationsvermögen des Patienten. Viele der Befunde waren nicht reproduzierbar.

Also machten man sich die Tüftler und Techniker Gedanken, das Verfahren, vor allem aber das aufwendige Registrieren der Grenzpunkte zu vereinfachen. In Wien war es der Universitätsmechaniker F. Fritsch der wohl als Erster um 1890 dieses halbautomatische Perimeter entwickelte. Auf einem gusseisernen Fußteil befindet sich an einem Ende eine Kinnstütze, die wahlweise für das rechte und das linke Auge eingestellt werden kann. Der Patient fixiert am anderen Ende im Abstand von 31 cm einen hellen Punkt in der Mitte einer Messingscheibe, die am Rande Gradeinteilungen enthält. Zwei auswechselbare verschieden große Scheiben erlauben die Bestimmung des zentralen sowie des mittleren Gesichtsfelds. Ein in allen Richtungen schenkbarer schwenkbarer Halbbogen ermöglicht die Darstellung der Außengrenzen von 0 bis 90°.

Der Trick: eine 2.4 mm große weiße bewegliche Messfigur kann in jeder beliebigen Richtung an einem Draht über ein mechanisch ausgeklügeltes Rollensystem über die Scheiben geführt werden, durch Drehen an einem Messingknopf sind in jedem Median alle Winkel von 0° bis 180° übergangslos einstellbar. Die Mechanik ist genial. Simultan zur Messfigur bewegt nämlich sich ein Drahtstift über eine 11x11cm große Papierscheibe, gibt der Untersuchte den angebotenen Punkt zu erkennen, drückt er oder der Untersucher auf einen Hebel und piekst so über ein Gestänge ein kleines Loch in eine Papierscheibe deren Muster mit den klassischen Gesichtsfeldvordrucken korrespondiert.

Einfache Halbbogenperimeter sich finden sich immer wieder einmal im Antiquitätenhandel, solche frühen halbautomatischen Perimeter gehören jedoch zu den Seltenheiten. Wie viele dieser Geräte gebaut wurden ist nicht bekannt. Erhalten sind jedenfalls nur noch wenige, viele waren wohl Unikate. Aufgrund der hohen Kosten solcher liebevoll in Handarbeit hergestellten Geräte dürften sie kaum für eine allgemeine Augenpraxis erschwinglich gewesen sein.

Der Liebhaberpreis für ein solches altes Perimeter übersteigt inzwischen sogar den für ein modernes computergesteuertes Neugerät. Vollständig erhalten oder gar intakt sind allerdings nur die wenigsten. Auch dieses Gerät, auf einer Auktion ersteigert, bedurfte erst einer aufwendigen Restaurierung in der eigenen Werkstatt. Inzwischen wieder voll funktionstüchtig ist es ein Spitzenstück der Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen.

 

DAS VISOLETTGLAS

Auch wenn man sie zu den Lupen rechnet, Visolettgläser sind eigentlich Lesesteine. Als vergrößernde Sehhilfe werden sie direkt auf den Text aufgesetzt und erlauben dabei Vergrößerungsfaktoren bis zum 5 fachen. Auf Grund der einfachen Handhabung waren Sie vor allem bei älteren Menschen beliebt. Bei Vorliegen einer Makuladegeneration waren sie vor der Einführung des Bildschirmlesegeräts die Sehhilfe der Wahl. Im Gegensatz zur klassischen Leselupe brauchten sie nämlich nicht mit der zittrigen Hand gehalten werden sondern lagen dem Text fest auf. Als das Briefmarkensammeln zum Hobby wurde boomte ihr Absatz weltweit. So gehörten sie auch in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg zur standardmäßigen Schreibtischausrüstung des Beamten. Ihre historische halbkugelige Form wurde, sie wäre auch kaum zu verbessern, bis heute beibehalten. Sie findet sich auch im Paperweight wieder.

Visolettgläser arbeiten nach dem Prinzip des Lesesteins, der ältesten bekannten optischen Sehhilfe. Im Gegensatz zur bikonvex geschliffenen klassischen Lupe, die in der Hand zwischen Auge und Sehobjekt gehalten werden muss, hat das Visolettglass immer eine plankonvexe Form. Die an ihrer Unterseite plangeschliffene sphärische Glashalbkugel lässt das darunterliegende Bild vergrößert erscheinen.

Ideal sind diese Visolettgläser in all den Fällen, wo einfach und schnell eine Vorlage vergrößert betrachtet werden soll. Ihre stabile Auflage direkt auf dem Text erlaubt es trotz einer Sehschwäche noch einfache Texte zu entziffern, ihre Anwendung ist selbst für Menschen im hohen Alter einfach und unkompliziert. Auch der an Parkinson Erkrankte weiß sie als preiswerte Lesehilfe zu schätzen. Durch einfaches Verschieben der Lupe entlang der Zeile gelingt es mit etwas Übung zusammenhängende Texte zu lesen. Auch heute finden sich die Visolettgläser noch auf manchem konservativ bestückten Schreibtisch. Für den Briefmarken- und Urkundensammler sind sie nach wie vor unentbehrlich, ansonsten haben das Bildschirmlesegerät, die elektronische Leselupe oder eben der Computer sie am Arbeitsplatz längst ersetzt.

Nicht ohne Grund werden solche Lupen auch als Brenngläser bezeichnet. Als stark brechende Sammellinsen mit kurzen Brennweiten konzentrieren sie die Lichtstrahlen. Auf die Sonne gerichtet lassen sich, wie jeder Pfadfinder weiß, damit problemlos Feuer entfachen, manch einer hat sich mit ihnen die Finger verbrannt. Denn, so berichten auch die Chronisten des späten Mittelalters von Gebäuden oder ganzen Stadtteilen, wo eine leichtfertig in der Sonne liegen gebliebene Lupe einen Brand auslöste. Man empfahl deshalb seitens des Herstellers eindringlich das Glas, immer wenn nicht benutzt, in der Originalschachtel aufzubewahren. Viele dieser Aufbewahrungsbehälter sind daher bis heute erhalten geblieben.

Der Brechwert der hier abgebildeten gezeigten Lupe beträgt + 18.25 Dioptrien, ihr Durchmesser 6.4 cm, ihre Scheitelhöhe 4.1 cm. Auf der Metallfassung findet sich die Gravierung „Visolettglas – Reg. Trade Mark – S.O.G. Berlin – D.R.P. angem.“. Durch diese Angabe ist ihre Datierung auf die Zeit zwischen beiden Weltkriegen möglich. Vermutlich gehörte die Lupe von Amts wegen zur Schreibtischausstattung eines Beamten, dessen Titel und Name auf der Unterseite der gut erhaltenen Aufbewahrungsschachtel aus fester Pappe noch gut zu entziffern ist.

Solche historischen Visolettgläser findet man immer wieder in allen Variationen und Ausführungen auf Flohmärkten oder im Antiquitätenhandel. Noch sind sie zu fairen Preisen von einigen Euros erschwinglich wobei die vom Juwelier verzierten Spitzenstücke durchaus auch ihren Preis haben. Dieses unbeschädigte Exemplar stammt aus Österreich, es wurde im Internet ersteigert. Ein jedes dieser Vergrößerungsgläser hat seine eigene, längst vergessene Geschichte. So auch hier, denn wer ihr Besitzer, ein Oberregierungsrat Probst war, bleibt ein Geheimnis.

 

SCHUTZBRILLE AUS LEDER

Schutzbrillen aus feinem Eisengeflecht gibt es schon im 17. Jahrhundert, der Bildhauer oder Schlosser schützte damit sein Auge vor Splittern oder Funkenflug. Der Name dafür ist eigentlich falsch, denn sie hatten damals noch keine Gläser. Erst einhundert Jahre später gab es dann die ersten Schutzbrillen, sie bestanden aus zwei einfachen großen Glasscheiben die in einem primitiven Eisengestell gefasst waren. Der Durchbruch kam erst mit dem Zeitalter der Industrialisierung, wo der Einsatz von Maschinen zu höheren Verletzungsraten am Arbeitsplatz führte. Vor allem aber die Motorisierung verlangte mit zunehmender Geschwindigkeit der Kraftfahrzeuge oder Lokomotiven einen ausreichenden Schutz des Auges vor Flugasche, aufgewirbelten Staub und Insekten.

Frühe Schutzbrillen wie z.B. die sogenannte Steinschlägerbrille bestanden nur aus einem feinen Glasgeflecht, das meist auch Teile der Stirn und des Gesichts mit bedeckte. Man hatte bereits damals die schmerzliche Erfahrung gemacht, dass Glas beim Aufprall größerer Fremdkörper gerne splitterte und so zu schweren Augenverletzungen führte, die eigentlich mit der Brille hätten

verhindert werden sollen. Erst nachdem es gelang durch die Entwicklung besonders gehärteter Gläser eine höhere Bruchsicherheit zu erreichen konnte die Schutzbrille zum Allgemeingut werden.

Die hier abgebildete Lederbrille wurde in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als Schutzbrille für den Kradfahrer, Automobilisten und Aviatiker angeboten. Sie bestand aus einem breiten Lederstreifen, an dessen Ende zwei Stoffbänder befestigt waren. Diese wurden am Hinterkopf verknotet, man ersparte sich so die aufwendigen Bügel. Auch die Eisenbahnverwaltung stattete ihre Lokführer damit aus. Noch gab es keine Windschutzscheiben.

Gläserfassungen aus Leder mit Haltebändern sind eigentlich nicht neu, bereits im 16. Jahrhundert wurden Brillengläser statt in teuren Metallgestellen in einfachen Halterungen aus Leder angeboten. Mit Gläserstärken zwischen 2 und 3 Dioptrien diente die Lederbrille als Standardsehhilfe bei der Altersweitsichtigkeit. Sie wurde, wie alte Grafiken zeigen, auf Jahrmärkten oder von fahrenden Händlern angeboten, genau so, wie heute die Fertigbille als billige Lesehilfe ubiquitär im Handel erhältlich ist. Erwähnt werden muss, dass bereits damals die Optiker gegen solche billige Massenware Sturm liefen. Das Qualitätsmanagement wurde hinterfragt, in Nürnberg erlies die Stadtverwaltung erste Gesetze gegen solche minderwertige Importware aus Drittländern.

Geschliffene Gläser zum Ausgleich einer Fehlsichtigkeit waren dagegen in Schutzbrillen bis unsere Zeit hinein nicht üblich. Auch die Farbe des Leders ließ ursprünglich keine Variationen zu, es gab nur braun oder schwarz. Brillen in rot oder weiß sind moderne Plagiate. Auch die Gläser der hier gezeigten Brille sind beidseits ohne Brechkraft. Man kann sie über ein ringförmiges Federsystem aus ihrer Metallfassung leicht entfernen, reinigen bzw. austauschen. Im Angebot des Herstellers waren auch dunkel eingefärbte Scheiben als Schutz gegen die Sonne, man empfahl sie dem Bergsteiger und Polarforscher. Der Schweißer, Hochofenarbeiter oder Glasbläser trug sie am Arbeitsplatz.

Heute finden sich diese Lederbrillen nur noch als Modegag auf Technoparties, sie wurden nämlich inzwischen als Outfit wiederentdeckt. Man kauft sie sich jetzt für ein paar Euro im Fetischshop. Statt aus teurem schwarzen Leder ist ihre Fassung inzwischen nur noch aus billigem Kunststoff. Die hier abgebildete Brille ist noch vollständig im Original erhalten. Sie lässt sich in die Zeit um den ersten Weltkrieg datieren und wurde freundlicherweise von einem Teilnehmer des Berliner Christopfer Street Days im Anschluss an die Parade dem Museum zur Geschichte von Auge und Sehen vermacht.

 

FRAU UND BRILLE

Mit der Erfindung der Brille im 13. Jahrhundert wurde diese rasch zur Lesehilfe für jedermann, nicht aber für jede Frau. Die ersten Abbildungen in kirchlichen Wandgemälden, auf Altarbildern oder Kirchenfenstern zeigen die Nietbrille ausschließlich in der männlichen Hand, meist war es Petrus, der auf Grund seines fortgeschrittenen Alters eine Brille trägt. Bei der Frau findet man das nicht. Man darf durchaus rätseln, warum das bis in die Neuzeit nicht der Fall ist. Frauen sind schließlich genau so häufig wie der Mann kurz- oder weitsichtig, sie erreichen sogar ein höheres Lebensalter und tragen heute in allen Altersgruppen problemlos ihre Brille.

Dass dennoch eine Notwendigkeit bestand, dass die Presbyopie sehr wohl auch das „Weib“ , wie Luther schreibt, befällt, das zeigen die frühesten erhaltenen Funde von Nietbrillen des Frauenklosters Wienhausen. Auch die Nonne brauchte im Alter für Bibel und Brevier ihre Sehhilfe. Als das Kloster von Kriegshorden überfallen wurde, versteckten sie die damals wertvollen Brillen unter dem Chorgestühl. Sie wurden vergessen, Jahrhunderte später wieder gefunden und blieben daher bis heute erhalten.

Und dann gab es außer der mittelalterlichen Lesebrille ja bereits im 17. Jahrhundert Gläser zum Ausgleich einer Kurzsichtigkeit. Ein permanentes Tragen war allerdings kaum üblich wie Gestelle der Zeit zeigen: sie sind lediglich für den kurzen Gebrauch gedacht. Sie wurden einfach vor das Auge gehalten, die zahllosen Modelle waren für einen Dauergebrauch ungeeignet.

Bis in Neuzeit galt es also nicht als geschickt vor allem als junge Frau eine Brille zu tragen. Der Mann als Träger der Kultur, der Hüter der Wissenschaft hatte dagegen sehr wohl das Recht zu Sehhilfe. Er trug Zwicker und Monokel, dies öffentlich zu tragen war bis in die Zeit des Kaiserreichs für die Frau ein Unding.

Sofern sie als Mutter und Heimchen am Herd kaum über den Tellerrand hinaus zu schauen hatte, war für sie die Brille ja auch nicht nötig. Schlechtes Sehen war Schicksal. Das war in höfischer Gesellschaft schon anders: Scherenbrille, Lorgnette und Lorgnon als französischer Modegag gehörten zum Outfit vom Stand, man zog sie aus der Tasche, dem Muff oder am einfachsten dem Ausschnitt wenn es galt das Menü zu entziffern. Manche Gläser waren sogar ohne Refraktion, sie dienten allein der Schau, – was bei der Entzifferung der Speisekarte beim Candlelightdinner nicht weiterhalf.

Die endgültige Befreiung kam vor 50 Jahren mit der Emanzipation und der weichen Kontaktlinse. Eifrig stürmten vor allem junge Mädchen die augenärztlichen Praxen und Optikerläden um endlich die ersehnte Freiheit für das Auge zu bekommen, – die es auch mit der Kontaktlinse letztendlich nie gab. Dennoch soll sie, wie die Geschichte der Kontaktlinse schreibt, für manche Love Story verantwortlich sein. Die sogenannte Kassenbrille war für den Ausgleich einer Kurzsichtigkeit einfach nicht in. Spätestens jetzt entdeckte auch der Optiker die Kundin. Die Brillenhersteller beauftragten Designer um das zu verkaufen was der Sehschärfe kaum dienlich, wohl aber dem Aussehen bekömmlich war.

So sind Abbildungen von Frauen mit Brille aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg sehr selten. Selbst in den Gründerjahren der Fotografie erscheint die Frau auf dem Bild eher leicht bekleidet denn bebrillt. Diese fotografische Abbildung aus der Zeit um 1900 zeigt eine junge Dame mit einer damals bereits todschicken randlosen Brille. Man erkennt an den Gläsern, sie ist kurzsichtig. Sonst wissen wir nichts über sie, wir kennen weder ihren Namen, Beruf oder Bildung.

Alte Fotografien findet man in nahezu unbegrenzter Menge auf den Flohmärken oder im Antiquitätenhandel. Die Frau repräsentiert sich auf den Bildern fast immer im Festkleid, die Taille eng geschnürt. Die Augen sind stets auf die Kamera bzw. den Betrachter gerichtet. Man muss schon etwas Glück haben dabei einmal ein weibliches Portrait mit einer Sehhilfe zu finden. Dieses hübsche kleine Bild stammt vom Naschmarkt in Wien und wurde zum Preis von einem Euro für die Sammlung erworben.

 

SONNENBRILLE VOM DISCOUNTER

Schon in der Antike war bekannt, dass das helle Licht der Sonne für das menschliche Auge unangenehm war. Gerade auf dem Kriegsschauplatz konnten Staub und grelles Sonnenlicht das Auge reizen und zur Blendung führen, eine durchaus gefährliche Situation sofern diese zur Verwechslung von Freund und Feind führte. Besser ging es da der Society in Rom. Ihnen, allen voran Kaiser Nero, dienten plan geschliffene Halbedelsteine als Lichtschutz. Mit der Erfindung der Brille wurden deren ursprünglich klaren Gläser schon bald eingetönt, die Farben, meist blau, grün oder braun stammten aus den Werkstätten der Kirchenfenster.

Dass gerade das energiereiche ultraviolette Licht zu Gewebeschäden an Bindehaut und Hornhaut führen kann weiß man seit der Industrialisierung. Jeder, der schon einmal ohne Schutzbrille schweißte, konnte das schmerzlich erfahren. Aber auch der Polarforscher, Bergsteiger oder Seefahrer erkannte bald den Vorteil von Sonnenbrillen. Als Modebrille verändern sie Augenfarbe und Durchblick. Den Lichtschutz konnten selbst farbige Kontaktlinsen, werbewirksam als kleinste Sonnenbrille der Welt bezeichnet, nicht toppen. Die Dicke des Kunststoffs und der geringe Linsendurchmesser reichten für einen nachhaltigen Lichtschutz nicht aus.

Nachdem Freizeit, Hobby und Sport zum Allgemeingut wurden, stieg die Nachfrage nach Brillen mit lichtabsorbierenden Gläsern. Sie wurden zum Artikel des täglichen Bedarfs. Doch sie hatten ihren Preis, optisch geschliffene Gläser mit Tönung konnte sich nicht jeder leisten. Erst nachdem die Kunststoffindustrie durchsichtige Kunststoffe wie Bakelit, Celluloid oder Plexiglas kostengünstig herstellen konnte, überschwemmten primitive Billigmodelle aus Plastik in den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg unter anderen auch den deutschen Markt.

Die hier abgebildete Sonnenbrille ist ein so Wegwerfartikel der Vorkriegsjahre, man erstand sie beim Discounter oder im Andenkenladen. Für ihre Zeit war sie dennoch revolutionär. Sie bestand aus zwei dunkelbraunen Plastikscheiben, die auf einem einfachen Drahtgestell horizontal verschiebbar angebracht waren. Die gebogenen mit gelbem Plastik überzogenen Ohrenbügel verhinderten ein Rutschen.

Natürlich wollte man mit der Sonnenbrille interessant aussehen. Für den Sport wie z.B. Tennis oder Ballspiel war das hier gezeigte Modell etwas wackelig, eigentlich erschien es nur für den Denksport ideal. Am Strand war das Modell gerade noch tauglich, beim Schwimmen war das Ding schon problematisch und abends an der Bar war diese Brille beim Flirt nicht unbedingt empfehlenswert. Es sei denn, man wollte Single bleiben.

Der Hersteller betonte in seiner Werbung ausdrücklich, dass die getönten Scheiben nicht entflammbar seien. Die Brille sei daher auch für Raucher ungefährlich und geeignet. Schließlich hatten in diesen Jahren Brillen mit Scheiben aus Celluloid die unangenehme Eigenschaft im Kontakt mit offener Flamme, z.B. beim Anzünden einer Zigarette sich explosionsartig zu zerlegen.

Die Herstellerfirma gibt es wieder, heute ist Primetta für seine modischen Sonnenbrillen, die kaum noch eine Ähnlichkeit mit dem historischen Vorbild haben, bekannt. Nur wenige davon dürften die Jahrzehnte überstanden haben. Die Haltbarkeit dieses Sonnenschutzes aus Plastik war sehr begrenzt, schon allein deswegen tauchen heute nur noch selten einmal intakte Exemplare auf dem Markt auf.

Entdeckt wurde diese Brille im Ebay unter dem Stichwort Sonnenblende, sie wurde für das Museum erfolgreich ersteigert. Zufällig fand sich bei einer anderen Auktion auch noch der dazugehörige Werbezettel. Daraus geht hervor, dass der Kaufpreis 1939 nur 75 Reichspfennige betrug. Der jetzt bezahlte Preis überstieg damaligen Einkaufspreis um ein Vielfaches.

 

DER BRILLENHANDEL

Nach der Erfindung der Brille gegen Ende des 13. Jahrhunderts ging es bald darum diese auch zu vermarkten, bestand doch im ganzen europäischen Raum ein großer Bedarf an Sehhilfen. Vor allem der Ausgleich der Altersweitsichtigkeit war ein Problem der gebildeten Schicht. Klöster und Schulen, Regierungen und Verwaltungen benötigten für ihre presbyopen Mitarbeiter die Gläser am Arbeitsplatz. Die rasche Verbreitung von Schriftgut nach Erfindung des Buchdrucks verbunden mit der allgemeinen Fähigkeit lesen zu können führte dazu, dass die Sehhilfe bald ein begehrtes Handelsgut wurde.

So zogen schließlich die Händler aus Venedig kommend quer durch Europa von Stadt zu Stadt und brachten aus der Handelsmetropole nicht nur Gewürze, Stoffe und Glaswaren mit, sondern sie führten auch die ersten Lesesteine, Stiel- und Nietbrillen mit sich. Gläserstärken mit einem Wert von 2.0 – 3.0 Dioptrien waren hoch begehrt. Wie uns alte Chroniken berichten lief das Geschäft gut. In den Ratsprotokollen der Zeit finden sich erste Hinweise darüber wie die Obrigkeit mit der Herstellung und dem Vertrieb von Optiken umging.

Auch war es nur eine Frage der Zeit bis die originale Handelsware aus Murano von deutschen Handwerkern nicht nur kopiert, sondern auch in ihrer Qualität verbessert wurde. Aufblühende freie Reichstädte mit zertifizierten optischen Produktionsstätten verboten per Erlass billige, durch Hausierer angebotene Plagiate. Dennoch überschwemmten Discounterbrillen vor allem mit preiswerten gegossenen Gläsern den Markt, einfache aus Leder geschnittene Fassungen erlaubten Dumpingpreise. Das rückte den Preis. So sind uns diesbezügliche Beschwerden von Zünften der Glasproduktion aus dem 16. Jahrhundert erhalten. Erste Optikerverbände in England und Frankreich bekämpften den wie sie sagten unkontrollierten Vertrieb von Billigprodukten, die schon damals wörtlich, dem Auge auf Dauer nicht zuträglich seien.

Nur wenig ist über den Ablauf dieses Brillengeschäftes bekannt, hätten nicht einige bedeutende Künstler diese Szenen mit Pinsel oder Stift festgehalten. Es entstanden die berühmten Stiche vom Hausierer oder dem Brillenshop auf dem Marktplatz. Eine solche Verkaufsszene ist auch in der hier gezeigten Grafik aus der Mitte des 19. Jahrhundert dargestellt. Es handelt sich um einen Stahlstich des späten Biedermeisers. Er zeigt eine Szene, wie sie Spitzweg kaum trefflicher hätte darstellen können. Ein verschmitzt blickender Händler bietet vor der Haustür Lesebrillen zum Kauf.

Der potentielle Käufer stammt, wie die Kleidung erkennen lässt aus der gehoben Schicht, dass er lesen kann zeigt ein Buch als Leseprobe, der weite Abstand zum Text lässt erkennen, dass die Gläserkorrektur noch nicht ausreicht. Originell erscheint, dass er die Brille mit den beweglichen Ohrenbügeln von sich weg hält. Hieraus folgt, dass die Gläser noch bikonvex gewesen sein müssen. Der Händler hält bereits eine weitere Brille, vermutlich mit stärkeren Gläsern in seiner linken Hand, die Geste der rechten zeigt wie er seine Ware anpreist. Die schon erfolglos getesteten Brillen liegen verteilt um seine Verkaufskiste herum.

Die Grafik ist typisch für die Zeit des späten Biedermeiers. Sie zeigen eine scheinbar heile Welt. Solche Stiche wurden oft nach Gemälden oder gezeichneten Vorlagen gefertigt, die Druckplatte aus Stahl diente zur billigen Reproduktion für jedermann. Als Zeichner der Szene ist am unteren Plattenrand Sondermann pinxit angegeben, der Maler war also Hermann Sondermann, ein bekannter Genemaler seiner Zeit, der Stecher war Simon. Das bei Sammlern alter Optik begehrte Blatt mit dem Titel „Der vacierende Opticus“ stammt aus einem renommierten Antiquariat in Frankfurt.

 

ERSTE WEICHE KONTAKTLINSEN

Vor gerade 50 Jahren wurde in einer naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift über ein neu synthetisiertes weiches Hydrogel berichtet. Zur Diskussion stand die Frage ob und vor allem wo sich der Kunststoff in der Medizin einsetzen ließe. Der Versuch, das Material auch für optische Zwecke zu nutzen gelang, die ersten weichen Kontaktlinsen entstanden. Trotz anfänglicher optischer Probleme und physiologischer Schwierigkeiten lieferten diese Experimente die Grundlage zur modernen Kontaktoptik. Die wenigen noch erhaltenen Linsen aus dieser Frühphase der weichen Kontaktlinse befinden sich heute in den Tresoren medizinhistorischer Museen.

Seit etwa 750 Jahren ist es möglich die Altersweitsichtigkeit mit brechenden Gläsern auszugleichen, es folgten Brillengläser für die Versorgung der Kurzsichtigkeit und schließlich auch des Astigmatismus. Allen diesen Gläser gemeinsam ist es, dass sie im Abstand von einigen Millimetern vor dem Auge getragen werden müssen, Gestelle oft skurriler Art stabilisierten den Sitz der Gläser vor dem Auge. Der Weg von der hölzernen Nietbrille über Gläserhalter aus Leder, Kupfer, Messing oder Eisen war lang, Monokel, Zwicker, Lorgnette oder Lorgnon waren mehr modisch als funktionell. Erst der gebogene Ohrenbügel brachte den Durchbruch für das allgemeine Brillentragen.

Nun gibt es Refraktionsanomalien, die nach wie vor mir einem Glas nicht ausgleichbar sind. Die hohe Hyperopie, besonders bei Linsenlosigkeit, die progressive Myopie vor allem aber die Hornhautverkrümmung lassen sich nur bedingt mit einem Brillenglas versorgen. Einschränkungen des Gesichts- bzw. Blickfeldes sind hinderlich, bei unterschiedlichen Gläserstärken stört die verschieden große Darstellung der Bilder auf der Netzhaut das beidäugige Sehen.

Die Suche nach einem Ausweg dauerte lange, erst 1888 gelang erstmals der erfolgreiche Ausgleich des irregulären Astigmatismus beim Keratokonus mit einer harten Kontaktlinse aus Glas. Die Herstellung dieser „Kontaktbrillen“ war mühsam und kostspielig, ihre Zerbrechlichkeit hoch. Die mangelhafte Sauerstoffdurchlässigkeit des Materials begrenzte die Tragezeit auf ein paar wenige Stunden.

Nur ein neues Material konnte weiterhelfen. Nach der Synthese von Polymethylmethacrylat, auch als Plexiglas bekannt, wurde es möglich die Linsen durch thermoplastische Pressverfahren preisgünstiger herzustellen. Die Bruchfestigkeit des Kunststoffes war nahe unbegrenzt aber weiterhin schränkte die mangelhafte Gasdurchlässigkeit die Tragezeit am Auge erheblich ein. Unabhängig davon führten diese Linsen bei vielen Menschen zu einem hohen Fremdkörperreiz. Die Idee eine kleine schwimmende Hornhautlinse mit einem Durchmesser von weniger als 10 mm zu entwickeln brachte den Durchbruch. Dennoch ließ das formstabile harte Material das erfolgreiche Tragen aufgrund des chronischen Fremdkörperreizes oft scheitern.

Vor 50 Jahren berichteten nun Wichterle und Lim aus Prag von ihren Experimenten mit einem neuen weichen hydrophilen Kunststoff, sie prüften seinen Einsatz am Auge. Ein weiches Polymer des Plexiglases ließ sich im trockenen Zustand an der Drehbank bearbeiten und zu Linsen formen, die sich am Auge durch ein nur noch geringes Fremdkörpergefühl auszeichneten. Ein neu entwickeltes Schleudergussverfahren ermöglichte eine asphärische Innenkurve, die der Hornhauttopographie weitgehend entsprach. Durch den natürlichen Tränenfluss blieb das Material auch während des Tragens am Auge weich.

Die Revolution am Auge begann. Trotz anfänglich hohen Bruchraten sowie allergischen und toxische Reaktionen ließ sich der Weg der weichen Linse nicht aufhalten: sie wurde inzwischen zur Sehhilfe für jedermann. Ledig das moderne Implantat oder die refraktive Hornhautchirurgie überbieten inzwischen ihre Vorteil Die hier gezeigten Linsen stammen noch aus den ersten Tagen der weichen hydrophilen Kontaktlinse. Sie gehören zu den wenigen erhaltenen Exemplaren der ersten Stunde. Einige davon wurden dem Museum von einem wohlwollenden Anpasser vermacht, die anderen sind noch direkt vom Tisch der Forscher in Prag. Sie zählen heute zu den großen Raritäten einer erfolgreichen Geschichte der Augenoptik.

 

GLÄSERKASTEN ZUR BRILLENBESTIMMUNG

In den ersten Jahrzehnten der Brille war die Frage des Brechwerts ihrer Gläser kaum relevant. Zwar waren die entscheidenden optischen Gesetze durch die Arbeiten arabischer Mathematiker im ausgehenden Mittelalter schon bekannt, beim Lesestein, hergestellt im Tropfgussverfahren, überließ man aber das Brechverhalten mehr oder weniger dem Zufall. Auch bei den frühen Brillengläsern, mit der Gusszange aus flüssigem Glas gepresst, war die Refraktion kaum definiert, sie lag irgendwo bei zwei bis drei Dioptrien. Erst die neuzeitlichen Schleif- und Polierverfahren erlaubten eine höhere Genauigkeit bei der Gläserproduktion. Die Entwicklung der Augenheilkunde, noch mehr aber die der Augenoptik machte es notwendig, die Stärken optischer Gläser einerseits zu definieren, anderseits aber auch prüfbar zu machen. Das galt vor allem für Versorgung einer Fehlsichtigkeit.

Nachdem letztendlich erkannt wurde, dass die verschiedenen optischen Fehler des Auges auch verschieden starke Brillengläser erforderten wurden die Gläserstärken modifiziert. Um ihre Eignung für den jeweiligen Patienten vereinfacht testen zu können, ließ man sich Gläsersets für die Brillentests einfallen.

Die objektive Messung eines Brechungsfehlers am Patienten war anfangs nämlich technisch schwierig. Wollte man prüfen welche Gläserstärke hier optimal war blieb nur das Pröbeln. Verschiedene starke Gläser, im Wechsel vor das Auge gehalten, ermöglichten zwar eine subjektive Aussage. Diese war aber, wie auch noch heute der Fall, abhängig von der Mitarbeit des Patienten.

Die Bestimmung der benötigten Gläserstärke erfolgte seit dem 18. Jahrhundert bevorzugt mit einem Lorgnon, in das 3 bis 5 verschieden starke Gläser schwenkbar eingebaut waren. Die Zahl der Probiergläser war damit limitiert. Die ersten Brillenbestimmkästen mit einer abgestuften Gläsersortierung nach Dioptrien kamen erst vor etwa 100 Jahren auf dem Markt, höhere Ansprüche an den Arbeitsplatz, vor allem aber an den aufkommenden Straßenverkehr erforderten bessere Sehschärfen und damit einen optimalen Gläserausgleich.

Die Messung der jeweiligen Brennweite war anfangs nur indirekt möglich, der Scheitelbrechwertmesser ist eine Konstruktion der Neuzeit. Messgeräte, im Aussehen einer Taschenuhr tasteten den Kurvenverlauf am sphärisch gekrümmten Brillenglas ab, dessen Brechungsindex bekannt sein musste. Diese Methode ersetzte die Bestimmung des Brennpunkts mit Hilfe einer Lichtquelle. Erst die Einführung der Metrik in die Optik führte schließlich im vorletzten Jahrhundert zur Definition des Brechwertes als Dioptrie.

Die Abbildung zeigt einen der ersten Brillenbestimmkästen aus beklebtem Buchenholz, er ist entsprechend den Schmuckschatullen der Zeit mit dunkelrotem Samt ausgeschlagen. Er enthält eine einfache Probierbrille sowie 30 Gläser, am Rand sind jeweils die Brechwerte in Dioptrien von Hand eingeritzt. Die Gläserstärke beginnt mit +/- 0.5 dpt und endet bei +/- 8.0 dpt.

Zusätzlich finden sich 2 Prismengläser mit 6 und 10 Dioptrien in dem Kasten. Zylindrische Gläser fehlen.

Das Probiergestell besteht aus einem vernickelten Halbreifen. Die Ohrenbügel entsprechen der Zeit, sie waren noch gerade und wurden einfach ins Haar gesteckt. Der manuelle Gläserwechsel erforderte Zeit und Geduld, eine Kombination mehrerer Gläser war nicht möglich, da die Fassung nur Einzelgläser, nicht aber ihre Kombinationen zuließ.

Dieser Gläserkasten lässt sich auf Grund der Firmenangabe „Ulrich in Ulm“ auf die Zeit kurz vor dem ersten Weltkrieg datieren. Alle Gläser sind noch vollständig und unbeschädigt erhalten, dies spricht nicht für einen sehr häufigen Gebrauch. Vermutlich gehörte der Kasten einst einem Allgemeinarzt der nur in Ausnahmefällen auch einmal eine Brille zu verordnen hatte. Solche Kästen bringen auf dem Antiquitätenmarkt je nach Qualität und Zustand einige hundert Euro. Dieser hier wurde der Sammlung von einer älteren Kollegin vermacht, er stammte noch aus der väterlichen Praxis, sie selber hatte den Kasten nie benutzt.

 

DAS FERNROHR DES GALILEI

Irgendwann kam ein Tüftler des ausgehenden Mittelalters auf die Idee zwei verschieden starke Brillengläser hintereinander zu halten und entdeckte, den richtigen Abstand voneinander vorausgesetzt, dass weit entfernte Dinge in die Nähe rückten. Ein Glas befand sich dabei direkt vor dem Auge, das zweite eine Armlänge entfernt. Bedingung für das Phänomen war, dass die Brennpunkte beider Gläser in einer Ebene lagen. Dem Holländer Lipperhey wird diese Entdeckung Anfang des 17. Jahrhunderts zugeschrieben, dies mag bezweifelt werden. Fest steht aber, dass Galilei als einer der Ersten den Wert dieses Gerätes für die Astronomie erkannte. Er entdeckte mit einem solchen, als Fernrohr bezeichneten Instrument die nach ihm benannten Jupitermonde und den Ring des Saturns. Pater Scheiner sah als Erster damit die Sonne. Von Vorteil war, dass die Abbildung beim Fernrohr von Galilei im Gegensatz zu dem von Kepler nicht seitenvertauscht war und auf dem Kopf stand. Bei Galileis Konstruktion war die Sammellinse des Okulars durch ein Zerstreuungsglas ersetzt. Dadurch stand das Bild aufrecht, das Fernrohr oder Teleskop war nun auch für terrestrische Beobachtungen brauchbar.

 

Was anfangs noch als Spielzeug zur Volksbelustigung auf den Jahrmärten angeboten wurde, fand rasch Einzug in die Wissenschaft. Vor allem die Astronomie erhielt durch das Teleskop gewaltigen Auftrieb. Aber auch das Militär erkannte bald seinen Nutzen, ließen sich doch mit einem solchen Gerät Größe und Art anstürmender Truppen frühzeitiger ausmachen. Der Marine ermöglichte es bereits aus der Ferne die Differenzierung von Freund und Feind.

Das hier abgebildete Fernrohr ist noch vollständig im Original erhalten. Die Gläserfassungen sind aus Horn gedrechselt, sogar die Abdeckkappen sind noch vorhanden, die beiden Linsen von Okular und Objektiv sind intakt. Insgesamt vier Pappröhren lassen sich ineinander schieben, schwarze Striche auf dem Röhren markieren den richtigen Abstand zueinander und helfen bei der Fokussierung. Vollständig auseinander gezogen beträgt die gesamte Länge 81,5 cm. Das Okular hat eine Öffnung von 11 mm, das Objektiv von 23 mm. Damit ist die Lichtstärke limitiert. Die Brennweite des Objektivs liegt bei 73.2 cm die des Okulars bei 4.4 cm. Hieraus resultiert eine etwa17 fache Vergrößerung.

Galileis beiden Fernrohre, baugleich mit dem hier gezeigten Instrument, befinden sich in Florenz. Mit ihnen untersuchte er zu Beginn des 17. Jahrhundert den nächtlichen Himmel. Seine Ergebnisse ließen keinen Zweifel: die Erde drehte sich um die Sonne. Das brachte bekanntlich Ärger mit Kirche und Obrigkeit. Kepler konnte nachweisen, dass die Umlaufbahnen keine Kreise sondern Ellipsen waren.

Fernrohre haben Geschichte. Wer einst durch dieses heute primitiv anmutendem Instrument blickte ist unbekannt. Ob damit große Entdeckungen gemacht wurden, ob Schlachten gewonnen wurden oder es nur zur Belustigung der Voyeure diente, weiß man nicht. Fest steht nur, dass mit solchen Instrumenten die Geschichte des Universums neu geschrieben werden musste. Noch jetzt fasziniert es mit diesem historischen Gerät den nächtlichen Himmel abzusuchen.

Hergestellt wurde das Teleskop, wie der Firmenzug auf der verzierten äußeren Röhre noch erkennen lässt, von Leonardo Semitecolo in Venedig. In seiner Werkstatt wurden bis ins späte 18.Jahrhundert Fernrohre gebaut. Irgendwann wurden die Pappröhren durch Metallrohre ersetzt, statt Papier war der Überzug aus Leder, das Ganze bekam Stabilität. Die Farbsäume der ersten Gläser unterlief man im 19. Jahrhundert mit Kombinationen aus Gläsern verschiedener Brechungsindizes. Das Grundprinzip der Optik des aufrechten Bildes hat sich jedoch bis heute erhalten.

Solche historischen Instrumente sind nur noch äußerst selten auf dem Markt zu finden. Sind sie noch voll intakt und funktionstüchtig, erzielen sie dreistellige Preise. Dieses besonders schöne Pappfernrohr konnte nur deshalb für die Sammlung weit unter dem tatsächlichen Wert erworben werden weil es vom Trödelhändler fälschlicherweise als Kinderspielzeug deklariert und deshalb zu niedrig taxiert worden war.

 

DAS AUGE IN ALTEN SCHRIFTEN

In vergangenen Zeiten betrachtete man das Auge als ein geheimnisvolles Organ, seine Funktion erschien rätselhaft. Blindheit war Schicksal oder Strafe. Im Frieden verhieß gutes Sehen Lebensqualität, bei kriegerischen Auseinandersetzungen erhöhte es die Überlebenschancen. Das Auge war für die alten Griechen Sitz der Seele, in der christlichen Religion galt es als Auge Gottes als Kontrollorgan, es war gütig, wachsam und mahnend zugleich.

Als magisches Symbol findet sich das Motiv „Auge“ daher auch in allen Bereichen der darstellenden Kunst, es wurde zum immer wiederkehrenden Objekt in der Plastik oder Malerei. Interessanterweise aber gibt es aber nahezu keine Abbildungen des Auges in alten Handschriften, selbst im frühen Buchdruck fehlen diese.

Auch in den frühesten schriftlichen Zeugnissen aus vergänglichem Material wie Papyrus oder Pergament tauchen keine Bilder vom Auge auf, dabei diente es in nahezu allen Schriften der alten und neuen Welt selber als Vorbild für einen Buchstaben oder eine Silbe. Erst ab dem 16. Jahrhundert findet es sich in alten Handschriften oder Grafiken im Bild dargestellt. Dort symbolisiert das Auge dann Allmacht und Kraft, als Votiv zeichnet es als Bitte oder Dank für die Heilung. Die anatomisch exakte Darstellung ist bei diesen frühen Abbildungen nicht gefragt, es genügt das einfache Symbol, für jedermann als ein Auge erkenntlich.

Diese seltene Abbildung gleich dreier Augen in einem Schriftstück stammt aus dem Titelvorspann einer alten Pergamentrolle. Sie kommt, wie die Schrift erkennen lässt aus dem nordöstlichen Afrika und lässt sich sprachlich in das 16. Jahrhundert nach Christus datieren. Interessant ist dabei die Darstellung der Pupille, im Gegensatz zu den wenigen anderen Augenabbildungen der Zeit wird

 

diese hier nicht durch einen Punkt oder Kreis sondern nur durch einen vertikalen Strich definiert. Die Einfachheit dieser Darstellung besticht, Schriftbild und primitive Zeichentechnik lassen das Ganze als naive Kunst verstehen. Umrahmt sind die drei Augen von schwarz-rot unterlegten Kreuzen, ein Hinweis auf den religiösen Charakter der Schrift.

Solche Formen von Textaufzeichnungen werden als Schrift- oder Buchrolle bezeichnet. Im Gegensatz zum heute üblichen Blockbuch werden sie aufgerollt aufbewahrt. Sie bestehen nur aus einer einzigen oft mehrere Meter langen Seite, man muss diese, um sie zu lesen zu können, mit beiden Händen gleichzeitig anfassen. Bei hebräischen Texten z.B. der Thora liest man den Text von rechts nach links, bei dieser Buchrolle von oben nach unten.

Aufbewahrt wurden solche Schriftrollen in Krügen oder geflochtenen Körben, im trockenen Wüstensand oder in Höhlen blieben sie, man denke an die Schriftrollen von Qumran, unbemerkt über viele Jahrhunderte erhalten. In Ägypten wurden diese Texte auf Papyrus, in anderen Kulturen auf Leder oder wie hier auf Pergament geschrieben. Es stammt, wie alle rituellen Texte der Region, von einem Schaf.

Der Text dieser Vorlage ist inzwischen übersetzt, er handelt vom Zauber des Auges. Er berichtet von der Magie des Sehens, er enthält Zaubersprüche und magische Beschwörungsformeln mit christlichem Hintergrund. Es ist daher zu vermuten dass diese Schriftrolle einst in der Hand von Schamanen oder Priestern war, denn nur wenige Menschen waren damals in dieser Region des Lesens kundig und noch weniger konnten sich so ein wertvolles Pergament leisten.

Die wenigen noch erhaltenen Schriftrollen kommen nur selten in Handel, der Markt ist abgeräumt. Dieses Exemplar wurde an einer Grenzstation zum Sudan erworben, wo meist Flüchtlinge Kunstschätze ihres Landes auf dem Schwarzmarkt anbieten. In Deutschland bringen diese Buchrollen je nach Herkunft, Alter und Zustand dreistellige Preise, vor allem private Sammler bieten dafür Spitzensummen. Dieses Unikat, eine seltene und gut erhaltene Handschrift, wurde wegen der doch sehr eigentümlichen Augendarstellung für das Museum zur Geschichte von Auge und Sehen erworben und bleibt damit der Allgemeinheit erhalten.

 

DER ZWICKER

Die Entdeckung, dass sphärisch geschliffene Gläser die Altersweitsichtigkeit ausgleichen konnten war das Schlüsselereignis zur Erfindung der Brille im späten 13. Jahrhundert. Ungelöst blieb jedoch die Frage, wie diese Gläser nun an besten am Kopf zu befestigen waren. Die Hände sollten frei bleiben, die Entfernung zwischen Glas und Auge sollte konstant sein. Der Abstand der Gläsermitte zueinander musste entsprechend der Pupillendistanz veränderlich sein. Das Ganze sollte bequem zu tragen sein, bei heftigen Kopfbewegungen durfte die Konstruktion ihre Lage am Kopf nicht verändern. Es ist erstaunlich, dass es nahezu fünf Jahrhunderte dauerte um das Problem befriedigend zu lösen. Die Revolution war der Zwicker, seine Erfindung fällt in die Zeit des kulturellen und politischen Umbruchs.

So ist es schon erstaunlich, dass die Befestigung der Brillengläser an einem Gestell mit Ohrenbügeln erst eine Erfindung des aufstrebenden Industriezeitalters ist, waren zuvor doch schon die skurilsten und merkwürdigsten Gläserhalterungen im Angebot. Als Scherenbrille, Mützenbrille, Fadenbrille, Lorgnette und Lorgnon dienten sie alle dem Ziel besser zu sehen. Die Konstruktionen gingen mitsamt ihren Trägern in die Geschichte ein. So recht praktikabel war keine.

So war es letztlich der Zwicker, der die Revolution in der Augenoptik einläutete. Seine Geschichte beginnt eigentlich schon mit der Nietbrille, der frühesten uns bekannten Sehhilfe, die auf die Nase gesteckt wurde. Das primitive Gestell war aus einst aus Holz, später aus Metall, gehobene Schichten, allen voran der Klerus, standen auf Elfenbein. Im Zeitalter der Massenproduktion machte man das Gestell aus gewalztem Kupferdraht. So recht stabil war das Ganze nicht, eine Hand musste das Gestell, auf die Nase geklemmt festhalten, die zweite blieb zum Schreiben oder Blättern frei.

Ein Lösungsvorschlag war der Kneifer oder Zwicker, hier sind die beiden Gläser durch einen federnden Bügel fest miteinander verbunden. Das gab endlich mehr Halt. Es ist erstaunlich dass er sich über 150 Jahre am Markt hielt bevor mit Beginn des ersten Weltkriegs sich die Brille mit Ohrenbügeln endgültig durchsetzte. Granatenhagel und Schützengraben erlaubten keine instabil sitzende Sehhilfe.

Der Name Zwicker beschreibt seine Funktion, er wurde auf den Nasenrücken geklemmt. Synonyme sind Klemmer oder Kneifer, das französische Wort Pincenez beschreibt dies am besten. Kaum erfunden war der Zwicker erst einmal die Sehhilfe der Oberschicht, der einfache Bürger auf der Straße trug ohnehin keine Sehhilfe, er passte Beruf und Umfeld seinem Sehfehler an. Auch blieb der Zwicker erst einmal eine Domäne der Männer. Eine Frau mit Kneifer gehörte zu den seltenen Ausnahmen, die Frauenquote war noch nicht in. Kaum ein anderes Statussymbol prominenter Köpfe aus Kunst, Kultur, Handel und Politik erreichte je seine Publicity. Nur der Offizier trug weiter sein Monokel. Ein Zwicker passte nicht zur militärischen Karriere.

Der Kneifer eroberte rasch auch die neue Welt, nur in Fernost scheiterte er als Exportschlager. Im Gegensatz zu den europäischen Gesichtsformen haben Chinesen und Japaner eher platte Nasenrücken, das machte die Sache instabil.

Auch sonst saß zwar selbsthaltend auf dem Nasenrücken, doch mancher Journalist der Zeit vermerkt, wie der Zwicker bedeutender Persönlichkeiten bei heftiger Erregung von der Nase fiel, eine Seidenkordel, im Knopfloch am Revers befestigt, begrenzte seinen freien Fall. Das Knopfloch gibt es übrigens bei der Anzugsjacke noch heute, der Zwicker hingegen verschwand.

Gläserform, Größe und Brechkraft waren genormt, es gab nur sie nur in queroval oder rund. Die Glashersteller bedienten nur den Standard, Sonderwünsche waren kaum machbar. Astigmatische Gläser erforderten eigene Konstruktionen wie z.B. den Federklemmer, dessen Zylinderachse unabhängig von der Breite des Nasenrückens konstant blieb.

Dieser Kneifer, einer von vielen aus der Sammlung zu Auge und Sehen, stammt von einem Flohmarkt in Kopenhagen. Er wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin in Massenproduktion hergestellt. Solche Zwicker finden sich noch häufig auf Trödelmärkten und im Antiquitätenhandel. Meist sind sie aus Kupfer, Eisen oder Messing, sie gibt es bereits für ein paar Euros. Schon allein ihre Vielfalt an Formen und Typen empfiehlt sie zu sammeln.

 

DER BILDBETRACHTER

Hübsche Dinge anzuschauen, schöne Bilder zu betrachten, das war schon immer ein Teil der Lebensqualität, es diente der Unterhaltung und Bildung zugleich. Mit dem Beginn der Fotografie wurde statt dem mühsamen Malen das Ablichten von Motiven zum Hobby vieler. Die Entwicklung der Kleinbildkamera revolutionierte die Aufnahmetechnik. Farbige Papierabzüge oder gar Poster waren in den Vorkriegsjahren allerdings noch unerschwinglich. Also griff man auf das preisgünstige Farbdiapositiv, wie man früher das Dia nannte, zurück und suchte nach einfachen Wegen die Bilder möglichst wirklichkeitsgetreu anschauen zu können. Hierzu bedurfte es entweder eines Projektors oder noch einfacher eines Bildbetrachters. Beides gehörte früher neben der Kamera zur Standartausrüstung des Fotografen.

So benötigte man zur Ansicht solcher Bilder entweder eine Laterna Magica, wie man die ersten Bildprojektoren nannte oder aber einen solchen kleinen Dia- oder Bildbetrachter in der Art, wie er hier abgebildet ist. Die kleinen Kästchen, auch Guckis genannt, waren anfangs meist nur aus fester Pappe, sie waren bunt bemalt oder mit Japanpapier beklebt. Bessere Modelle bestanden aus Pappelholz oder gar Metall. Später, im Zeitalter der Massenproduktion waren sie aus billigem Bakelit, einem der ersten Kunststoffe. Ihre Größe richtete sich nach dem Standard des Kleinbild- bzw. Mittelformatdias, die gerahmten Bilder waren daher immer entweder 7x7cm oder 5×5 cm groß. Diese Maße entsprechen selbst heute noch der internationalen Fotonorm.

Das Vorbild für diese kleinen Bildbetrachter waren die alten Guckkästen oder Stereobetrachter, die sogar eine dreidimensionale Betrachtung von Papierbildern erlaubten. Das technische Design war eigentlich primitiv: eine einfache Lupe mit einem Brechwert von 20 Dioptrien, anfangs aus Glas, später aus Kunststoff war in der Mitte der Vorderwand eines kleinen Kästchens eingepasst. Dieses hatte an der Hinterseite einen schmalen Schlitz um das zu betrachtende Bild einzuschieben. Eine Mattscheibe als Rückwand sorgte für ausreichend Streulicht. Gegen eine Lichtquelle gehalten sah man bei Blick durch die Lupe das Dia in Panoramaansicht. Pech, wenn man Brillenträger war, eine Fokussierung kannten die kleinen Geräte nämlich nicht.

Den Betrachter bezog man damals beim Fotohändler oder im Andenkenladen, dort erhielt man gleich noch einen Set Erinnerungsfotos dazu, denn eine Kamera konnte sich schließlich nicht jeder leisten. Die Fotoindustrie‚ um Ideen nicht verlegen, lieferte unter dem Slogan „Lichtbilder für alle“ alle nur erdenklichen Bilder zum Betrachten. Andenkenfotos oder Reisebilder aus aller Welt waren sehr gefragt. So zeigte man eben statt eigener Bilder die gekauften Dias von der Fahrt auf dem Rhein zwischen Mäuseturm und Loreley, dem Ulmer Münster oder dem Kölner Dom, alles in bunten Farben bereits vorführfertig gekauft. Die Angebote solcher Fertigdias kannten keinen Grenzen: Abenteuergeschichten

und Märchenbilder ließen Kinderherzen höher schlagen, doch die angeblichen Originalabbildungen aus den Pariser Etablissements, im Angebot für den älteren Herren, zeigten mehr Verhülltes als die Geschichten der Gebrüder Grimm offenbarten.

Heute ist diese Romantik zerstört. Vom Handy aufgenommen, mit Facebook blitzschnell weltweit verschickt ist der Diabetrachter mitsamt den Dias out. Digitale Bildträger haben das in letzten Jahren alles ersetzt. Nur wenige der Guckis haben überdauert. Dieses kaum benutzte Gerät soll aus der Zeit um 1930 stammen, es kam gleichzeitig mit der Erfindung der Kleinbildphotographie auf den Markt.

Solche kleinen Dia- oder Bildbetrachter tauchen immer wieder auf den Flohmärkten auf. Ihr Preis richtet sich nach Alter, Ausführung und Erhaltungszustand. Dieses bunte Gerät aus der Vorkriegszeit wurde im Internethandel entdeckt und mit einem Konvolut von bunten Märchenbildern zu einem recht bescheidenen Preis für die Sammlung erworben.

 

DER AUGENARZT IN DER MUSIK

In zahllosen Liedern und Arien besingt man die Liebe, musikalische Variationen über Herz und Schmerz sind meist mit eingeschlossen. Sehr viel seltener wird das Auge einmal zum Motiv für eine Komposition und noch seltener ist es dann der Augenarzt, der sich in der Partitur wiederfindet. Warum auch sollte ihm die Musik nur eine Note widmen? Allerdings findet sich der Augenarzt und sein Berufsbild erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den Charts, grenzte sich doch die Ophthalmologie erst um 1850 mit der Erfindung des Augenspiegels von den anderen Fachgebieten ab. Bis zum Ende des Biedermeiers kennt man also den Ophthalmologen noch nicht. Umso erstaunlicher ist es, dass da bereits 1811 in Wien ein bemerkenswertes Singspiel in Form einer Oper aufgeführt wird, sie nennt sich „Der Augenarzt“.

Die Noten dazu, lange vergessen, sind gerade im Handel aufgetaucht. Adalbert Gyrowetz, er lebte von 1763-1850, intonierte im Jahr 1811 zu Zeiten europäischer Feindseligkeiten in Wien die Oper „Der Augenarzt“. In der spärlichen Fachliteratur über ihre Entstehung findet sich Hinweis, dass die Erzählung „Les petits aveugles de Franconville“ von Armand Croizette als

 

Vorlage für das Libretto gedient habe. Es handelt sich dabei um die Geschichte zweier blinder Kinder aus einem Dorf in der Nähe von Paris. Die Story scheint einfach: die beiden irren heimatlos umher, ein Arzt, gerade aus vom Schlachtfeld zurück, verliebt sich in ihre Betreuerin. Er entscheidet sich die Kinder am Auge zu operieren. Der Eingriff mittels eines Bogenschnitts gelingt, die Blindheit ist besiegt, nach einer Reihe von familiären Verwicklungen naht das Happyend: ein Lob dem tüchtigen Augendoktor.

In den Annalen findet sich ein Vermerk über einen späteren Prioritätenstreit, man warf sich gegenseitig das Plagiat vor. Wer da wem die Story abgekupfert hat, lässt sich heute nicht mehr beweisen, Noten und Text, mühselig in Handarbeit in eine Kupferplatte gestochen, verraten nämlich nichts über ihre die geistige Herkunft.

Bei den hier abgebildeten Noten handelt es sich nicht um eine klassische Partitur für ein Singspiel wie sie in der Regel als detaillierte Instrumentation für die Begleitung der Sänger aufgezeichnet wird, sondern lediglich um einen Klavierauszug einer Solo-Arie aus der genannten Oper für einen Tenor bzw. im weiteren Verlauf eines Duetts für zwei Tenöre. Würde dieser Klavierauszug als Manuskript vorliegen, wäre die Vermutung naheliegend, dass er primär für die Einstudierung der Sängerparts gedient hatte. Die Originalinstrumentation der Romanze unter Begleitung einer Gitarre innerhalb des begleitenden Opernorchesters ist für die Zeit typisch und findet sich auch bei italienischen Zeitgenossen von Gyrowetz wie beispielsweise Rossini wieder.

Da hier dieser Klavierauszug bereits in gedruckter Form vorliegt, ist er nach Auffassung von Experten vermutlich erst 1812, also ein Jahr nach der Uraufführung des Opus entstanden. Häufig wurden solche Einzelarien als Klavierauszügen separat verkauft um in der Öffentlichkeit eine schnellere Verbreitung und Bekanntheit des Hauptwerkes zu erreichen.

Diese Musikstücke wurden dann im Kreise des Adels und gehobenen Bürgertums bei ihren Salon- und Hausaufführungen zum Besten gegeben. Die Noten wurden bevorzugt von den Familien der gehobenen Gesellschaft erworben und dort immer wieder gespielt. So darf man durchaus auch folgern, dass solche Klavierauszüge letztendlich die Vorläufer unserer heutigen Schallplatten, Tonbänder oder Disks waren. Abspielgeräte oder Radio gab es damals zwar noch nicht, aber man hatte die Noten zur Hand. Wer sie anhören wollte musste, ein Klavier oder einen Flügel vorausgesetzt, sie allerdings selber klimpern.

Diese hier gezeigten über 200 Jahre alten Notenblätter gehören zu den Raritäten der Musikgeschichte. Sie wurden kürzlich von einem renommierten Antiquariat im Rahmen einer Versteigerung auf dem Markt angeboten. Der Preis für den Zuschlag war der Seltenheit dieser musikgeschichtlichen Preziosen angepasst.

 

CHINESISCHE BRILLENDOSE

Brillen waren einst wertvoll. Nur wenige Fehl- oder Alterssichtige konnten sich diese teure Importware aus Murano leisten. Wo auch immer sie als Lesehilfe Verwendung fand, es galt sie mit Sorgfalt zu behandeln und aufzubewahren. Dazu gab es sicherlich die schon Etuis, Behälter oder Dosen. Es fällt auf, dass in frühen Abbildungen von Brillen immer nur die Sehhilfe, nicht aber ihr Aufbewahrungsbehälter dargestellt wird. So bleibt es für den Historiker offen, wo und wie im ausgehenden Mittelalter das unersetzliche Stück sicher verwahrt wurde. Dass man die wertvollen Gläser durchaus zu schützen wusste zeigt dieser fernöstliche Brillenbehälter aus Holz. Er stammt aus China und kann ins späte 17. Jahrhundert datiert werden.

Die Konstruktion ist recht einfach: es ist eine aus Hartholz gedrechselte runde Dose mit abklappbaren Deckel. Das Ganze ist außen mit schwarzem Papier beklebt und als feine Lackarbeit kunstvoll gestaltet. Innen ausgehöhlt ist gerade Platz für eine zusammengelegte Fadenbrille der Zeit. Eine Schnur aus brauner Wolle diente zur Befestigung am Gürtel, eine zweite gegenüberliegende sicherte den Deckel gegen das unbeabsichtigte Öffnen der Dose und den Verlust des Inhalts.

Aus zahlreichen Holzschnitten des Chinas weiß man, dass der Beamte oder eben der, der sich das leisten konnte eine solche Dose als Statussymbol am Gürtel trug und damit verriet, dass auch er die Grenze zur Alterssichtigkeit überschritten hatte. In unseren Regionen ging das etwas einfacher. Zur Aufbewahrung der ersten Brillen diensten vermutlich kleine Beutel aus Leinen oder Leder. In gehobenen Kreisen waren sie wertvoll verziert, sie gingen über die Jahrhunderte verloren. Unsere ältesten bislang bekannten Aufbewahrungsbehälter waren aus Eichen- oder Buchenholz. Sie bestanden aus zwei kleinen Brettchen die an ihrer Längsseite mit einem Scharnier versehenen waren. So ließen sie sich zusammenklappen. Innen war eine Vertiefung heraus gestemmt, in die gerade eine Brille passte. Zusammengeklappt sicherte ein Häkchen das unbeabsichtigte Öffnen. Ganz raffiniert waren die Verstecke, so gibt es Bibeln, deren Holzdeckel für die Brille passend ausgehöhlt waren, hier konnte man sie unauffällig unterbringen. Man hoffte wohl, dass sich bei Diebstahl oder Plünderung der Dieb sich nicht an der Heiligen Schrift vergriff.

Spätere Brillenbehälter waren einem Köcher ähnlich aus einem Stück Holz geschnitzt und der Länge nach durchbohrt. Man schob die zusammengefaltete Eisenbrille an ihrer Stirnseite hinein. Die Öffnung dort glich einem Fischmaul, was ihnen auch den Namen gab. Mittels einer Lederschlaufe trug man auch sie am Gürtel. In späteren Jahren findet man auch goldene oder silberne Brillendosen, passend zum Damentäschchen, in den Museen, ihrer bediente sich ausschließlich die Oberschicht.

Heute ist das Brillenetui aus Leichtmetall, Hartplastik oder Eisenblech. Es stammt entweder aus billiger Massenproduktion oder ist teuer vom Designer gestaltet. So hat der Preis für das Etui aus der Hand italienischer Modeschöpfer den der Modebrille längst überrundet. Aufbewahrungsbehälter für Brillen findet man auf jedem Flohmarkt, die einfachen Modelle erhält man zum Schleuderpreis, oft ist im Preis die Brille mit dabei. Kunstvoll gestaltete Brillenetuis oder Futterale in Handarbeit sind allerdings selten und teuer, das gilt auch auf für die hier gezeigte Holzdose, die aus Peking stammt.

Erworben wurde sie nicht im Land des Lächelns sondern in einem Antiquitätenladen in Venedig, das für seine engen Handelsbeziehungen mit China schon früh bekannt war. Mancher Doge trug bereits eine Sehhilfe aus Fernost, die Brillendose am Gürtel inbegriffen. Der Ladenbesitzer jammerte, wie schwer er sich gerade von diesem edlen Stück trenne, stamme es doch vom kleinen Bruder Casanovas. Der Aufkleber mit dem amtlichen Zollemblem der verbotenen Stadt verrät jedoch dem Fachmann dass diese Dose zwar original und alt ist, sie gehörte aber erst zu Zeiten der Kulturrevolution zur devisenbringenden Exportware aus Fernost.

Der Preis für dieses schöne Sammlerstück war dem Niveau Venedigs angemessen, einer Stadt deren Besuch allerdings nur einem betuchten Antiquitätensammler zu empfehlen ist.

 

DAS AUGE IM SCHRIFTTUM

Die Frage, wie alt die Augenheilkunde denn sei, ist nicht zu beantworten. Mit Sicherheit war sie in den frühesten Zeichen der Menschheit bereits ein Teil der Medizin, alle Kulturen kannten die Blindheit, alle Sprachen hatten dafür einen Begriff. Krankheit oder Unfall waren von Gott gewollt, sie waren Schicksal. Und alle Kulturen kannten bereits Therapien. Doch es fehlt an Aufzeichnungen und einer schriftlichen Weitergabe des Erfahrungswissens an die nächste Generation. Inschriften in Keilschrift, auf Papyrus oder Pergament gibt es nur wenige mit dem Thema Ophthalmologie. Erst durch die Erfindung des Buchdrucks und der einfachen Herstellung von Papier aus Holz wurden Schriften auch über die Augenheilkunde verfasst, verbreitet und an die Nachwelt weitergegeben. Medizinische Journale berichten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts regelmäßig über die Updates der Augenheilkunde.

Ein Jahrhundert nach der Erfindung des Augenspiegels startet in Deutschland die Zeitschrift „Der Augenspiegel“. Sie existiert noch heute. Ziel der Verfasser war es eine weniger eine wissenschaftliche Zeitschrift zu kreieren sondern mehr auf den praktischen tätigen Augenarzt zugeschnittene Alltagsprobleme zu lösen. Das hier abgebildete Titelblatt des ersten Hefts von 1955 definiert die ersten Ziele.

Das Patientengespräch, Spaltlampe, Perimeter, Augenspiegel und eine Hand voll Medikamente, das war der Anbeginn. Der Arzt war noch Mensch, seine Karteikarte mit wenigen Kürzeln beschrieben. Das Durchschnittsalter seiner Patienten betrug keine 60 Jahre.

Die Katarakt wurde liebevoll gepflegt, man ließ sie ausreifen. Mittels Graefeschnitt entband man die eingetrübte Linse. Danach war die Starbrille die einzige Alternative, die Kontaktlinse noch ein Fremdwort. Sie startete erst 10 Jahre später. Das Glaukom kannte nur ein paar Miotika, die brannten teuflisch. Ansonsten blieb nur der operative Eingriff, doch wer kennt heute noch den Elliot, Scheie oder Fronimopoulos?

Der Keratokonus, einst sehr selten, endete vor 60 Jahren meist in der Erblindung. Abstoßungsreaktionen nach Hornhauttransplantationen waren häufig. Keratoplastiken waren in der Ära vor Cortison und Immunsuppression ein mutiges Unterfangen, Augenoperationen für Arzt und Patienten ein heikles Abenteuer. Das Operationsmikroskop war noch nicht erfunden. Der Glaskörper war Terra incognita, Operationen an ihm obsolet und der Laser ein Fremdwort wie aus einer anderen Welt.

Die Schlagzeilen der Vergangenheit sind heute nur noch wenigen erinnerlich: die ersten Berichte über die Lichtkoagulation, den ersten Laser. Die weiche Kontaktlinse, die gerade ihren 50. Geburtstag feierte, die ersten Arbeiten über die elektronische Bildverarbeitung und besonders hervorzuheben die erste deutschsprachige Publikation zum Kontaktlinsenrisiko bei AIDS, auch sie erschien im Augenspiegel.

Ein Highlight waren die ersten Mitteilungen über Piercingschäden am Auge, zahllose Fernsehsender berichteten unter und über der Gürtellinie und zitierten den Augenspiegel. Und längst vergessen ist die erste Arbeit über Viagra und den Augendruck. Die Vermutung, dass Sildenafil den Betablocker am Auge inaktivierte sollte sich später als richtig erweisen.

So hat in sechzig Jahren sich vieles geändert, die Zeitschrift „Der Augenspiegel“ erlebte ihre Metamorphose: aus einem kleinen gelbgrauen Heftchen wurde ein ansprechbares farbenfrohes Magazin. Die frühesten Hefte sind verschollen. Sie und ihr Inhalt sind längst vergessen.

Das erste Heft des „Der Augenspiegel“ ist heute bereits eine bibliophile Rarität, es dürfte sich kaum noch in den Bücherschränken der Kollegen finden. Lediglich in Köln soll in einer Bibliothek noch ein weiteres Exemplar existieren. Dieses hier gehört jedenfalls in die Sammlung „Zur Geschichte von Auge und Sehen“, die nach jahrelanger Suche inzwischen die komplette Ausgabe des Augenspiegels besitzt. Nach über 3 Jahrzehnten der vergeblichen Suche fand sich das Heft mit der Nummer 1 aus dem Jahr 1955 zwischen alten Akten und Krankenblättern versteckt in der Garage einer lieben Kollegin im Ruhestand, es konnte vor dem Recycling gerettet werden.

 

EINE AUGENSALBE

Die Therapie des erkrankten oder verletzten Auges beschäftigt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Verletzungen am Arbeitsplatz waren sicher an der Tagesordnung, die Arbeiten in den Steinbrüchen oder bei der Metallbearbeitung einst nicht ungefährlich. Ulzera nach Fremdkörperverletzungen entzogen sich der Therapie, Perforationen führten zum Verlust des Auges. Schriftliche Überlieferungen zu irgendeiner Behandlung fehlen, das Wissen um das therapeutische Vorgehen ging verloren. Erst seit dem frühen Mittelalter kennt man brauchbare Rezepturen, sie sind meist handschriftliche Unikate. Erst nach Erfindung des Buchdrucks fanden sie eine weite Verbreitung. Eine frühe Broschüre berichtet über die entzündlichen Erkrankungen der Augen und den Gebrauch einer Augensalbe. Sie hat durchaus werbenden Charakter.

Um 1800 wirbt diese Broschüre unter dem Titel „Sichere und kurze Heilart aller Augenentzündungen“ für eine multivalente Augensalbe, die für und gegen alles wirksam sein sollte. Der Verfasser, ein Dr. le Febure, Professor zu Wien, Dresden und München preist ihre Wirksamkeit bei der frisch entstandenen und auch eingewurzelten, der hartnäckigen sowie auch öfters wiederkehrenden Röte des tränenden Auges. Noch, so klagt der Autor, mangeln die Lehrbücher an dieser Materie, noch seien Purgantien und Blasenpflaster übliche Therapeutika in der Augenheilkunde. Jetzt sei es an der Zeit für seine Salbe.

So schildert der Verfasser die Symptome der Konjunktivitis als Blinzeln, Reiben und Jucken der der Augenlider, die Augen triefen. Dabei differenziert er schon zwischen der allgemeinen Rötung der Conjunctivitis simplex und der akut auftretenden wässrigen Chemose bei Allergie. Er kennt bereits die Flechte, den Herpes sowie Bindehaut und Hornhautschäden durch langes in die Sonne schauen und er weiß zu berichten dass selbst psychischer Zorn, was auch immer man darunter verstehen mag, dem Auge schädlich sei.

Er beschreibt die Trübung der Hornhaut, das Pterygium und den Pannus. Beides sei von scrophulöser Ursache, in Ägypten epidemisch. Er kennt den Augenbefall mit Würmern und schildert subtil das Krankheitsbild der Gonoblenorrhoe des Neugeborenen, eine Volkseuche, die 2-3 Tage nach der Geburt erscheine. Die seinerzeit übliche Gabe der Muttermilch ins Auge sei hier untauglich, so protestiert er, aber seine Salbe heile diese Krankheit in wundervoller Weise.

Als zusätzliche Heilmaßnahmen bei Konjunktivitis empfiehlt er Brechmittel, Blutegel, Aderlass, Abführen und das retroaurikulare Blasenpflaster. Fußbäder unterstützen die therapeutischen Maßnahmen, dünne Limonade und Haferschleim seien diätisch wertvoll, doch nichts von alledem reiche an seine Augensalbe, in einer Blechdose mit kleinem Pinsel lieferbar, heran. Ein Verfallsdatum nennt er nicht. Kühl aufbewahrt hält die Salbe angeblich Jahre. Sie sollte wegen der hohen Rückfallquote der Krankheitsbilder immer zur Hand sein. Und wenn sie doch einmal wirkungslos sein sollte, so liege das an der mangelnden Sorgfalt bei ihrer Anwendung.

Bei allem Lob über die Salbe als Wunderheilmittel des französischen Doktors le Febure, in seiner Broschüre fehlen jegliche Angaben über ihre Inhaltsstoffe. Die Zusammensetzung bleibt daher rätselhaft wäre doch eine solche multivalent wirksame Augensalbe ganz im Sinne heutiger Sozialsysteme.

Solche medizinischen Texte tauchen zumeist als Einblattdrucke oder kleine Broschüren immer wieder einmal auf dem Markt auf. Ihr Preis richtet sich nach Alter und Erhaltungszustand, bekannte Verfasser bringen Spitzenpreise. Diese Schrift wurde in einem Antiquariat in Pforzheim entdeckt und für einen recht beträchtlichen Preis erworben.

Im Jahr 1800, der Preis ist noch auf der Titelseite verzeichnet, kostete diese Broschüre 24 Kreuzer, das wären heute 30 Cent. Erhältlich war die darin hochgelobte Büchse der wundervollen Salbe in vielen Städten Europas, aber nicht beim Arzt oder Apotheker. Ihr Vertrieb lief nur über privat, die Adressen sind auf der Rückseite des Heftchens aufgelistet. Erhältlich war die Salbe so zum Beispiel in Wien bei der verwitweten Oberkommisärin von Seelmann, Strozzischer Grund Nr. 49, erster Stock, bei Johann Nepomuk klingeln.

 

DIE SPALTLAMPE

Ein erkranktes oder verletztes Auge zu untersuchen, einen Fremdkörper im Auge aufzuspüren oder einen grauen Star auszuschließen, das gelang in der Zeit vor der Herstellung der ersten Vergrößerungsgläser kaum. Man war auf gutes Glück angewiesen um z.B. einen Splitter auf der Hornhaut oder Bindehaut zu entdecken oder gar zu entfernen. Allein der kurzsichtige Untersucher war hier im Vorteil, nur er konnte selbst im hohen Alter das Auge seines Patienten ohne Sehhilfe aus nächster Nähe betrachten. Erst Konstruktion eines brauchbaren Augenmikroskops durch den Schweden Gullstrand brachte Anfang des 20. Jahrhunderts den Durchbruch in der Diagnostik der vorderen Augenabschnitte.

Sicherlich war es in den Zeiten vor dem Augenspiegel und der Spaltlampe in Unkenntnis der Ätiologie schwierig die Ursache einer Bindehautentzündung oder die Folgen einer Verletzung zu erkennen. Unterscheidungen zwischen Bakterien oder Pilzen als Ursache einer Infektion waren ohne Mikroskop ohnehin nicht möglich. Augenverletzungen bei der Anfertigung von steinzeitlichen Werkzeugen waren sicherlich an der Tagesordnung, die Arbeit in den Steinbrüchen beim Pyramidenbau nicht ungefährlich. Wie man bei solchen Unfällen damals vorging, ist uns nicht bekannt. Die Zahl der Erblindungen war sicher hoch.

Erst das Vergrößerungsglas erlaubte eine weitergehende Diagnostik. Grundbedingung dafür war jedoch eine gute Beleuchtung. Untersuchten Helmholtz und von Graefe noch mit Kerzenlicht und Lupe war es wenige Jahre später das Gaslicht, das auf Grund seiner wesentlich höheren Leuchtdichte jetzt höhere Vergrößerungen erlaubte. Die Revolution jedoch kam mit der Erfindung der elektrischen Glühbirne, die anfänglich noch überdimensioniert jetzt das Auge optimal ausleuchteten konnte.

Schon Helmholtz erkannte Mitte des 18. Jahrhunderts dass ein im Spalt gebündeltes Licht am besten die reflexfreie Untersuchung der vorderen Augenabschnitte ermöglichte. Dies animierte Gullstrand zu seiner Spaltleuchte. Seine Ingenieurkunst ließ den Spalt bald in Höhe und Breite beliebig modifizieren. Ein optisches Linsensystem bündelte die Lichtstrahlen, Sperrfilter erlaubten die Untersuchung im rotfreien Licht oder ermöglichten die Betrachtung des Auges nach Anfärben mit Fluoreszein im Licht des Kobaltfilters.

Die hier gezeigte Spaltlampe der Firma Heine in Herrsching bei München stammt aus der Zeit ihrer Firmengründung, also kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Im Gegensatz zu den früheren Augenmikroskopen waren jetzt die Beleuchtungseinrichtung, Patientenfixation mittels Kopfstütze sowie das Hornhautmikroskop nicht mehr voneinander getrennt aufgestellt sondern zusammen an einer zentralen Säule frei beweglich montiert. Ein Prinzip, das sich letztlich bis heute bewährt hat.

Diese Spaltlampe trägt die Bezeichnung „Bino-Jrimeter“ und hat die Herstellernummer 2194. Die Vergrößerung beträgt das 8-fache, der Name des Modells zeigt, dass dieses Gerät damals primär dem Heilpraktiker zur Irisdiagnose angeboten wurde.

Heute sind Spaltlampen Hochleistungsgeräte der Augenoptik. Eine variierbare elektrische Ausleuchtung mit Leuchtdioden, verschiedenste Vergrößerungen zoombar mit Zusatzoptiken für Pachymetrie, Endothel- und Fundusuntersuchungen sind moderner Standard. Das Auge des Untersuchers ist längst durch digitale Video und Fotodokumentation ergänzt. Die mechanische Steuerung haben computergesteuerte Linearmotoren übernommen.

Historische Spaltlampen kommen nur ab und zu einmal auf den Markt, mancher älterer Kollege nutzt sie noch gerne als unverwüstliches Ersatzgerät. Die alten elektrischen Birnen haben leider nur eine begrenzte Haltbarkeit, ein Ersatz für sie wird immer schwieriger, ohne sie wird die alte Spaltlampe dann irgendwann zum Museumsstück.

Diese Spaltlampe stammt aus dem Nachlass eines Kollegen, der sie der Sammlung schenkte. Ihre Mechanik war defekt und wurde inzwischen in der Werkstatt des Instituts restauriert. Sie ist wieder voll funktionsfähig. Es ist faszinierend mit ihr am Patienten zu arbeiten und zu sehen, wie präzise schon vor 70 Jahren das Auge mit diesen Geräten untersucht werden konnte.

 

DIE SEHHILFE IN DER ILLUSTRATION

Die Zeiten wo nur der betuchte Ratsherr, Theologe oder Kaufmann sich eine Brille leisten konnten, reichten bis hin zum Beginn der französischen Revolution, nur selten aber findet man sie auf ihren Portraits mit den korrigierenden Gläsern. Das Brillentragen geschah da noch nicht öffentlich. Erst mit dem Niedergang des Adels und dem Aufstieg des Bürgertums im Biedermeier wird die Brille zum Allgemeingut für jedermann, letztendlich sogar auch für die Frau. Sehhilfen, wie auch immer sie gestaltet waren, galten dabei in weiblicher Hand anfangs mehr als ein Modeaccessoire denn als ein optisches Hilfsmittel. Sie finden jetzt ihren Eingang in die Welt der Mode und damit auch in die einschlägigen Modejournale. In Gestalt der Lorgnette beginnt die Sehhilfe die Gesichter der feinen Damen in den Illustrierten und Magazinen von damals zu stylen.

Die ersten Abbildungen der modebewussten Dame mit Brille finden sich als Holzschnitte oder Lithographien in den Modejournalen des beginnenden 18. Jahrhunderts. Die Darstellungen waren meist noch farblos, es sei denn, sie wurden mühsam mit der Hand nachkoloriert. Erst moderne Verfahren wie der Vierfarbdruck erlauben heute den Abdruck in bunten Farben.

So findet sich mit Ende der napoleonischen Ära in den ersten frühen Modezeitungen des Biedermeiers nicht nur das aufwendig gestylte Kostüm, aufgeplustert und mit zerbrechlicher Taille, sondern man druckt jetzt auch erstmals Darstellungen von Köpfen und Gesichtern, die durch eine Brille betont werden. Typisch hierfür ist die hier abgebildete Illustration, sie zeigt die Lorgnette als Teil des modischen Outfits. Interessant ist dabei, dass selbst in den revolutionären Pariser Journalen der Mann vorerst nur ein Modemuffel bleibt. Sein Portrait, mit Zwicker oder Monokel versehen, bleibt in den Druckerzeugnissen dieser Zeit erst einmal eine Ausnahme.

Die hier gezeugte Abbildung einer Dame mit Lorgnette stammt aus einem Journal für die Frau. Diese junge Dame mit dem frechen Pariser Frühlingshut lächelt ihr Gegenüber an. Sie blickt dabei über ihre Lorgnette, deren Gläserstärke für den Betrachter auch nicht annähernd abschätzbar ist. Entweder sind es Plangläser oder aber sie ist schlicht kurzsichtig, da sie ihr Gegenüber fixiert ohne dabei durch die Gläser zu blicken. Ihr Lächeln ohne die Sehhilfe hätte allerdings den Charakter des sinnreichen Bildes zerstört.

In diesen Jahrzehnten war die Lorgnette die einzige Sehhilfe die man der modebewussten Frau zugestand. Das Monokel war dem Offizier, der Zwicker dem Kaufmann oder Lehrer zugeordnet. Da die Lorgnette zum ständigen Tragen nicht geeignet war, war sie nur für kurze Blickgefechte von Nutzen. Sonst blieb sie in einem meist kunstvoll verzierten Etui vor Kratzern geschützt. Beim Ball oder Opernbesuch trug man sie, mit einem Kettchen gesichert, alternativ versteckt im Busen, damals noch gestützt vom Korsett. Als dieses dann fiel, fiel auch die Lorgnette. Schrittweise verlor sie ihren Stiel, die klassische Brille mit Ohrenbügel setzte sich vor gerade mal einem Jahrhundert dann auch bei der Weiblichkeit endgültig durch.

Diese Graphik gehört zu einer originellen Serie über das „bedeckte Auge“ und wurde vor einigen Jahren in einem Hamburger Antiquariat teuer erworben. Die Illustration mit dem begleitenden Text stammt aus einem Modejournal. Man zeigt hier die Lorgnette, die auch Stielbrille genannt wird, weniger als Sehhilfe sondern eher als ein modisches Accessoire. Wann und wo diese originelle Graphik gedruckt wurde ließ sich bisher noch nicht herausfinden, da nur die einzelne Seite, nicht die vollständige Zeitschrift zum Verkauf angeboten wurde.

Auf Grund des Designs der Lorgnette, gekennzeichnet durch den dünnen hexagonalen Rahmen und kurzen Griff, lässt sich aber ihre Entstehungszeit zwischen um 1860 bis 1890 vermuten.

 

DAS AUGE UND AUF DER BRIEFMARKE

Designer haben es längst erkannt, dass das Auge, wo auch immer es dargestellt ist, eine besondere Faszination auf den Betrachter ausstrahlt. Dies gilt selbst dann, wenn es von einer Sehhilfe umrahmt wird. Das Auge ist daher in der Kunst und Kultur ein häufig verwendetes Motiv, es findet sich heute auf allen gebräuchlichen Dingen des Alltags. Ein Betrachter, der ein Auge erblickt, fühlt sich beobachtet, es wird ihn warnen und mahnen. Diese Ausstrahlung macht sich vor allem die Werbung zu Nutze um den Blick des Kunden einzufangen. Das ist nicht neu. So findet sich das Auge mit und ohne und Brille bereits seit dem 15. Jahrhundert auf Bildern, in Grafiken, auf Münzen, später auf Geldscheinen und wie hier abgebildet sogar auf Briefmarken.

Während sich das Auge in all seinen Variationen auf zahllosen Dingen des täglichen Lebens wieder findet, ist es auf Briefmarken eher eine Seltenheit. Auf den ältesten Briefmarken, sie stammen aus der ersten Hälfte des vorletzten Jahrhunderts war es bestenfalls üblich den Kaiser, König oder sonstige regierende Köpfe mit ihren Insignien auf der Marke darzustellen. Wenn der Landesherr eine Sehhilfe benötigte, dann wurde das den Untertanen verschwiegen. Kaiserin Viktoria mit Brille auf einer Briefmarke, das wäre kaum vorstellbar gewesen. Erst Roosevelt und Gandhi ließen sich mit ihren Sehhilfen auf Briefmarken abbilden. Heutzutage wird die Brille bewusst auf Wahlplakaten zur Betonung der eigenen Intelligenz eingesetzt. Ob der Wähler dies auch so interpretiert bleibt offen.

Das Auge, sei es mit und ohne Sehhilfe findet sich also auch auf der Briefmarke. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Auge des Horus. Im alten Ägypten kam dem Horusauge eine besondere magische Bedeutung zu. Als Udlat oder Udzat symbolisierte es die göttliche Ausstrahlung, als Hieroglyphe geschrieben Licht und Sehen, als Amulett diente es damals wie heute gegen den bösen Bick. Horus war der Sohn von Isis und Osiris, war der Weltgott, er war bekannt für den scharfen Blick eines Falken. Im Kampf gegen Seth, den Gott der Dunkelheit, verlor er ein Auge.

Lange stritten die Archäologen ernsthaft, ob das hier gezeigte Horusauge nun ein rechtes oder gar ein linkes Auge sei. Die Schreibweise altägyptischer Texte im Wechsel von rechts nach links und links nach rechts beweist aber ohne jeden Zweifel: bei dem Auge auf der Briefmarke handelt es sich um ein rechtes.

Diese Briefmarken, ein Satz von insgesamt drei Paaren mit den Werten von 5, 15 und 20 Milliemen wurde anlässlich des 15. Weltkongresses der Ophthalmologen in Kairo im September 1937 unter König Farouk I herausgegeben. Die Marken sind nicht nur eine Reminiszenz an die internationale Augenheilkunde sondern erinnern zugleich an die berühmteste Darstellung eines Auges in der Antike. Aber es ist nicht nur die Mythologie, die sich in den Marken wiederspiegelt sondern auch das Wissen ,dass die Ägypter die Ersten waren, welche die Bedeutung des Auges erkannten, seine Krankheiten registrierten, ätiologische Faktoren erkannten und eine Therapie gegen die häufigen Augenentzündungen im Land entwickelten.

Erworben wurden die sechs Marken zu einem fairen Preis in einem Fachgeschäft für Philatelie in Wien. Es ist sicher reizvoll speziell Briefmarken mit dem Motiv Auge und Brille zu sammeln. Auch Portraits mit Sehhilfen gibt es inzwischen immer häufiger auf Briefmarken, doch nur selten wurde einmal ein berühmter Augenarzt, wie seinerzeit Albert von Graefe, mit einer Sondermarke geehrt.

 

DIE BRILLE DES SOLDATEN

Gutes Sehen war zu allen Zeiten Grundbedingung für Lebensqualität, es war eine Lebensversicherung. Dies galt in ganz besonderem Maße für den Soldaten. Ein Weitsichtiger war ohne Brille vielleicht gerade noch als Bogenschütze tauglich, dem Kurzsichtigen blieb bestenfalls der Nahkampf. Schon in den Heeren der Antike versuchte man daher den Sehbehinderten vom Kriegsdienst auszuschließen, war doch ein Kurzsichtiger ohne Sehhilfe so gut wie blind und gefährdete sich auf dem Schlachtfeld. Ausnahmen gab es nur für den Ruderer auf den Galeeren. Der war, selbst wenn hochgradig sehbehindert, für den Krieg noch brauchbar. Auch nach Erfindung der Brille im 12. Jahrhundert änderte sich daran kaum etwas, Brillen waren auf dem Schlachtfeld unbekannt, Sehhilfen für Soldaten gab es erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Allerdings wären auch die Brillen des ausgehenden Mittelalters beim ritterlichen Einsatz eher hinderlich gewesen. Selbst mit Verbesserung der Optik und Konstruktion von besser sitzenden Gestellen änderte sich daran nichts, das Brillentragen auf dem Kriegsschauplatz blieb weiter obsolet, obwohl es manchem kurzsichtigen Soldaten die Verwechslung von Freund und Feind hätte ersparen können. Doch selbst Napoleon war myop und konnte so dem Aufmarsch seiner Truppen nicht folgen. Man sagt, er habe sich mit einer Scherenbrille oder einem Fernrohrs beholfen. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren allerdings die gegnerischen Truppen auf Grund des unterschiedlichen Farbenspiels ihrer Uniformen leicht von den eigenen Leuten zu unterscheiden, nur der Farbenblinde kam da ab und zu ins Hintertreffen.

Nach der Einführung einer einheitlichen Uniform in Tarnfarbe mit Beginn des ersten Weltkrieges wurde die Differenzierung von Freund und Feind schwieriger. Der fehlsichtige Soldat bedurfte nun ständig einer Brille und er bekam sie auch. Schon im Rahmen der Musterung wurde jetzt jeder auf sein Sehvermögen hin überprüft und bei Bedarf mit einer Dienstbrille ausgestattet. Während bei der Kavallerie die Sehschwäche des Reiters das Pferd notfalls noch selber kompensieren konnte, galt dies für die motorisierte Truppe nicht. Fehlsichtige Flieger und Kradfahrer waren dringend auf die Brille angewiesen. Auch die Schutzbrille wurde zur Pflicht.

Allerdings funktionierte das mit den herkömmlichen Gestellen vor allem unter der Gasmaske nicht mehr. Zwicker und Monokel verloren ihren Halt, die klassischen Dienstbrillen mit ihren Bügeln störten. Es mussten also feldtaugliche Sehhilfen konstruiert werden.

Die wichtigste Voraussetzung für die Konstruktion einer Gasmaskenbrille war ein allwettertaugliches Metall, die Gläser mussten einfach zu ersetzen sein. Ein graues Band, am Hinterkopf zu knüpfen, fixierte das Ganze vor dem Auge. Zum Schutz vor Bruch wurde die Brille in einer Blechbüchse ausgeliefert, ein Ersatzband gehörte mit zur Grundausrüstung. Im Einheitsgrau gehalten und mit der genormten Aufschrift „Maskenbrille“ bedruckt zeigte auch dieser Brillenaufbewahrungsbehälter unverwechselbar die deutsche Gründlichkeit. In der beigefügten Dienstanweisung findet sich der Hinweis, dass eine Militärbrille an allen Abschnitten der Front auch während des Schlafs nicht abzusetzen sei.

Die hier gezeigte Maskenbrille und ihr Behälter stammen aus dem zweiten Weltkrieg, sie waren Standard in der Deutschen Wehrmacht. Sie gehörten einem Soldaten namens Erwin Müller, der eingeklebte Zettel gibt Hinweis auf den Besitzer, Dienstgrad und die Brillenstärke. Über sein Schicksal wissen wir nicht viel, er fiel angeblich erst 18-jährig als Panzerschütze in der Ardennen-Offensive. Ein Kamerad nahm die Brille als Erinnerung an sich und schenkte sie jetzt der Sammlung. Was bei der ersten Betrachtung dieser Dienstbille schon auffällt ist die Gläserstärke, es sind – 9.5 Dioptrien auf beiden Augen, der Besitzer hatte demnach eine hochgradige Kurzsichtigkeit. Heute wäre er deswegen als nicht tauglich ausgemustert worden.

 

DER SEHTEST

Schon früh erkannte der Mensch, dass Natur und Umwelt hohe Anforderungen an das Auge stellen. Eine sichere Orientierung in unbekanntem Gelände und das Aufspüren der Jagdbeute müssen für den Fehlsichtigen vor Erfindung der Brille schwierig gewesen sein. Das verzögerte Erkennen von Gefahren entschied über Leben und Tod. Kurzsichtige dürften rasch ihre Fähigkeit beim Sammeln von Beeren und Früchten bemerkt, Weitsichtige ihre Zielsicherheit bei der nächtlichen Jagd erkannt haben. Die Evolution ließ bis zu einem gewissen Maße beide Formen der Fehlsichtigkeit zu. eines Brechungsfehlers zu. Nur im Stamm war das Überleben von kurzsichtigen und weitsichtigen Menschen garantiert. Ob bzw. wie man zu Urzeiten die Sehschärfe prüfte bleibt uns unbekannt, Sehtests sind nicht überliefert, sie hätten aber durchaus ihren Sinn gehabt.

Allein in der ägyptischen Sage findet sich ein Hinweis auf einen Sehtest: Horus wird gefragt, ob er auf seinem verletzten Auge noch einen schwarzen Strich oder nicht einmal ein schwarzes Schwein erkennen könne. Er kann beides nicht. Irgendwelche Sehtests muss es also gegeben haben. Schließlich darf man davon schon ausgehen, dass ein Reeder sein Schiff kaum einem fehlsichtigen Kapitän anvertraut hätte. So soll das Reiterlein, der zweite Achsenstern am großen Wagen einst als Sehtest gedient haben: wer bei Blick am nächtlichen Himmel statt des Doppelsterns nur einen sah, der war untauglich. Simulation und Dissimulation dürfte dabei an der Tagesordnung gewesen sein.

Die die notwendigen Stärken der ersten Brillen bestimmte man wohl durch Leseproben mit bekannten Texten. Der der fliegende Händler zog mit seinen Lesebrillen im Bauchladen von Haus zu Haus, die Bibel, oft das einzige Buch in der Familie, war gut geeignet sich die passende Altersbrille auszusuchen, sofern die Katarakt nicht schon zugeschlagen hatte. Auf dem Jahrmarkt, so lassen die Bilderund Grafiken zum Brillenhandel erkennen, testete man die Sicht an Hand von Texten aus Einblattdrucken oder den ersten Tageszeitungen. Es galt zu

 

prüfen, ob und welches der angebotenen Gläser zum Lesen am ehesten von Nutzen war. Mit Fernbrillen und ihren Minusgläsern ging das nicht, hier dienten bestenfalls die Ziffern der Kirchturmuhren als Testbild.

Mit der Gründung augenärztlicher Gesellschaften, mit dem Austausch von medizinischen Daten und nicht zuletzt zur wissenschaftlich fassbaren Aussage eines Behandlungserfolges wurde es nötig, vergleichbare Sehtests eines allgemeinen Standards zu haben. Jäger, Nieden und Birkhäuser haben in ihren ersten Sehproben darauf Rücksicht genommen ihre Tafeln haben noch heute Gültigkeit.

Diese historischen Sehtests haben sich im Grundprinzip bis heute erhalten. Größe und Abstand von Zahlen oder der Schriftzeichen sind definiert. Die E- Haken mit vier und noch sicherer der Landoltring mit seinen acht möglichen Stellungen erlaubten eine reproduzierbare Prüfung von Sehleistung und Sehschärfe. Die Ergebnisse, im Dezimalsystem oder als Bruch geschrieben, wurden weltweit Standard.

Besonders liebevoll waren einst die Sehproben für Kinder gestaltet. Sie passten ins Amblyoskop oder den Stereobetrachter. Die hier gezeigten Kinderbilder von Sattler zur Bestimmung von Fusion und Amblyopie sind heute kaum mehr in Gebrauch. Welches Kind kennt im Zeitalter des Star Treks noch den Soldaten, der in sein Wachhäuschen geht, oder den Dampfer mit seiner schwarzen Rauchfahne. Lediglich der Polizist der den Falschparker kontrolliert, wird auch heute noch spontan erkannt.

Die hier gezeigten Testbilder aus der Kinderophthalmologie und Strabologie stammen aus einer Praxisauflösung in Mainz, angeblich waren sie noch vom Großvater der Kollegin benutzt worden. Herausgeber war der Enke Stuttgart. Es gab in mehreren Auflagen eine lustige Serie mit jeweils 50 Bildern in verschiedenen Versionen. Liebevoll gestaltet täuschen sie uns die intakte Welt der Vorkriegsjahre vor.

 

DAS MIKROSKOP

Das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges ist begrenzt, für den Normalsichtigen endet es mit wenigen Bruchteilen eines Millimeters auf Grund des natürlichen Limits der Sehleistung. Nur der Kurzsichtige kann dies noch in einem geringen Maße überbieten, kleine Dinge bleiben ohne vergrößernde Sehhilfe für den Menschen unsichtbar. Nun dürfte der Mikrokosmos aber auch im Gegensatz zum Makrokosmos in der Geschichte der Menschheit kaum eine Rolle gespielt haben. Der Blick ins Weltall war für Kalender, Wetter und das Horoskop weitaus wichtiger.

Trotzdem machten sich bereits griechische Philosophen Gedanken darüber, was denn letztendlich das Kleinste in der Natur sei und ob dieses dann wirklich auch unteilbar wäre. Diese Frage konnte erst nach der Entdeckung der brechenden Eigenschaften sphärisch geschliffener Gläser und ihrer geschickten Kombination in Form des Mikroskops zumindest ansatzweise gelöst werden. Der Blick in den Mikrokosmos gelang erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts, quasi über Nacht öffnete sich eine neue Welt. Lebendige Tierchen, so beschrieb der Konstrukteur eines der frühesten brauchbaren Mikroskope, Antoni van Leeuwenhoek, seine ersten Eindrücke mit dem von ihm konstruierten Gerät. Der Blick in einen Wassertropfen zeigte Amöben und Pantoffeltierchen. Dies bewies, auch der Mikrokosmos war voller Leben. Von da an eroberte das Mikroskop die Studierstuben von Biologen und Medizinern, nahezu täglich gab es neue Erkenntnisse, man entdeckte die Zelle als Ursprung des Lebens.

Man erkannte das Wunder der Befruchtung, Ei- und Samenzelle von Mensch und Tier wurden sichtbar. Was zuvor noch als Miasma bezeichnet wurde, erwies sich nun als Ansammlung krankmachender Keime wie Bakterien und Pilze, mit bloßem Auge unsichtbar. Erneut musste, wie schon bei der Erfindung des Teleskops, auch die Kirche mit ihrer Lehre zurückstecken: postulierte einst Thomas von Aquin, dass der Floh über acht Beine verfüge, so blieben ihm nunmehr nur noch sechs, was turbulente Glaubenskämpfe auslöste.

Eine immer bessere Abbildungsqualität und die Vermeidung von farbigen Randsäumen durch achromatische Optiken erschlossen immer feinere Details. Ernst Abbe erkannte, dass die Wellenlänge des sichtbaren Lichtes den Vergrößerungsfaktoren letztendlich eine Grenze setzte und errechnete leistungsfähigere Optiken.

Die ersten Mikroskope hatten nur eine einzige hochbrechende Linse in einer grob gearbeiteten Metallfassung, doch schon bald bestanden sie aus liebevoll verzierten Pappröhren, wie das Nürnberger „Pfefferfass“ oder seine italienischen Folgemodelle, die bereits über zwei und mehr Linsen verfügten.

Auch in der Medizin gehörte das Mikroskop bald zum Allgemeingut des Arztes. Man entdeckte die roten und weißen Blutkörperchen, man lernte sie zu differenzieren. Subtile Färbemethoden ließen auch die sonst unsichtbaren Keime wie die z.B. Tuberkelbazillen sichtbar werden, eine Revolution in der Erkennung von Krankheitsursachen begann, neue Therapien wurden entwickelt.

Das hier abgebildete Mikroskop stammt aus dem Jahr 1747, es wurde in London von der Firma Mann & Ayscough hergestellt und war für den Gebrauch auf Reisen gedacht. Ein Kästchen aus poliertem Buchenholz diente als Transportbehälter und gleichzeitig als standsichere Unterlage. Im Inneren waren die zerlegbaren Teile von Ständer, Okular und Objektiv bruchsicher untergebracht. Das Gerät ist trotz seines hohen Alters mechanisch wie optisch noch voll funktionstüchtig, seine Vergrößerung reicht bis zum 200-fachen. Über seine Besitzer ist nichts bekannt, über die mit Hilfe dieses wundervoll gearbeiteten Instruments gemachten Entdeckungen ist uns nichts überliefert.

Dieses wertvolle Sammlerstück wurde in Londons berühmtester Einkaufsstraße, der Old Bond Street, bei einem international bekannten Händler für historische Optiken erworben. Der beträchtliche Kaufpreis entsprach dem Erhaltungszustand, der Seltenheit und natürlich der Provenienz des Objekts.

 

DER BLINDE IN DER KUNST

Die Blindheit als Folge einer Krankheit oder eines Unfalls hatte zu allen Zeiten einen besonderen Stellenwert. Ohne Sehvermögen waren Mensch wie Tier verloren. Nahrungssuche und Orientierung waren ausgeschlossen, Gefahren nicht erkennbar. Nur ein intaktes Sozialverhalten der Gesellschaft ermöglichte einem Blinden das Überleben.

Interessant sind daher auch die Darstellungen der Blindheit in der Kunst. Die Bildhauer des alten Griechenlands nehmen als Erste in ihren bekannten Plastiken z.B. von Homer als blindem Dichter auf eine Sehbehinderung besondere Rücksicht. Doch es dauerte noch über zwei Jahrtausende, bevor auch die Malerei zur Zeit der Renaissance die Blindheit als künstlerisches Motiv entdeckte. Vor allem flämische Künstler wie Frans Hals oder Rembrandt van Rhijn machten den blinden Menschen zum Mittelpunkt ihrer Gemälde und Zeichnungen.

 

Dabei ist vor allem von Rembrandt bekannt, dass er in seinen kleinen Radierungen gerne auf den behinderte Menschen einging, auch der Bettler war ein immer wiederkehrendes Motiv seiner Graphiken. Der Künstler verstand es mit wenigen Strichen in der Kupferplatte meisterhaft darzustellen wie eine körperliche Behinderung, gleich welcher Art das Erscheinungsbild eines Menschen prägte. Dies gilt auch für diese Grafik aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Der behinderte Bettler hat die für Rembrandt typische nach vorne gebeugte Haltung des alten oder kranken Menschen. Ihr Titel lautet „Der blinde Fiedler“ und trägt im Werksverzeichnis die Nummer 138. Sie ist gerade mal 6×8 cm groß, und dennoch von besonderer sozialkritischer Ausdruckskraft.

Man erkennt einen ärmlich gekleideten Menschen im heruntergekommenen Outfit. In der rechten Hand hält er eine Geige. Die hohe Fellmütze ist Zeichen des holländischen Bürgers der Zeit. An der locker durchhängenden Leine läuft ihm ein kleiner Vierbeiner voraus, ihm schlurft der Fiedler in seinen zu großen Schlappen hinterher. Das Hündchen entspricht in seiner Haltung kaum der Vorstellung eines heutigen Blindenhundes. Es ist eine freie Schöpfung des Künstlers, einer bestimmten Rasse kaum zuzuordnen. Im Gegensatz zum Fiedler läuft er fröhlich mit heraushängender Zunge und dem Schwanz wedelnd voraus und steht so im Kontrast zur gebeugten Haltung seines Besitzers.

Interessant ist dabei die Darstellung der Blindheit. Das Auge des blinden Fiedlers wird nur durch einen dicken schwarzen Fleck gekennzeichnet und erscheint dadurch funktionslos, aber das ist gerade das karikative an dem kleinen Bild: auch das Auge des Hundes ist nur als ein schwarzer Fleck definiert.

Betrachtet man Rembrandts Werk einmalsozialkritisch, so fällt auf, dass er in seinen prächtigen Ölgemälden fast ausschließlich den Menschen im Reichtum und Wohlstand festhält, man denke nur an die Nachtwache oder seine zahlreichen Portraits wohlhabender Handelsleute. In seinen dagegen eher bescheidenen anmutenden kleinen schwarz-weißen Radierungen gibt er meist nur den einfachen Menschen auf der Straße wieder, er zeigt sie in Armut, Alter und vor allem mit ihrer Behinderung.

Diese treffende Grafik entstand zu einer Zeit wo der Kontrast zwischen Arm und Reich in der alten Welt kaum grösser sein konnte. Während sich der Kaufmann an den Gewinnen aus dem fernöstlichen Gewürzhandel bereicherte entfiel das soziale Netz für alle diejenigen, die auf diesen Reisen erkrankten. Die Zahl der Erblindungen durch Unfälle und aus Fernost eingeschleppte Krankheiten war hoch. Für den, der invalide zurückkehrte entfiel jede Hilfe, zusätzlich überschwemmten die Überlebenden Dreißigjährigen Krieges das Land und ließen das soziale Spannungsfeld eskalieren.

Diese kleine Radierung wird in das Jahr 1631 datiert und stammt aus der Hand des Künstlers, in einigen der hiervon bekannten Versionen ist sein Namenszug am unteren Rand vermerkt. Dieser Abdruck stammt aus einem privaten Nachlass und wurde bei einem renommierten Auktionator ersteigert. Der Zuschlag erfolgte, wie es für solche Originalgrafiken von Rembrandt üblich ist, für eine dreistellige Summe.

 

DER AUGENABGUSS

Die Kontaktlinsen der ersten Jahre dienten allein dazu eine Erblindung durch den Keratokonus, einst als Staphylom bezeichnet, aufzuhalten. Durch eine vorsichtige Kompression des Hornhautzentrums mittels einer Sklerallinse oder – schale hoffte man die Aufsteilung der Kegelspitze zu blockieren. Dazu war es notwendig die vorderen Augenabschnitte als Vorlage für die Innenkontur der Linse möglichst exakt abzuformen. Der meist hochgradige irreguläre Astigmatismus war jedoch in diesen Jahren messtechnisch nicht zu erfassen, das Pröbeln mit vorgefertigten Linsen aus Glas verschiedener Innenkurven misslang zumeist. Die Folge war ein unbefriedigendes Sitzverhalten, war es doch nötig die verkrümmte Hornhautvorderfläche möglichst in allen ihren Abschnitten gleichzeitig mit einem sanften Druck zurückzudrängen.

Die ersten Linsen aus der Zeit um 1880 waren alle noch aus Glas. Sie waren mühsam zu schleifen, sie waren zerbrechlich. Ihre mangelhafte Gasdurchlässigkeit und Benetzbarkeit ließ das Tragen auf Dauer scheitern. Erst nach der Synthese von Polymethylmethacrylat, bekannt als Plexiglas im Jahr 1928 lag der Gedanke nahe, diesen Kunststoff statt Glas zur Herstellung von Kontaktlinsen einzusetzen. Wöhlk brachte Sklerallinsen aus Plexiglas auf den Markt, Tuohy entwickelte schließlich aus dem Material die kleinere und besser verträgliche Korneallinse. Doch auch bei diesem Werkstoff gelang es nicht durch Schleifen oder polieren der Innenfläche für alle Abschnitte der Hornhaut kongruente Zonen einzuarbeiten. Schließlich war beim Keratokonus die Hornhautvorderfläche unregelmäßig verkrümmt, das gleiche galt für den Zustand des Auges nach einer perforierenden Verletzung oder Hornhauttransplantation. Die Eigenschaft des thermoplastischen Materials sich unter Hitzeeinfluß beliebig formen zu lassen erlaubte ein neues Herstellverfahren, man konnte jetzt die Kontaktlinse nach einem Augenabguss fertigen. Da sich der Kunststoff natürlich nicht direkt von der lebenden Hornhaut abformen ließ, musste als erstes ein brauchbarer Abguss der vorderen Augenabschnitte hergestellt werden.

Nach Oberflächenanästhesie wurde frisch angerührter Gips in einem Förmchen ähnlich dem heutigen Augenspülglas auf das Auge gesetzt und gewartet, bis er ausgehärtet war. Viel Geduld seitens des Patienten, die Unterdrückung aller Augenbewegungen und eine ruhige Hand des Arztes waren die Grundbedingung für den gelungenen Abdruck. Dies änderte sich auch nicht, als verträglichere Kollagene aus der Zahnheilkunde den Gips verdrängten. Auf Grund der besonderen Eigenschaft des Abgussmaterials am Hornhautepithel festzukleben, blieb die Prozedur dem Kontaktlinsenkandidaten sicher noch lange in schmerzhafter Erinnerung.

Von diesem Abguss wurde nun ein Gegenabdruck gemacht und hatte so eine quasi naturgetreue Kopie der vorderen Augenabschnitte. Diese konnte jetzt an ihrer Oberfläche mit einem Metall überzogen oder einem Messingkern versehen werden. Dieser war besser als der Gips nachzuschleifen und zu polieren und war immer wieder als Ausgangsform neue Kontaktlinsen verwendbar.

Über dieser Form wurde dann nach Erhitzen ein Scheibchen aus Plexiglas zu einer Linse gepresst. Nach Abkühlung musste nur noch die optische Zone in die Außenfläche eingearbeitet und der Durchmesser auf passende Größe gebracht werden.

Solche Gipsformen als Vorlage für die Herstellung individueller gefertigter Kontaktlinsen sind heute nur noch in wenigen Museen zu finden. Diese beiden Abgüsse wurden aus dem Nachlass von Tuohy erworben, man bot sie dem Nationalmuseum in Washington an, das aber vor fünfzig Jahren kein Interesse an der Kontaktlinse zeigte. Sie wurden daher schon damals für die Ulmer Sammlung erstanden und dürften heute zu den großen Raritäten in der Geschichte der Kontaktoptik gehören.

Die Blöckchen lassen noch die Markierungen der Achsenlage erkennen, die Oberfläche des Metallkerns ist oxidiert und lässt keine Feinheit der Strukturen mehr erkennen. Mittels Ultraschall lässt sich aber noch für beide Abgüsse ein Hornhautradius von 7.2 bis 7.3 mm und ein Hornhautdurchmesser von vertikal 10.9 mm bzw. horizontal von 12.0 mm errechnen. Mehr ist nicht mehr darstellbar.

Die Mitteilung beim Erwerb, diese beiden Abgüsse stammten von Marilyn Morose Augen, beschäftigt inzwischen die Medizinhistoriker. Dies ist bislang weder auszuschließen noch beweisbar. Wessen Auge aber auch immer hier im Abguss erscheint: er war sicherlich myop, er bedurfte der Kontaktlinse.

 

DIE LATERNA MAGICA

Die Welt zu sehen und das Geschehene für spätere Generationen im Bild festzuhalten war bereits in der Urgeschichte der Menschheit ein eigenes Thema, Schon in den steinzeitlichen Höhlen finden die Archäologen Abbildungen der damaligen Welt. Eine Weitergabe der Darstellungen, ihre Speicherung auf einem Medium oder gar die Wiedergabe an anderer Stelle waren unmöglich. Dies änderte sich erst mit der Erfindung der Camera obscura, deren optischen Eigenschaften im Rahmen früher Experimente zur Ausbreitung und Brechung von Licht in arabischen Kreisen entdeckt wurde.

Sie bestand aus einem geschlossen Kasten an dessen Frontseite sich im Zentrum ein kleines Loch befand. An der rückseitigen Innenwand erschien dann die Außenwelt wie sie vor der Kiste bestand, nur seitenverkehrt und auf dem Kopf stehend. Das Bild tauchte jetzt als Kopie an einer anderen Stelle auf. Aber es war weder transportfähig, noch gelang es dies zu vervielfältigen.

Die Leistungsfähigkeit der Camera obscura war stark eingeschränkt. Fügte man aber in die Öffnung an der Vorderseite eine passende Sammellinse ein so verbesserten sich Leuchtdichte und Abbildungsqualität um ein Vielfaches. In weiteren Experimenten entdeckte man, dass das gleiche Prinzip auch umgekehrt funktionierte: brachte man nämlich an der Rückwand ein durchsichtiges Bild an, so erschien es nach Anstrahlen mit einer Lichtquelle vor der Kamera. Der Projektor war erfunden.

Diese historischen Geräte, Vorläufer unsere heutigen Diaprojektoren oder Beamter bezeichnete man als Skioptikon oder Laterna magica, also als Zauberlaterne. Wer sie in der Mitte des 17. Jahrhunderts erfand, ist unter den Historikern strittig. Sie blieb nahezu unverändert noch bis in Jahre nach dem letzten Weltkrieg ein beliebtes Kinderspielzeug unserer Eltern.

Das Gerät besteht aus einem verzinkten Blechgehäuse, ein seitliches Türchen bietet den Zugang zur Lichtquelle. Ein Hohlspiegel bündelt das Licht der Glühlampe, ein Kondensor, bestehend aus einer Sammellinse, sorgt für eine gleichmäßige Ausleuchtung. Für die scharfe Abbildung sorgte ein aus zwei Konvexlinsen bestehendes Objektiv, das zur Fokussierung auf einem Messingrohr verschoben werden konnte.

Ganz ungefährlich war die Laterna magica nicht: die offenen Flamme der Petroleumleuchte dürfte in manchem Kinderzimmer Feuer gelegt haben. Erst die Erfindung der elektrischen Glühlampe revolutionierte das System, viele der heute noch erhaltenen Geräte wurden daher, wie auch dieses, vom Hersteller nachträglich auf elektrisches Licht umgerüstet.

Namhafte Firmen wetteiferten um die besten Geräte. Das galt auch für die bunten Glasbilder, allerdings waren diese keineswegs für alle Lampen kompatibel, jeder Hersteller hatte nämlich sein eigenes Bildformat, das natürlich immer nur in seine, nicht aber in die anderen Geräte passte.

Auf den Glasstreifen findet man nicht nur die liebevolle Darstellung von Kindermärchen oder der Tierwelt Afrikas, sondern man liebte auch damals schon grausliche Geschichten, Jack the Ripper war lange ein Verkaufsschlager. Nach Erfindung der Fotografie erweiterte sich das Angebot rasch: mit den Bildträgern, nunmehr aus Celluloid, ließen sich jetzt mit der Laterna magica nahezu alle Themen der Welt projizieren, auch solche, die für das biedere Kinderzimmer weniger geeignet waren.

Die hier gezeigte Laterna magica der Firma Ernst Plank aus Nürnberg stammt aus einem Versteigerungshaus in Kempten. Sie wurde um 1870 hergestellt und ist, was nur selten vorkommt, vollständig erhalten. Der Aufbewahrungskasten und die dazu gehörigen Glasbilder sind unbeschädigt, die Optik und Beleuchtungseinrichtung voll funktionsfähig. Selbst die Zusatzteile und Adapter sind alle noch vorhanden. Solche Geräte sind bei Sammlern von Kinderspielzeug sehr begehrt, sie kosten im gut erhaltenen Zustand auf dem Antiquitätenmarkt einige hundert Euro.

BLINDHEIT IM KINDERSPIEL

Die Welt zu sehen und das Geschehene zugleich mit den Händen zu ergreifen, – um es so im wahrsten Sinn des Wortes zu begreifen -, ist ein altes menschliches Bedürfnis. Nur wer wirklich blind ist versteht diesen Zusammenhang. Kinder aber setzen sich über solche Behinderungen hinweg. Im Kinderspiel „Blinde Kuh“ wird die Blindheit simuliert, es gilt mit verbundenen Augen einen anderen Mitspieler zu ergreifen und durch Abtasten zu erkennen. Hier wird eine heile Welt vorgetäuscht. Kinder kompensieren das, sich machen sich keine Gedanken über das Schicksal blind zu sein. Auch wenn heute das Verbinden der Augen im Kinderspiel noch immer beliebt ist, die Tragik einer Erblindung blieb erhalten.

Manche Forscher behaupten, das bekannte Kinderspiel „Blinde Kuh“ stamme aus dem Mittelalter, andere meinen, es habe seinen Ursprung in der Antike. Es soll in vorchristlicher Zeit ein kultisches Dämonenspiel gewesen sein. Sehen galt als magischer Akt. Wer im Schauspiel die Maske einer Kuh trug, war blind. Was auch immer heute noch von den Kindern gespielt wird hat sicher eine lange Vorgeschichte. Ursprünglich aber war es die Domäne der Erwachsenen. Schließlich hatte das Verbinden der Augen auch ein erotisches Moment, das bis heute erhalten ist.

Seinen gesellschaftlichen Höhepunkt erlebte daher das „Blinde Kuh“ Spiel an den Höfen des Rokokos, man zeigt in zahllosen frivolen Abbildungen wie es in den Gärten des französischen Adels ablief. In einer Zeit wo jeder direkte Körperkontakt als unschicklich galt, konnte man mit verbundenen Augen als blinde Kuh nahezu alles anfassen und ergreifen, ohne den Ruf zu gefährden. Schließlich war doch die Partnerwahl fürs Date damals weitaus komplizierter als heute.

Also verband man ihm oder ihr die Augen und ließen ihn oder sie nach einem Partner tasten. Gelang es ihn oder sie zu erhaschen musste durch gezieltes Abtasten erraten werden, wer denn der oder die andere Person war. Danach wechselte die Augenbinde, es erfolgte galante der Rollentausch. Kein Wunder das selbst die Institution Kirche jahrhundertelang vergeblich gegen dieses angeblich sündige Spiel von der Kanzel wetterte.

Studiert man die Abbildungen so fällt auf, dass nahezu alle Darstellungen der verschiedenen Epochen sich inhaltlich gleichen. Nirgends fehlt der Hund, der mit herum tollt und immer findet sich ein Mitspieler, der die Person mit den verbundenen Augen mit einem Zweig täuschend vom Weg ablenken sollte.

Diese kunstvolle Grafik ist aus der Mitte des vorletzten Jahrhunderts und zählt zu den Genrebildern des ausgehenden Biedermeiers. Sie gaukelt dem Betrachter eine heile Welt vor. Kinder spielen „Blinde Kuh“. Sie haben Freude daran mit verbunden Augen herumzuspringen, sich fangen zu lassen und nur mittels Tastsinn und Gehör andere zu erkennen. In einer Zeit der Smartphone, Tabletts oder elektronischen Spielkonsolen hat das Spiel viel von seinem ursprünglichen Wert verloren, dennoch bringt es immer Kindern das Schicksal einer Erblindung nahe.

Dieses Bild stammt aus einer Zeit, wo die Blindheit auch bei Kindern weitaus häufiger vorkam als heute. Zahllose Krankheiten, oft schon mit Geburt manifest, zerstörten die Chance auf ein normales Leben. Es handelt sich meist um Infektionen, venerische Erkrankungen wie die Gonoblennorrhoe, allen voran aber die Tuberkulose waren die Ursache. Auch der angeborene graue Star oder der Buphthalmus ließen damals keine Chance. Die Operationen bei Kindern misslangen meist, die Narkose war unbekannt, Antibiotika fehlten, die ätiologischen Zusammenhänge der Krankheitsbilder waren noch nicht entdeckt.

Solche prachtvollen Grafiken werden auch heute noch in großem Umfang auf dem Markt angeboten, meist handelt es sich aber dabei um neuzeitliche Kopien, die niemals die Ausstrahlung des Originals ersetzen können. Dieser noch sehr gut erhaltene Abdruck aus der Zeit um 1850 wurde dem Institut über das Internet von einem renommierten Antiquariat angeboten und für einen bezahlbaren Preis für die Sammlung ersteigert.

 

DAS BRILLENETUI

Brillen sind in unserer heutigen Zeit meist nur noch Wegwerfartikel. Für ein paar Euros erhält man beim Discounter bereits eine einfache Lesebrille, die dem Geldbeutel angemessen, für das Auge allerdings nicht immer die passende ist. Zu früheren Zeiten, als für den Erwerb einer Sehhilfe noch eine Summe von bis zu einem Jahreslohn fällig war, sorgte man sich um ihre sichere Aufbewahrung. Die ersten Brillen trug man am Gürtel befestigt in einem Beutel aus Stoff oder Leder, es folgten Dosen oder Schatullen aus Holz. Neuzeitliche Modelle waren aus Eisenblech oder dem leichteren, aber teureren Aluminium. Heute sind sie meist nur noch aus billigem Kunststoff. Immer hatten sie Aufgabe die Gläser vor Bruch zu bewahren oder vor Kratzern zu schützen. In besseren Kreisen waren die Etuis wertvolle Kunstwerke, oft liebevoll bemalt oder vom Juwelier kunstvoll verziert.

Im Stoff- oder Lederbeutel, ähnlich der sogenannten Geldkatze, war die Brille zwar immer rasch zur Hand, beim Sturz aber ungesichert. Das damalige Glas war im Gegensatz zu heute besonders bruchgefährdet, es zersplitterte leicht. Auch die feineren Gestelle aus Elfenbein oder Buchsbaumholz gingen schnell zu Bruch, ein Ersatz war teuer und oft nur mühsam zu beschaffen. Auf den abenteuerlichen Reisen war der Beutel kein sicheres Behältnis.

Aus diesem Grunde konstruierte man bereits im 14. Jahrhundert stabile Aufbewahrungsbehälter. Sie waren in der Regel aus einem Stück Holz heraus gesägt. Sie bestanden aus zwei gleich großen dünnen Hartholzbrettchen, die an ihrer Innenseite passend zur Form der getragenen Brille ausgehöhlt waren. Ursprünglich waren die beiden Brettchen durch mehrere Durchbohrungen mit einer Schnur verbunden, die, an den Enden verknotet dann das Ganze wie zwei Buchdeckel zusammen hielt. Bei späteren Modellen waren die beiden Holzteile aufklappbar mit einem Scharnier aus Kupferblech aneinander fixiert. Ein kleiner Verschlusshaken auf der gegenüberliegenden Seite verhinderte das unbeabsichtigte Öffnen des Behälters und Herausfallen der Brille.

Schwieriger war die Herstellung von Holzbehältern, die nicht wie ein Buch aufgeklappt wurden sondern aus einem einzigen Holzblock herausgearbeitet und der Länge nach ausgehöhlt waren. Vorbild war hier der Behälter für das Jagdmesser oder den Wetzstein. Die Sehhilfe wurde von oben eingesteckt, das Ganze hing wiederum mittels einer Schlaufe am Gürtel. Von Vorteil war es, dass hier Brille nicht so leicht herausfallen konnte. Für ihr stromlinienförmiges Design diente wohl der Fisch als Vorbild, der auf klappbare Deckel lies das ganze wie eine Forelle erscheinen, deren Maul geöffnet werden konnte. Daraus resultiert der Name des Fischmauletuis, das über drei Jahrhunderte zum Standardbehälter für die Sehhilfe wurde.

Er später kehrte man wieder zu den aufklappbaren Behältern zurück, sie waren jetzt aus Hartleder, Eisenblech oder sogar aus Edelmetall. Letztere waren dann ja nach Stand und Vermögen vom Juwelier entsprechend ausgearbeitet, oft überschritt der Preis des Etuis den der Brille selbst.

Was die wirklich prachtvollen Brillenbehälter aus alten Zeiten angeht so ist der Markt längst abgeräumt. Die wenigen erhaltenen Stücke befinden sich in den Museen oder in den Vitrinen der Privatsammler. Gelegentlich wird auch noch einmal eine alte Brille mit dem dazu gehörigen Etui angeboten. Nur wenige davon sind jedoch über 100 Jahre alt.

Die hier gezeigten drei Brillenbehälter sind alle aus Holz, sie gehören ins frühe 18. Jahrhundert. Sie sind klassische Fischmauletuis, wie sie lange Jahre zur Aufbewahrung der Lesebrille mit Metallgestellen üblich waren. Gelegentlich sind sie mit Filz ausgeschlagen oder mit Leder überzogen. Seit dem 19. Jahrhundert wurden Sie gerne auch beklebt und so als Werbeträger eingesetzt. Diese drei liebevoll aus Hartholz gefertigten Etuis stammen aus dem Nachlass eines Privatsammlers in Nürnberg. Hergestellt wurden sie wie die darin aufbewahrten Eisenbrillen noch bis in die Mitte des19. Jahrhundert.

 

BRILLENABDRUCK IN EINER ALTEN HANDSCHRIFT

Sehhilfen mit optisch brechenden Gläsern zum Ausgleich einer altersbedingten Weitsichtigkeit sind seit Ende des 13. Jahrhunderts bekannt. Ihre ältesten Abbildungen in der Umgebung von Venedig lassen vermuten, dass dort auf der Insel Murano erstmals die Herstellung eines farblosen Glases gelungen ist und wohl durch Zufall seine optischen Eigenschaften an ein paar Tropfen des erkalteten Materials entdeckt wurden. Hieraus entwickelte sich der Lesestein, nach Einfassen eines Gläserpaars in einem Gestell aus Holz, Metall oder Elfenbein wurde daraus die Parilla oder Brille, wie sie letztlich in ihrer Grundform bis heute noch in Gebrauch ist.

Brillen aus der Frühzeit der Augenoptik sind äußerste Raritäten, nur noch wenige sind aus der Zeit vor 1600 erhalten. Das meiste, was wir über sie wissen, stammt daher von Abbildungen. Sie zeigen auf Wandgemälden und Altären Kirchenfürsten, Geistliche oder Heilige mit einer Sehhilfe. In einem Glasfenster des Ulmer Münsters ist Petrus bei der Grablege Mariens mit einer Nietbrille dargestellt, um sein fortgeschrittenes Alter bildlich zu unterstreichen.

Im Original des1492 verfassten „Sionpilgrin“ von Felix Fabri findet sich als Zufallsfund der Abdruck einer frühen Brille. Diese muss einige Zeit lang im in dem Buch gelegen haben. Die umgebende Feuchtigkeit führte zu einem Abklatsch, verursacht durch die damals bei der Lederherstellung zur Konservierung gebräuchliche Gerbsäure. Der Rahmen hinterließ auf zwei gegenüberliegenden Seiten einen hervorragend erhaltenen Abdruck der Sehhilfe.

Nach Auswertung des Originalabdrucks im Labor zeigte es sich, dass es sich hier um den Abdruck einer frühen Lederbrille handeln muss. Die älteste, die uns bekannt ist, stammt aus der Zeit um 1350, sie wurde im Chorgestühl von Wienhausen entdeckt.

Die Form und Größe des Abdrucks lassen die Brille inzwischen zeitlich einordnen, es handelt sich um eine Lederbrille aus der Zeit zwischen der Mitte des 15. und 16. Jahrhunderts. Sie dürfte um 1500 in Nürnberg hergestellt worden sein. Dort hatte der Rat bereits 1498 die Herstellung solcher Brillen lizensiert, billige Kopien untersagt und ein Qualitätsmanagement eingeführt. Dennoch waren damals schon ausländische Plagiate im Umlauf, eine spektrographische Analyse des im Papier eingelagerten Farbstoffs wird klären, ob es sich hier um eine der qualitativ hochwertigen Nürnberger Brillen oder doch nur eine billige Nachahmung handelte. Gegen letzteres spricht, das sich im Abdruck am Übergang vom Nasenbügel zur linken Gläserfassung eine kleine blütenförmige Verzierung befindet, die Billigkopien nicht aufweisen. Rechts ist sie weggebrochen.

Diese Brille hat kein Scharnier am Nasensteg, sondern statt dessen nur einen starren Halbbogen aus Leder, der Abstand der Gläser zueinander konnte daher im Gegensatz zur älteren und in der Herstellung aufwendigeren Nietbrille nicht vor dem Auge variiert werden. Auch war der Steg noch starr, spätere Modelle zeigen ihn dann als elastischen Schlitzbügel. Dieser bestand aus einem lamellenförmigen Halbbogen, der sich dem Nasenrücken weit besser anpassen ließ. Diese Variation ist bei dem Abdruck in Fabris Buch noch nicht vorhanden und sichert so die frühe Datierung.

Vermutlich hatte die Brille die damals übliche Stärke von etwa + 2.5 Dioptrien zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit. Welches Glas sich nun genau in der ledernen Fassung befunden hat, ist nicht mehr zu eruieren, es dürfte sich aber um das leicht grün gefärbte Waldglas der Zeit gehandelt haben.

Dieser Abdruck ist von ganz besonderer Bedeutung für die Geschichte der Optik, auch wenn die Brille, von der er stammt verloren ging. Zeitlich eingeordnet und diagnostisch begründet könnte es durchaus sogar die Brille des Autors selbst gewesen sein, beweisen lässt es sich allerdings nicht. Der Wert dieser Handschrift, die im Safe des Ulmer Stadtarchivs aufbewahrt wird ist unschätzbar. Die Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen besitzt das bislang einzig bekannte Faksimile.

 

BRILLE UND GELD

Abbildungen von Augen oder Brillen finden sich auch auf Geldscheinen und Münzen. Selten aber ist es, dass eine Sehhilfe nur allein, also ohne das dazugehörige Gesicht oder den Kopf gezeigt wird. Das bekannteste Beispiel dafür ist der schwedische Brillenpfennig oder der Braunschweiger Brillentaler aus dem Jahr 1586. Auf beiden Münzen findet sich nur eine Nietbrille ohne den Benutzer. Sonst gehört nämlich die Brille immer zum Markenzeichen eines markanten Zeitgenossen, dessen mit der Sehhilfe gestylter Kopf auf einem Geldschein oder einer Münze bestenfalls seine Intelligenz vortäuschen, nicht aber seine Fehlsichtigkeit unterstreichen soll. Dass sich aber einmal gleich zwei Sehhilfen, eine mit und eine ohne den dazugehörigen Kopf, auf einem Geldschein finden, ist eine absolute Rarität.

In der Regel findet sich also eine Brille zusammen mit ihrem Besitzer nur dann auf einer Briefmarke, einem Werbeplakat, einer Münze oder wie hier einmal auf einem Geldschein, wenn die Sehhilfe als ein besonderes Erkennungsmerkmal ihres Trägers dient. Gilt doch selbst heute noch die Brille in gewissen Kreisen als Zeichen gehobenen Intellekts, – ein Faktor, den sich selbst so mancher Kandidat auf seinem Wahlplakat unglaubhaft zu eigen macht.

Wenn aber eine ältere Dame gleichzeitig mit zwei Brillen auf einem Geldschein in Positur gesetzt wird, so ist das schon ungewöhnlich. Diese Illustration hier findet sich auf einem Schein im Wert von 100.000 Reichsmark aus der Zeit der Inflation. Das fortgeschrittene Alter ist eindeutig am Profil und der Frisur erkennbar, ihre Lesebrille trägt sie direkt vor dem Auge, die Fernbrille baumelt für alle sichtbar an der rechten Hand. Die Schwarzwälder Uhr an der Wand im Hintergrund tickt sichtbar und strahlt eine gewisse Ruhe und heimische Gemütlichkeit aus. Es ist kurz vor Feierabend, die Seniorin liest zufrieden, man staune, ihren Steuerbescheid, – ihre Nahbrille scheint dabei hilfreich und spendet sichtlich Trost.

Der ist auch nötig, denn umrahmende Text spricht für sich, er lautet ganz sinnreich: „Wenn immer rosig Deine Brille, sind die Steuern nicht zu viele“. Das heißt, wer seinen Steuerbescheid mit einer rosaroten Brille aus Rathenow, von dort nämlich stammt dieser Notgeldschein, beschwerdefrei lesen kann, wird seine Steuern gerne bezahlen. Dieser Philosophie dürfte heute wohl niemand mehr kritiklos zustimmen, aber auch in den Inflationsjahren des letzten Jahrhunderts war der Steuerbescheid schon ein öffentliches Ärgernis, das, obwohl wie hier empfohlen, durch lichtdämpfende rosarote Gläser betrachtet, kaum beglückend gewesen sein dürfte. Dabei ist es gut zu wissen, dass auch die Rathenower Brillenproduzenten keine rosarot eingefärbten Gläser auf den Markt brachten, ihr Trostspruch hatte aber zweifellos seinen werbenden Charakter.

Abbildungen von Brillen sind im Gegensatz zur Darstellung von Augen auf Geldscheinen nicht sehr häufig, auf diesem Notgeldschein findet man sie, weil hier eine besondere Verbindung zwischen der Stadt und der Brillenindustrie besteht. Dies ist für Rathenow, in der Zeit zwischen den Weltkriegen eine Hochburg der Herstellung von Brillengläsern, zweifellos der Fall. So bezeichnet sich Rathenow auch heute noch als die Stadt der Optik. Dass der wohl einzige bekannte Notgeldschein mit einer Darstellung von Brillen ausgerechnet von dort stammt, erscheint damit durchaus verständlich.

Das Sammeln von Notgeldscheinen ist heute recht beliebt, seltene Scheine mit kleinen Auflagen sind dabei gut dotiert. Sie erinnern an die Schicksalsjahre nach dem ersten Weltkrieg. Nahezu täglich wurde damals das Geld abgewertet. Die aufgedruckte Summe, hier sind es 100.000 Deutsche Reichsmarkt, wäre auf die heute Währung umgerechnet gerade noch zwei Euro wert, viel mehr hat dieser Geldschein aus der Zeit der Inflation jetzt bei Ebay auch nicht gekostet.

 

AUGE UND MASKE

Wer eine Maske trägt, täuscht ein anderes Individuum vor. Einfache Kulturen verbergen hinter ihren Masken beim Tanzritual Geheimnisse, die uns meist fremd sind. Die abschreckende Teufelsmaske zieht sich durch nahezu alle Kulturen, die Schnabelmaske des Pestarztes aus Venedig flößt Respekt und Furcht vor der Seuche ein. Die Totenmaske soll eine Erinnerung an einen Lebenden sein. In der Bühnenkunst identifiziert sich der Schauspieler mit seiner Rolle, mit seiner Figur, er kopiert sie mit der Maske. Dabei spielt das Auge immer einen Schüsselrolle, es ist ein tragendes Element für Mimik und Charakter.

Masken bedecken das ganze Gesicht oder nur die Augenpartie. Immer aber ist es das Auge, das die Ausdrucksform einer Maske besonders betont. Das Individuum wird verfremdet, die Mimik erstarrt, Emotionen werden verdeckt.

Das eigene Auge. das eigene Gesicht des Trägers tritt unter einer Maske erst einmal in den Hintergrund. Die bekannte Person übernimmt eine fremde Rolle. Das gleiche kennt man von der Kosmetik, wo das Make-up ein Auge überbetont und so zum Zentrum des Aussehens macht. Das geht hin bis zum Tragen der Crazy-Kontaktlinse, das Katzenauge lässt einen selber zur Katze werden. So gehört die Maske auch zum erotischen Spiel. Es reizt, sich unter einer Maske zu verstecken, täuscht sie doch dem Betrachter einen anderen Partner vor, das Auge wird zum Geheimnis, das Individuum verfremdet.

Unter jeder Maske aber dominiert das Auge: es ist der Vermittler von Freude und Angst, Streit und Anstrengung. Seine besondere Betonung erfolgt mittels der Theatermaske die einst während der Aufführung auf der Bühne getragen wurde. Dort sollte sie, das Gesicht entstellend, abschreckend wirken oder aber die Göttlichkeit ihres Trägers untermauern. Ihre Ausstrahlung auf den Zuschauer war und ist auch heute noch enorm. Die Maske erlaubt schon immer alle Ausdrucksformen, die heute in den sozialen Medien von dem kleinen gelben Smiley übernommen werden, dessen Mund und Auge dem Betrachter Zufriedenheit, Freude, Spannung oder Ärger vermitteln sollen.

Der Schauspieler wechselte mit Maske auch seine Rolle. In den Amphitheatern der Antike spielte er so wahlweise den Gott, den Helden oder Philosophen in Personalunion, jeweils unter einer anderen Verkleidung. Bei diesem Ring, der hier eine antike Maske als Miniatur wirklichkeitsgetreu kopiert, wirkt das Auge durch den umgebenden ringförmigen Wulst übergroß, überbetont, steif und fast bedrohlich. Der leicht geöffnete Mund scheint unergründlich, aber nicht feindlich. Die Maske trägt ein männliches Gesicht mit Bart, dies spricht den Menschen an, es scheint Zeus zu sein. Dieser Ring, so die Archäologen, muss einem Schauspieler gehört haben, die Maske spiegelt eine seiner Rollen.

Der Ring stammt aus einer Zeit, wo solche Schmuckstücke eher aus einem Edelmetall wie Silber, Gold oder Bronze gefertigt waren. Hier aber ist er mühsam aus einem Stein herausgearbeitet. Man vermutet dass er eine Anerkennung für seinen Träger war, eine Wertschätzung für eine herausragende Rolle, mühsam aus einem harten Stein herausgearbeitet und nicht für den täglichen Gebrauch gedacht. Zweifellos ist er ein Unikat. Das Ganze erinnert an heutige Ringe, als Ehrung verliehen an große Schauspieler.

Der hier gezeigte Ring, der im Siegelbild eine Maske eines Schauspielers trägt, gehört zu den großen Raritäten der Archäologie. Fachleute datieren ihn in das 4. bis 5. Jahrhundert vor Christus. Er stammt aus der Privatsammlung eines inzwischen verstorbenen Archäologen und wurde mit einem Konvolut weiterer antiker Artefakte für die Sammlung ersteigert. Der Ring soll vor über einem Jahrhundert in Kleinasien ausgegraben worden sein, mehr war dazu nicht erfahren. Der zweifellos griechische Stil der Maske mag seine Provenienz erklären. Weltweit sind bislang nur vier aus einem Stein gefertigte Ringe bekannt, sein Wert ist daher auch nicht annähernd schätzbar.

 

DAS ALYPIN IN DER AUGENHEILKUNDE

Die Empfindlichkeit des Auges gegenüber Schmerzen, seine rasche Antwort mit einem heftigen Lidschlussreflex auf jede Berührung oder Verletzung dient einerseits zu seinem Schutz, andererseits hindert es daran, einen Fremdkörper von Bindehaut oder der Hornhaut zu entfernen, ohne dass der starke Lidkrampf daran hindert. Über viele Jahrtausende dürfte es kaum ein Mittel aus der Naturheilkunde gegeben haben, um dieses Problem zu unterlaufen. Erst die Entdeckung der oberflächenanästhesierenden Eigenschaften von Kokain und später die Synthese von Alypin revolutionierte zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Augenheilkunde. Auch die operativen Eingriffe am Auge wurden jetzt risikolos und zur Routine.

Die berauschenden und schmerzstillenden Eigenschaften der Blätter des Cocastrauches waren bereits den Inkas bekannt. Spanier brachten das naturkundliche Wissen mit der Pflanze nach Europa. Es dauerte allerdings bis um die Mitte des vorletzten Jahrhunderts bevor es gelang aus den Kokablättern das Kokain als Wirksubstanz zu isolieren und anzureichern. Bald wurde seine anästhesierende und pupillenerweiternde Wirkung entdeckt. Als Augentropfen eröffnete es für die Ophthalmologie Neuland, operative Eingriffe wie beispielsweise die Kataraktchirurgie oder die erste Hornhauttransplantation wurden jetzt in Lokalanästhesie möglich. Allerdings hatte das Kokain einen großen Nachteil, seine Toxizität erlaubte nur einen eingeschränkten bzw. kurzfristigen Einsatz am Auge, die mehrfach wiederholte Anwendung führte zur Zerstörung des Hornhautepithels und zu postoperativen Heilungsstörungen. Man suchte lange nach einem Ersatz.

Um 1905 entdeckte man die anästhesierenden Eigenschaften von Alypin am Menschen. Das Alypin nitricum war ein kristalline, weiße Substanz, ein geruchloses Pulver, es war in Wasser, Weingeist oder Chloroform löslich. Es sei von bitterem Geschmack und mache die Zunge gefühllos, so berichten die Entdecker.

Rasch fand die Substanz in der Anästhesie und Chirurgie ihren gebührenden Platz. Zahllose Autoren der Zeit publizierten schon im ersten Jahr ihrer Entdeckung über ihre gute Wirkung bei der Oberflächenanästhesie. Nahezu jede Augenklinik, die etwas auf sich hielt, berichtete in den Fachzeitschriften über ihre Erfahrungen, das Alypin wurde bald zum Standard in der Ophthalmologie. Die Zahnheilkunde und Urologie folgten. Die gute Sterilisierbarkeit und lange Haltbarkeit machten es in kurzer Zeit zum Favoriten.

Im Gegensatz zu heute gab es damals noch keine Fertigpräparate. Der Apotheker vor Ort bestellte das Alypin als Trockenpulver bei der Firma Bayer in Leverkusen, weltbekannt durch das Aspirin, und füllte es in dunkle Vorratsgläser. Je nach Rezeptur und Anwendungsgebiet wurde die Substanz dann kurz vor Gebrauch in Kochsalzlösung oder Weingeist aufgelöst, gepuffert, sterilisiert, in Ophthiolen abgefüllt und ad manum medici abgegeben. Die Anwendung durch den Patienten selbst blieb obsolet, das Alypin hatte, obwohl deutlich weniger als das Kokain, noch immer ein hohes toxisches Potential. Warnend wird bereits 1906 über zwei Todesfälle nach Dosierungsfehlern berichtet.

Das hier gezeigte Apothekenglas mit der Aufschrift „Alypin“ hat eine besonders liebe Apothekerin aus Kempten der Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen gestiftet. Es stammt aus ihrer eigenen Apotheke. Solche Gläser findet der immer wieder einmal auf Flohmärkten oder in Antiquitätenläden. Auch Ebay bietet gelegentlich diese braunen Fläschchen an.

Der Preis dieser richtet sich dabei nach der Seltenheit ihres Inhaltes. Die mit Opiaten wie Morphium oder Opium sind dabei besonders gesucht, obwohl sie nur noch leer angeboten werden. Die Gläser mit den eingeschliffenen luftdichten Stopfen waren noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts im Gebrauch. Heute sind sie durch Fläschchen aus Kunststoff ersetzt, die Inhaltsstoffe gibt es als Fertigpräparat am Markt.

Der Sonderdruck von Dr. Hummelsheim aus Bonn über seine Experimente mit Alypin stammt aus einem Berliner Antiquariat und wurde als Inkunabel der Anästhesie recht teuer für die Sammlung erworben. Inzwischen gibt es nämlich für diese Sonderdrucke einen großen Markt. Und in der Tat, es ist schon reizvoll in solchen alten Schriften zu blättern um dort die Geschichte der Augenheilkunde live zu erleben.

 

DAS AUGE AUF DER GRUSSPOSTKARTE

Das Geheimnis des Sehens hat die Menschen schon immer fasziniert. Als Sehorgan ist das Auge aber nicht nur aktiv, sondern es hat, passiv gesehen, auch eine Ausstrahlung, die auf den Betrachter einwirkt und ihn anspricht. Bereits in den Felszeichnungen der Jungsteinsteinzeit gibt es dafür Beweise. Nur fällt dabei auf, dass sich Augenabbildungen von Tieren schon in den frühen Höhlenmalereien finden, während der Kopf , das Gesicht und das Auge des Menschen erst dann in diesen Bildern auftaucht, als bereits die ersten Zahlen- und Schriftzeichen entstanden waren. Die Forscher rätseln über die Gründe. Der Blick aber auf das Gesicht vermittelt dem Betrachter die Stimmung. Zorn, Freude, Ärger oder Glück spiegeln sich im Auge und in der Mundpartie als Zentrum der Mimik. Künstler verwenden daher das Auge ganz bewusst in ihren Bildern als Stimmungsmacher.

Bis das Bild des Auges „versandfertig“ werden konnte, dauerte es seine Zeit. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam die Postkarte in Mode. Nach Erfindung des Vierfarbendrucks wurde es möglich Millionen von Kopien preisgünstig anzufertigen. Der günstigere Tarif für das Porto ersetzte nun den Brief um Freunden und Bekannten in wenigen Worten einen Gruß zu übermitteln. Mit Beginn der Reiselust zeigte man auch gerne den Zurückgebliebenen wo man gerade ist, auch Glückwünsche galt es zu versenden. Was bot sich daher anderes an, als auch dort das Auge als Ausdrucksmittel mit einzubeziehen. Heute ist das alles vergessen. Die Postkarte ist out. Ein Handyanruf genügt fürs Date, die SMS überträgt mit dem lachenden Auge eines Smiley den Glückwunsch und Stimmung.

Das steht ganz im Gegensatz zur Postkarte, wie sie unsere Großeltern noch als Glückwunsch oder Gruß verschickten. Auf dieser hier finden sich auf der Vorderseite im bunten Druck zwei Kinder. Auf einem Wagen spielt der Junge den Chauffeur, das Mädchen, mit wehendem Kleidchen, schiebt die Kiste. Ein paar junge Kätzchen im Weidenkorb sind die Passagiere. Scheinbar ein Bild des Glücks, Kinder spielen draußen vor dem Dorf.

Das alles täuscht, wären da nicht die Augen. Sie lassen mehr erkennen. Der Junge zeigt uns in seinem Gesicht weder Glück noch Freude. Sein Blick hin zum Betrachter ist irgendwie angespannt, er schaut geheimnisvoll. Aber auch das Mädchen lächelt nicht, seine Augen blicken ernst, das ist kein Kinderglück, das Kinderlachen fehlt. Selbst die weit aufgerissen Augen der kleinen Katzen lassen vermuten, dass auch für sie die Welt nicht in Ordnung ist.

Die Brille, die der Junge trägt, verrät dem Betrachter Umfeld und Zeit, sie lässt die Glückwunschkarte datieren: solche Schutzbrillen gehörten zum Kraftfahrer des ersten Weltkrieges, der Poststempel beweist das Datum, sie wurde im November 1917 abgeschickt. Der Schreiber, Karl, ist an der Front und teilt seiner Mitzi zum Namenstag mit, dass er sie gern besuchen möchte. Ob sie sich jemals getroffen haben, bleibt fraglich. Absender und Empfänger sind längst vergessen, der ernste Ausdruck in den Augen der Kinder aber bleibt. War es damals Mode, war es ein Ausdruck der Zeitgeschichte?

Solche Grußpostkarten wurden millionenfach gedruckt, versandt und irgendwann dann weggeworfen. Besonders begehrt sind Bilder, die von bekannter Künstlerhand geschaffen wurden. Inzwischen gibt es Händler, die sie, nach Motiv und Ort sortiert, an Sammler vertreiben. Unbeschriebene Postkarten sind deutlich teurer, bei den verschickten richtet sich der Wert nach der Seltenheit und nach dem Bekanntheitsgrad des Schreibers. Handelt es sich um eine berühmte Person des öffentlichen Lebens, so wird es teuer. Ein handschriftlicher Geburtstagsgruß von Albert Einstein brachte kürzlich auf einer Auktion in London gleich einige tausend Dollar. Die Karte von Tante Emma an ihre Freundin bringt das nicht, hier diese Postkarte von Karl an seine Mitzi schaffte es bei Ebay gerade mal auf einen Euro.

 

DER AUGENARZT IN DEN MEDIEN

Der Arzt genießt in der Öffentlichkeit besondere Publicity, seinem Beruf zollt man besonderen Respekt. Das zeigen die täglichen Berichte in den Medien. Berühmte Mediziner finden dort ihr Curriculum, die Regenbogenpresse übernimmt unkritisch ihr Privatleben. Ärzte wie Albert Schweitzer werden zum Symbol der Menschlichkeit, Herzchirurgen wachen über Leben und Tod. In der Schwarzwaldklinik brilliert der Chefarzt mit fachlicher Sympathie und menschlicher Schwäche. So galt schon immer das Interesse der Öffentlichkeit dem Arzt und dabei ganz besonders dem Augenarzt. Allein er operiert mit geschickter Hand den grauen Star, er ist der Einzige, der einen Blinden heilen kann.

So werden dem Augenarzt in Dankbarkeit Gedichte gewidmet, in Paris eine ganze Oper zu seiner Hommage aufgeführt. Briefmarken und Münzen zeigen seinen Kopf. In der Zeit vor der Photographie sah man zwar immer wieder einmal sein Portrait im Holzschnitt oder Kupferstich, nur selten aber gab es eine Darstellung von ihm an seinem Arbeitsplatz. Die frühe Ausnahme bildet diese Abbildung von Albrecht von Graefe in einem Journal um die Mitte des vorletzten Jahrhunderts. Sie zeigt ihn, den Gründer der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft, bei einer Operation. Er sitzt einer jungen Frau mit halb geöffnetem Auge gegenüber. Er operiert, so der Begleittext, den grauen Star. Das Tageslicht in seinem Rücken erhellt das Operationsfeld.

In seiner rechten Hand hält er das nach ihm benannte Graefemesser, die linke stützt den Kopf der Patientin. Er operiert mit heruntergestreiften Ärmeln, im Anzug, voll im Stil der Zeit. Wer da behandelt wird, ist unbekannt. Dabei ist er umgeben von Zuschauern, vermutlich sind es seine Schülern und Studenten. Alle tragen Frack. Der weiße Kittel war damals noch nicht erfunden, Hygiene noch ein Fremdwort, Eingriffe am Auge waren ein risikoreiches Spiel.

Das Bild ist künstlerisch perfekt. Es zeigt aber gleichzeitig auch die Schwächen der öffentlichen Medien, die ihnen selbst heute noch zu Eigen sind: Ort und Situation entsprechen kaum der Wirklichkeit. So fällt dem erfahrenen Betrachter auf, dass von Graefe den Eingriff mit seiner rechten Hand aus einem Abstand von gut einer Armlänge vornimmt. So operiert man nie ein Auge, das tut man aus der nächsten Nähe. Dass von Graefe außerdem altersweitsichtig war, daran besteht kein Zweifel. Warum er aber dann auf der Abbildung zum Ausgleich keine Brille oder wie damals üblich keinen Zwicker trägt bleibt unklar. So aber ist davon auszugehen, dass der dargestellte Eingriff am Auge kaum gelingen wird. Man darf vermuten, dass der unbekannte Schöpfer dieses Bildes mehr Wert auf die künstlerische Qualität als auf die Wirklichkeit legte. Dass von Graefe als berühmter Augenarzt selber einer Sehhilfe bedurfte, das konnte dem Leser und Betrachter in diesen Jahren kaum vermittelt werden.

Auch die Frage nach der Anästhesie lässt diese Grafik offen. Die Patientin schläft fest. Ein kritisch betrachtender Herr, vielleicht ihr Vater, stützt ihre Schulter. Die Stellung ihrer Hände lässt einen tranceähnlichen Zustand vermuten. Das war mittels einer Chloroform- oder Äthernarkose zu dieser Zeit kaum erreichbar. Die Lokalanästhesie mit Kokain am Auge war noch gänzlich unbekannt, die Wirkung des Alypins noch nicht entdeckt.

Diese berühmte, immer wieder abgekupferte Graphik von Albert von Graefe erschien in einer Gazette der Zeit, sie ist daher rückwärtig mit tageszeitlichem Text bedruckt. Solche Blätter werden oft aus alten Zeitschriften oder Illustrierten herausgeschnitten, hinter ein Passepartout verbracht und auf dem Markt als Originale teuer angeboten.

Nahezu alle Antiquariate haben solche Blätter unter der Rubrik „Berufe“ im Angebot. Darstellungen von Arzt und Anwalt bringen die höchsten Preise, für den Handwerker und Landwirt zahlt man nur einen Bruchteil, die Köpfe von Politikern sind meist im Ausverkauf. Die Käufer solcher Blätter, so wird berichtet, sind meist die Ärzte selber, nur selten ist es einmal ein Patient.

 

DER KRIEGSBLINDE

Die Blindheit zählt zu den schwersten Behinderungen eines Menschen. Wer sein Augenlicht verloren hat, ist auf fremde Hilfe angewiesen, ohne ein intaktes soziales Umfeld hat er keine Überlebenschance. Richtig bitter ist die Erblindung, wenn sie einen zuvor sehenden Menschen mitten im Leben trifft und ihn auf Dauer hilflos macht. Dies gilt ganz besonders für den für den Kriegsblinden, der unfreiwillig an die Front geschickt, im fragwürdigen Kampf ums Vaterland schwer verwundet wurde und erblindet zurückgekehrt ist. Das sogenannte Heldentum sieht in der Wirklichkeit ganz anders aus.

Nach den beiden verlorenen Weltkriegen gab es unzählige Kriegsblinde, deren soziale Not unfassbar war. Um deren Schicksal zu mildern gab es Sammlungen, Stiftungen, Spendenaktionen. In der Regel waren es Hilfsaktionen aus der Bürgerschaft. Der Adel, es klingt in der Tat makaber, unterstützte solche Aktionen z.B. durch den Verkauf von Postkarten mit seinen Autogrammen, teuer im Original, oder billig im Faksimile.

Diese Autogrammkarte ist dafür ein typisches Beispiel. Sie zeigt Prinz August Wilhelm als Vertreter der kaiserlichen Familie mit seinem 1912 geborenen Sohn Alexander Ferdinand. Unter dem gestellten Bild steht in ungelenker Handschrift: der Satz: August Wilhelm, Prinz von Preußen, „Zum Besten der Kriegsblinden“. Die Karte stammt aus der letzten Phase des ersten Weltkriegs.

Die Hilfen für den Blinden waren in diesen Tagen nur gering. Kaum ein Hilfsmittel konnte den Schaden gut machen. Das wertvollste war der Blindenhund, heute nennt man ihn Blindenführhund, er blieb oft der einzige Begleiter und Kamerad auf Lebenszeit. Doch nicht jeder konnte sich ihn leisten. Er war nicht nur teuer, sondern sein Futtergeld war für einen Kriegsversehrten kaum aufzubringen. Und einen Ersatz für die verlorene Lebensfreue gab es ohnehin nicht. Der Kriegsblinde war der Verlierer, vor allem weil der Krieg verloren ging.

Im Gegensatz zu unserer heutigen Zeit und moderner Waffentechnik war der Anteil schwerer Augenverletzungen in den beiden Weltkriegen besonders hoch. Offene Augapfelverletzungen durch Granatsplitter ließen sich in einem Feldlazarett kaum versorgen. Eine mikrochirurgische Intervention war nicht möglich, perforierende Verletzungen endeten wegen der nachfolgenden Panophthalmie meist mit dem Verlust des Auges.

Der Einsatz chemischer Waffen z.B. als Giftgase führte zur irreversiblen Schädigung und Eintrübung Kornea. Der Massenanfall von Verwundeten erlaubte keine Sofortmaßnahmen, Antidote fehlten. Selbst primär harmlose Verletzungen von Bindehaut und Hornhaut endeten wegen Mangels einer antibiotischen Therapie oft fatal. Und es gab noch ein weiteres Problem: bei Verwundung eines Auges auf dem Kriegsschauplatz drohte die sympathische Ophthalmie, sie führte zum Verlust des unverletzten Partnerauges durch eine immunologische Fehlreaktion. Cortison als mögliches Therapeutikum war noch nicht bekannt.

Akzeptable Berufe gab es für Blinde in dieser Zeit kaum, auch war der Verlust des Augenlichts oft nur ein Teil eines Multitraumas. Meist waren weitere Organe und Gliedmaßen mit betroffen, was ein normales Erwerbsleben unmöglich machte. Bei der Berufswahl blieb in diesen Jahren gerade nur noch der Besenbinder und Bürstenmacher, die Industrie konnte den Blinden noch nicht brauchen, Arbeitsplätze wie der des Telefonisten, kamen erst nach dem zweiten Weltkrieg. Sie wurden inzwischen durch elektronische Systeme überflüssig.

So mag es in der Tat makaber sein, dass der Hochadel, vom Krieg selber kaum gezeichnet, ausgerechnet mit seinen Autogrammkarten dem Kriegsblinden alles zum Besten wünschte. Für ein Mitleid sprechen solche Karten, die von den Familienmitgliedern der kaiserlichen Familie stammten, sicher nicht. Ihr Verkauf dürfte dem Erblindeten kaum hilfreich gewesen sein, das große Geld brachten sie jedenfalls nicht ein.

Solche Autogrammkarten des Adels sind ein Spiegel unserer Zeitgeschichte, sie sind heute vergriffen, auch Sammler gibt es für solche Karten kaum. Man kann sie daher, sofern die Unterschrift nur ein Faksimile ist, in den einschlägigen Antiquariaten für ein paar Euros erwerben. Für Exemplare mit Originalunterschriften gekrönter Häupter muss man allerdings auch einmal ein paar hundert Euros auf den Tisch legen.

 

DER KAMM DER SCHÖNEN

Seit Jahrtausenden findet sich das Auge in Darstellungen aus Menschenhand. Es zeigt sich in Felszeichnungen, in frühen Plastiken wie dem Löwenmenschen, es dominiert in den ältesten Abbildungen von Mensch und Tier. Während frühe Kulturkreise es noch kreisförmig abbildeten, nahm es dann in den Hochkulturen seinen von der Natur gegebenen mandelförmigen Umriss an, der bis in die moderne Zeit des Impressionismus seinen Bestand hatte. Das Auge findet sich heute auf nahezu allen Gegenständen des täglichen Lebens, es soll den Blick anderer Augen auf sich locken. Gleichzeit betrachtet man es als schützendes Amulett. Dies gilt besonders für den Schmuck, den in allen Generationen und allen Kulturen bevorzugt die Weiblichkeit trug. Hierzu zählen auch die Augen als Verzierung auf diesem Kamm.

In der Werbung nennt man es den „Eye Catcher“, den „Augenfänger“. Sorgfältig ausgewählte, einfache und auf den ersten Blick unschwer erkennbare Gegenstände sollen das Auge des Betrachters fixieren und von dort zu einem bestimmten Zielort zu lenken. Dies ist ein z.B. ein Objekt, das die Werbung besonders herausstellen will. Man soll es kaufen. Niemand kann sich dem System entziehen. Die Werbung hat Macht, sie kontrolliert die Reflexe, ein Schlüssel hierzu ist das Auge.

Das findet sich seit Urzeiten in der Kunst. Das Auge zieht den Blick des Betrachters magisch an, es handelt sich um einen Urreflex eines jeden Lebewesens. Auch im Tierreich hat das Auge seine anziehende wie abstoßende Bedeutung. Beim Pfau soll es den Partner anlocken, beim Falter den Feind erschrecken. Die Form seiner Darstellung übermittelt Ruhe und Zorn, Hass und Angst. Auf der Werbefläche strahlt es Zufriedenheit aus, auf Schmuckstücken sind es Freude und Glück. Es soll den Feind warnen, erschrecken, abwehren oder erstarren lassen. In russischen Lagern waren überdimensionale Augen auf Türen und Wänden aufgemalt, der Gefangene sollte das Gefühl haben, er sei immer überwacht. Kein Totempfahl ist ohne ein Augenmotiv, keine Hell Angels ohne das Adlerauge auf den Lederjacken. Auch in der Karikatur, selbst den Heften der Micky Maus wird das Auge des Donald oder Dagobert Duck dazu eingesetzt, Depressionen oder Geldgier zu kennzeichnen. Das Bild des Auges überträgt den psychischen Zustand seines Trägers.

Dieser Kamm hier gehört zu den Alltagsgegenständen des täglichen. Lebens. Er wurde sichtbar im Haarschopf einer Schönen oder vielleicht auch eines Jünglings getragen, er sollte sicher nicht nur das Haar stylen sondern das Auges des Betrachters einfangen und auf das Gesicht seines Trägers lenken, ein Blickfang wie er auch für einen Hut oder Schal gilt.

Bei diesem Kamm aus tropischem Hartholz findet sich auf der Vorder- und Rückseite das gleiche Motiv. Ein Augenpaar, fröhlich schauend, quasi aus dem Gesicht des Trägers geschnitten, blickt den Betrachter an, es fängt ihn ein. Beiden Augen symbolisieren Lebensfreude, eine Glücksbotschaft aus einer einfachen naiven Kultur. Der Kamm dürfte über Generationen hin getragen sein. Der Besitzer ist vergessen. Aber noch immer strahlen die beiden in das Holz geschnitzten Augen das Geheimnis einer fremden Welt aus.

Solche Augendarstellungen zählen zur primitiven oder naiven Kunst. Man findet solche Gegenstände mit dem Motiv „Auge“ auf Flohmärkten oder im Internethandel. Sie haben eigentlich keinen Preis, dennoch üben sie, selbst wenn es sich dabei um keinen exklusiven künstlerischen Wert handelt, einen gewissen Reiz auf den Betrachter aus. Dieser Kamm mit dem Augenpaar stammt aus einer aufgelösten völkerkundlichen Sammlung eines Missionars aus Papua-Neuguinea und lässt sich auf die Mitte des 18. Jahrhunderts datieren. Er wurde zusammen mit einigen weiteren Gegenstanden des täglichen Lebens aus der Region angeboten und für ein paar Euros für die Sammlung erworben.

DAS AUGE IN DER TASSE

Abbildungen des Auges finden sich nicht nur in allen Bereichen von Kunst und Kultur, sie zieren auch zahllose Gebrauchsgegenstände aus dem täglichen Leben. Das Auge ist ein fester Bestandteil in der Werbung. Man drückt damit Stimmungen aus, man lockt mit seiner Darstellung zum Kauf oder reizt durch das Makeup gestylt zum erotischen Abenteuer. Man erschreckt, wie aus dem Tierreich bekannt, einen möglichen Gegner. Im Gruselkabinett lässt das blutunterlaufene Auge des Opfers das Blut in den Adern erstarren. Das scheußliche Auge einer beim Halloween getragene Maske amüsiert den Betrachter, aber meistens erst dann, wenn man ihm damit erst einmal einen gehörigen Schreck eingejagt hat.

Wo immer das Bild des Auges auftaucht, es löst beim Betrachter eine Reaktion aus. Der Überraschungseffekt gelingt zumeist, ob gewollt oder ungewollt bleibt dabei dahingestellt. So brachte die Scherzartikelbranche nahezu jeden nur erdenklichen Gag mit Reproduktionen des Augapfels auf den Markt, am bekanntesten ist der kugelförmige Bulbus, naturgetreu aus Kunststoff imitiert, der bei jeder nur möglichen Gelegenheit zum spaßigen Einsatz kam. Der ungewollte Besuch stieß beim Auslöffeln der Suppe auf ihn und flüchtete bei seinem Anblick. Aber auch wenn das Plastikauge aus einem Kleidungsstück heraus rollte oder unter der Bettdecke versteckt auftauchte, der Gruseleffekt blieb nie ohne Wirkung. Selbst das Schaudern, das ein Glasauge, einst von einem Blinden getragen, auslöst, gehört in diese Kategorie.

Immer wenn man ein Auge auf einer Werbetafel sieht, fühlt man sich angesprochen. Das Auge löst je nach seiner Ausführung Freude, Ruhe, Spannung, Trauer oder gar Angst aus. Im Blickgefecht überträgt es Nachrichten von einem zum anderen Menschen Es lächelt, es droht oder es zeigt das Ende.

Das gilt auch für diese Tasse. In den Jahren zwischen beiden Weltkriegen gehörte sie zur liebevollen Ausstattung eines jeden Kaffeekränzchens. Ein lächelndes Auge erschien nach Austrinken am Tassenboden und signalisierte: du wirst beobachtet, die Tasse ist leer. Spätestens, wenn das Auge auftauchte war im wahrsten Sinne der Bodensatz erreicht.

Dieses Auge lächelt sogar ein wenig. Man sieht, es stammt nicht von einer Künstlerhand, dennoch geben die ausgeprägte Betonung der oberen Augenbraue sowie die Farbgebung der Wimpern Hinweise auf die Weiblichkeit, die Vergoldung am oberen Tassenrand umgibt es dabei wie ein Heiligenschein. Kein Zweifel, diese Tasse gehörte zu einem weiblichen Konsortium, sie war ein fester Bestandteil vom Kaffeeklatsch. Dabei funktioniert das Ganze nur bei einem Rechtshänder. In der Hand eines Linkshänders ist der nette Effekt verloren. Die Frage, ob es vielleicht auch einst solche Tassen für den Linkshänder gab, bleibt offen.

Der Spruch auf der Tasse lautete sinnreich: „Das Auge sieht den Himmel offen, es schwelgt das Herz in Seligkeit“. Man wollte damit andeuten, dass so eine kleine Tasse voll Kaffee damals zum menschlichen Glück gehörte. Nun, dazu muss man wissen, dass solche Porzellantassen in der Zeit der Rezension auf dem Markt weit verbreitet waren. Sie gab es einst in großen Stückzahlen, aber nur wenige sind noch erhalten. Ob der Kaffeetrinker oder die -trinkerin, wenn plötzlich das Auge vor ihrem Auge auftauchte die Tasse vor Schreck fallen ließen und so für das dauerhafte Ende des Gags sorgten, ist nicht näher bekannt.

So signalisiert das Auge nach fast einem Jahrhundert noch immer eine gemütliche Zufriedenheit, die uns heute fehlt. Da, wo der Kaffeeautomat auf Knopfdruck ein dutzend diverse Kaffeesorten ausspuckt ist kein Platz mehr für so ein liebevoll bemaltes Tässchen und seinen Inhalt. In unserer Wegwerfgesellschaft fehlt die Zeit, um es in Ruhe genießen zu können.

Der Sammler muss heute lange suchen um ein solches noch gut erhaltenes Exponat zu finden. Der Preis richtet sich dabei nach dem Erhaltungszustand. Diese Augentasse stammt aus einem Antiquitätengeschäft in Oberfranken. Sie wurde bei Ebay entdeckt und zu einem Preis von ein paar Euros für die Sammlung erworben.

 

DAS AUGE IM ALTER

Alt sein ist Schicksal. Spätestens mit dem Tag seiner Geburt beginnt der Mensch schon zu altern. Der Prozess geht schleichend voran. Alle Teile des Körpers sind mehr oder weniger gleich davon betroffen, auch im Auge spiegelt sich dieser Vorgang wieder. Während ein Neugeborenes noch bis auf wenige Zentimeter Abstand vor seinem Auge alles scharf erkennen kann, ist dies schon bald nicht mehr der Fall. Mit zunehmenden Alter bedarf es beim Sehen in der Nähe, vor allem aber beim Lesen einer Brille, diese Situation machten sich Künstler immer wieder zum Motiv.

Auf dieser Lithographie aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Problematik alternder Menschen in aller Feinheit dargestellt. Eine alte Frau, wohl die Großmutter, sitzt im Lehnstuhl. Die Hände liegen auf ihrem Schoß, in der linken Hand hält sie ein Kleidungsstück, das sie wohl flicken will. Ihre Füße ruhen dabei auf einem flachen Schemel. Auf dem Holzstuhl gegenüber liegt ihr Strickzeug. Eine Katze betrachtet schläfrig das Schauspiel, es ist in der Tat ein Idyll.

Die Alte, sie dürfte etwa 70 bis 80 Jahre alt sein trägt eine einfache Lesebrille der Zeit, zwei querovale Gläser sind in einem Eisengestell gefasst, die Ohrenbügel, unter ihrer Haube versteckt, verhindern das herab rutschen. Die Oma strahlt eine zufriedene Geduld aus, denn ein kleines Mädchen dessen Gesicht zum Fenster gewandt ist, bemüht sich gerade einen Faden in eine Nähnadel einzufädeln, sie hält diese nur wenige Zentimeter vom Auge entfernt. Man sieht, das Mädchen mit den jungen und unverbrauchten Augen konzentriert sich, ihr Blick richtet sich auf das Objekt.

In dieser Zeit war der alternde Mensch generell auf eine Brille angewiesen, sie ersetzte ihm den Verlust seiner Akkommodationsfähigkeit. Alternativen dazu gab es nicht. Die Brillen der Zeit hatten nur wenige Varianten in den Gläserstärken, mit dem 40. Lebensjahr startete man mit einem Brechwert von etwa einer Dioptrie, im hohen Alter bedurfte es dann des drei- bis vierfachen. Trotzdem reicht hier die Brille nicht einmal mehr zum Einfädeln, das kleine Mädchen springt helfend ein. Es ist daher zu folgern, dass die betagte Frau nicht nur altersweitsichtig ist sondern auch am grauen Altersstar leidet, ihr starrer Blick in die Ferne über die Brillenränder hinweg lässt diese Diagnose erahnen.

Der Künstler setzt dabei auf das Detail. Ein altdeutscher Schrank, der Tisch mit den Kugelfüssen, der Zinnleuchter und die Kaffeekanne ergänzen das Bild. Der der grobe Holzboden lässt erkennen, dies war nicht die feine Stube einer vornehmen Familie, es war das Wohnzimmer des einfachen Bürgertums nach Ausklang des Biedermeiers. Das Bild ist aus einem Jahrhundert, das man im Volksmund als die gute alte Zeit bezeichnete, damals schien es dass die Welt noch in Ordnung war und eine einfache Lesebrille für den bescheidenen Lebensstandard voll ausreichte.

Diese von dem bedeutenden Genremaler Jan Moeselagen 1874 in Düsseldorf als Vorlage für eine Lithographie geschaffene Szene zeigt ein intaktes Familienleben hin über die Generationen. Es ist eine Symbiose von Jugend und Alter, beide ergänzen sich in ihren Fähigkeiten. Der durch das hohe Alter der Oma Verlust der Sehschärfe wird von dem kleinen Mädchen liebevoll unterlaufen. Nicht zu Unrecht betitelt der Künstler diese Szene mit „Alte und junge Augen“.

Diese Lithographie wurde vor vielen Jahren in einem Berliner Antiquariat erworben, sie war damals noch für ein paar Mark zu kaufen. Inzwischen sind die Blätter im Genre-Stil selten gewordenen, die Originale sind bei Sammlern begehrt, strahlen sie doch eine heile Welt aus. Sie stammen aus einer Zeit, wo alt zu werden noch etwas Besonderes war, und wo die Erblindung des betagten Menschen zum Schicksal gehörte.

 

FRÜHE LESEBRILLE

Immer mehr Menschen lernten im ausgehenden Mittelalter das Lesen. Der Schulbesuch wurde, von der Kirche und der Obrigkeit gefördert, bald für nahezu jedermann möglich. Die Fähigkeit des Lesens setzte aber beim weitsichtigen, vor allem aber dem altersweitsichtigen Menschen das Vorhandensein einer passenden Brille voraus. Sie wurde um 1290 erfunden. Das wurde erst möglich nachdem es gelang ein durchsichtiges Glas herzustellen und dies zu einer optisch brechenden Linse zu formen. Die frühen Brillen waren allerdings für den einfachen Bürger noch unerschwinglich, erst als sie als preiswerter Massenartikel zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf den Markt kamen, konnte die klassische Lesebrille auch die einfache Bildungsschicht erreichen.

Mit stetigem Anstieg der Altersgrenzen wurde die Lesebrille immer häufiger gebraucht. Es galt daher nach billig herzustellenden Linsen und einfachen Gestellen zu suchen. Die ersten Brillen bestanden aus zwei Holzrahmen, ähnlich unseren heutigen Leselupen. Diese waren paarweise am Ende des Griffs mittels eines Niets beweglich verbunden, dadurch konnte das Gläserzentrum dem jeweiligen Pupillenabstand angepasst werden. Im frühen Buchdruck finden sich Hinweise auf ihre Konstruktion: mit einigem Glück hielten sie auch auf dem Nasenrücken, sonst hielt man sie in der Hand. Ihre Brechwerte lagen bei zwei bis drei Dioptrien, das Glas war auf Grund von metallischen Verunreinigungen leicht grün gefärbt.

Brillen aus der Anfangszeit der Augenoptik sind als Original nur in einigen wenigen Exemplaren bekannt, sie befinden sich in den Museen zur Geschichte der Optik. Dafür haben sich Abbildungen von ihnen zahlreich erhalten, Altarbilder und Kirchenfenster zeigen Heilige und Kirchenfürsten, meist gealtert, mit einer Brille. Dies zeigt, dass vornehmlich die Geistlichkeit zu ihren ersten Besitzern und Nutzern zählte.

Gegen Ende des 15. Jahrhundert kamen die ersten Lederbrillen auf den Markt. Die Gläserhalterung bestand aus jeweils zwei dicken Lederstreifen, die über beide Augen reichten, die Form war ausgeschnitten oder gestanzt. Jeweils zwei der Gläser wurden auf den Öffnungen ausgerichtet, die beiden Lederstreifen danach einfach miteinander verklebt. Das erlaubte eine Produktion zum Discountpreis. Allerdings war das Sitzverhalten auf dem Nasenrücken trotz des biegsamen Nasenstegs Leder ungenügend. Dies galt es zu verbessern.

Als nächstes kamen in der Mitte des 16. Jahrhunderts Brillengestelle aus Kupferdraht auf dem Markt. Sie ersetzten rasch die Lederbrillen, deren Stabilität noch recht mangelhaft war. Die Gläser in den preisgünstigen Kupfergestellen waren mit einer entsprechenden Zange in ihre Form gepresst, nur höherwertige und damit teurere Brillen bekamen geschliffene Plusgläser, Minusgläser zum Ausgleich der Kurzsichtigkeit kamen erst in der Neuzeit auf.

Hier diese Sehhilfe ist eine klassische Brille der dritten Generation, sie stammt aus der ersten Nürnberger Massenproduktion. Der Rahmen besteht aus einem Kupferdraht, in den, plattgewalzt, eine Fuge zur Aufnahme der Gläser eingepresst war. Zur Fixation der kreisrunden Linsen genügte ein Bindfaden oder ein feiner Kupferdraht, der, wenn aufgebogen den raschen Gläsertausch erlaubte. Getragen wurden diese Brillen, so zeigen frühe Holzschnitte, indem man sie auf die Nase klemmte oder mit einer Hand vors Auge hielt. Der klassische Ohrenbügel wurde erst drei Jahrhunderte später zur Routine. Form und Konstruktion wurden zum Vorbild des späteren Zwickers. Eine geschnitzte Dose aus Holz oder Messingblech diente zur bruchsicheren Aufbewahrung. Ihre Funktionstüchtigkeit war so über Generationen garantiert, über zwei Jahrhunderte hatten sich Form und Preis bewährt.

Die hier gezeigte Brille zählt zu den klassischen Exemplaren der frühen Augenoptik. Die Art der Fertigung und vor allem die noch gut sichtbaren Spuren der Plättwalze im Kupferrahmen verraten Ihren Herkunftsort, nämlich Nürnberg. Hergestellt wurden dort solche Brillen zwischen 1500 und 1750, diese ist wohl aus der Anfangszeit.

Das hervorragend erhaltene Exemplar stammt aus der Sammlung des Diplom- Optikers Richard Aichberger aus Wels. Seine Enkelin übergab die Preziosen zur weiteren Betreuung und Bewahrung an das künftige Ulmer Museum zur Geschichte von Auge und Sehen, weitere Exponate werden noch vorgestellt.

 

DAS GLASAUGE

Das menschliche Auge prägt das Aussehen eines Individuums. Es kommuniziert mit seinem Gegenüber, es ist ein Bestandteil der Mimik. Der Anblick einer leeren Augenhöhle erschreckt. Ein zerstörtes oder gar fehlendes Auge lässt das Gegenüber erschauern. Narben in seinem Bereich, gleich welcher Ursache, führen zum Verlust der Ästhetik, sie entstellen das Gesicht. Der Ausfall eines Auges wiegt also nicht nur schwer wegen Verlusts der Sehfunktion sondern auch wegen des damit verbunden kosmetischen Defizits. Über die Jahrhunderte pröbelten Menschen daher, den fehlenden Augapfel durch eine möglichst naturgetreue Prothese zu ersetzen. Dies erforderte ein hohes handwerkliches Geschick. Natürliche Materialien wie Bernstein, Edelmetall oder Bergkristall waren einst bevorzugte Ausgangsstoffe. Heute ist es das Glas, das, von Künstlerhand geformt, die Grundlage einer Augenprothese bildet.

Bereits in der Antike war man bestrebt den Verlust eines Auges, sei es durch Krankheit oder Unfall geschehen, zu ersetzen. Das älteste bekannte Kunstauge wurde von Archäologen in Persien entdeckt, sein Alter schätzt man auf 5000 Jahre. Auch die Ägypter kannten schon die Augenprothese, sie gab es für den lebenden wie auch den mumifizierten Pharao. Seine künstlichen Augen waren aus Edelsteinen geschliffen, aus Glas oder Metall geschmolzen oder aus Elfenbein geschnitzt. Im alten China nutzte man vornehmlich Porzellan als Ausgangsmaterial, die Griechen brauchten das Glasauge für ihre Bronzestatuen, ihre Theatermasken und sogar Puppen. In Rom nannten man den Glasaugenhersteller den „Faber oculi“, eben den Augenmacher oder Augenkünstler, er war auf Grund seiner Fertigkeit hoch angesehen. Büsten, schon im alten Syrakus mit Glasaugen ausgestattet, hatten, so Archimedes, immer etwas Menschliches.

Der Verlust eines Auges war dabei keineswegs selten. Kaum therapierbare Entzündungen, vor allem nach Verletzungen, verliefen infaust, kriegerische Auseinandersetzungen hinterließen Wunden, im Steinbruch oder der Schmiede ging mancher Splitter in das ungeschützte Auge. Im Mittelalter trug der einfache Mann nach Verlust eines Auges eine Lederklappe, auf die ein Auge gemalt war, nur die Augenklappe des Piraten blieb abschreckend schwarz. Bessere Leute leisteten sich eine Prothese aus Silber, Gold oder Email. Wie für die ersten Brillengläser soll auch Venedig die erste Produktionsstätte von Glasaugen gewesen sein. Später, zur Zeit der Renaissance galt Paris als ein Zentrum für die Herstellung künstlicher Augen.

Im vorletzten Jahrhundert entdeckte ein Würzburger Augenarzt, dass die Glasaugen für Puppen oder ausgestopften Tieren auch für den Menschen von Vorteil sein konnten. Ludwig Müller-Uri aus Lauscha zählt zu den Pionieren der Augenprothetik, seine künstlichen Augen wurden der Augenhöhle sorgfältig angepasst. Operative Techniken bemühen sich seitdem mit dem Erhalt der Augenmuskulatur und sichern damit die Beweglichkeit der Prothese in allen Blickrichtungen, – passend zum Partnerauge.

Die Herstellung eines künstlichen Auges lohnt sich anzuschauen. Aus einer Hohlkugel entwickelt der Glasbläser eine Halbschale, die nicht nur die Leere der Augenhöhle ausfüllt sondern von der verbliebenen Muskulatur gesteuert den natürlichen Augenbewegungen folgt. Regenbogen- und Lederhaut werden dem verbliebenen Auge dreidimensional täuschend nachgeahmt.

Historische Glasaugen finden sich kaum auf dem Trödelmarkt, genauso so wenig, wie es dafür Sammler geben dürfte. Lediglich die medizinhistorischen Museen besitzen einige wenige Exemplare, schließlich sind Augenprothesen aus Glas genau so vergänglich wie seine Träger selbst.

Jedes Glasauge wird individuell angefertigt, es ist immer ein Einzelstück, es ist eine Kopie des gesunden Auges eines Menschen. Seine Identität gleicht einem Fingerabdruck. So hat auch hier dieses Glasauge hat seine Geschichte. Es gehörte aber nicht irgendeinem Individuum sondern es wurde vor staunenden Besuchern angefertigt, es zeigt die handwerkliche Virtuosität des Künstlers. Die Schriftstellerin Gabriele Goettle erzählt über das Erlebnis in ihrem Buch: Deutsche Spuren, beim Menschenaugenhersteller. Das damals überlassene Glasauge wurde von ihr jetzt der Ulmer Sammlung vermacht.

 

DER BLINDENFÜHRHUND

Blinde Menschen können in unserer Welt nur dann überleben, wenn Sehende ihnen dabei helfen. In einer Umwelt voller Gefahren benötigen sie Schutz vor Hindernissen, die Nahrungssuche ist für sie unmöglich, sie können sich nicht orientieren, selbst einfachste Vorgänge im täglichen Leben werden zu einem Problem. Im Straßenverkehr sind sie nahezu ohne Chance, nur innerhalb eines intakten sozialen Umfelds können sie am gesellschaftlichen oder kulturellen Leben teilhaben. Doch nicht nur Menschen helfen einem Blinden auf diesem Weg, auch Tiere sind treue Wegbegleiter. Am bekanntesten ist hier der Blindenführhund, kurz der Blindenhund genannt. Ihn gibt es seit einhundert Jahren.

Dass Hunde auf Grund ihres Spürsinns in der Lage sind, blinde Menschen zu führen, Gefahren für ihren Betreuer zu erkennen und sie durch vertraute Bereiche zu geleiten, ist schon lange bekannt. Obwohl in der Antike die fürsorgenden Fähigkeiten von Tieren in vielen Sagen bewundernswert beschrieben werden, gab es den Blindenhund dort nicht. Warum ist nicht bekannt, möglicherweise galt die Achtung vor einem Tier nicht für alte Kulturen. Auch war der Hund noch bis ins Mittelalter keineswegs überall ein immer gerne gesehenes Tier, sah man in ihm doch den Überträger zahlreicher Krankheiten und Seuchen. Aus diesem Grunde verboten ihn viele Kommunen in ihren Polizeiordnungen. Sein Besitz war streng reglementiert, lediglich vermögende Patrizier durften sich ihn leisten. Sein Besitz wurde sogar mit Steuern belegt.

Kein Wunder also, das ein Blinder mit seinem Hund erst einmal auf der Strecke blieb. Erst um die Mitte des im 15. Jahrhunderts wurde mit der Entstehung der Städte und ihrer sozialen Gemeinschaften der Hund als intelligenter Begleiter für den Sehbehinderten entdeckt. Im umgrenzten Stadtgebiet konnte er, entsprechend geübt, den blinden Menschen geleiten, er hatte sein abgestecktes Umfeld, sein Revier wurde von der Stadtmauer begrenzt.

So beschloss 1464 der Rat von Straßburg, dass der Hund als stetiger Begleiter des Blinden erlaubt sei. Er war an der Leine zu führen, in einigen Städten, die diesem Beschluss später folgten, war er besonders zu kennzeichnen. Viel ist hierzu allerdings in den frühen Chroniken nicht zu finden. Bei dieser Abbildung, einem Kupferstich, dürfte es sich um die erste Darstellung eines Blinden mit

Hund handeln. Sie zeigt den heiligen Eustasius aus der Bavaria sancta in der Erstausgabe von 1624. Auch kennt jeder die frühen sozialkritischen Radierungen Rembrandts wo er 1631 einem blinden Bettler und seinem Hund ein Denkmal setzte.

Obwohl in den Jahren des ausgehenden Mittelalters auf Grund von Seuchen und Verletzungen die Zahl blinder Menschen weit höher lag als heute, findet man nur wenig Berichte über ihren Umgang mit Hunden. Amtlich anerkannt wurde der Hund als Blindenführhund jedenfalls im ersten Weltkrieg, der zahllose Blinde hinterließ. Einer dieser Kriegsblinden war Paul Feyen, von ihm stammt das erste Foto eines Blindenhundes.

Inzwischen ist der Blindenführhund für jedermann ein Begriff, vor allem in den zivilisierten Ländern genießt er ein hohes Ansehen. In einem harten Training wird er ausgebildet, dieses ist aufwendig und teuer. Tombolas, Lotterien und Spendensammlungen unterstützen einst den Erwerb des Tieres. Im ersten Weltkrieg trug der Adel mit dem Verkauf von Autogrammkarten bei, heute finanzieren seine Anschaffung und Haltung die Krankenkassen und damit der Sozialetat.

Die Leistung eines Blindenführhundes ist enorm, er geleitet Blinde sicher durch den Verkehr, er erkennt Ampeln und Zebrastreifen, er findet Briefkästen und Haltestellen. Damit gehört der Blindenhund genauso wie die Brille oder das Fernrohr zur Geschichte von Auge und Sehen. Obwohl der Blindenführhund heute zum Allgemeingut des täglichen Lebens gehört gibt es von ihm nur wenige Belege. Sein Bild findet sich gelegentlich auf Briefmarken, Postkarten, einem Cover oder Geldschein.

 

DIE SCHWEISSBRILLE

Brillen dienen nicht nur zum optimalen Sehen in Ferne und Nähe, sie haben auch eine Schutzfunktion für das Auge. Als Arbeitsbrille gibt es sie allerdings erst seit der Zeit der industriellen Revolution, ursprünglich diente nur ein feines Draht- oder Stoffgeflecht an Stelle des zerbrechlichen Fensterglases als Schutz vor Splittern, Staub und Russ. Man nannte sie die Steinschlägerbrille. Erst als es gelang die Gläser durch Beimischen von Schwermetallen und Temperieren zu härten und so bruch- und splitterfest zu machen wurde das Gitter vor den Augen durch Glas ersetzt, das Gitter selbst wanderte als Seitenschutz an den Brillenbügel. So wurde das Auge am Arbeitsplatz gleichzeitig hinterlüftet und ein Beschlagen unterlaufen. Nicht nur der Lokführer im offenen Führerstand war auf diesen Schutz angewiesen. Auch sein Heizer schützte so sein Auge vor dem Funkenflug.

Doch die Industrie benötigte bald mehr an Schutz für das Auge an einem immer komplexeren Arbeitsplatz. Auch für den Motorrad- oder Autofahrer war dieser Typ einer Schutzbrille ungeeignet, da der Fahrtwind die Brille samt Bügeln vom Auge geblasen hätte. Die Entwicklung der Schutzbrille ging daher weiter: Fassungen aus Leder, dem Gesicht oder Kopf abgeformt, waren die Favoriten für den Automobilisten und Kradfahrer, Brillen mit Ohrenbügel und Seitenschutz trugen der Dreher oder Steinmetz. Allen diesen frühen Schutzbrillen war eines gleich: die Gläser hatten in der Regel keine optische Funktion.

Die ersten Schutzbrillen hatten nur runde Gläser, diese waren leicht herzustellen und konnten rasch gewechselt werden. Man erkennt Sie daran, dass ihr Durchmesser über dem üblicher Brillengläser liegt. Das Auge sollte möglichst großflächig vor Splittern geschützt werden. Mit Einführung des Elektroschweißgerätes bemerkte man recht schnell, dass der konzentrierte Blick in die heiße Flamme schmerzhafte Folgen hatte. Es galt die kurzwellige UV Strahlung als Ursache der Keratitis solaris zu herauszufiltern.

Der Schweißer und Metallgießer benötigte zusätzlich eine Lichtabsorption. Wie schon bei der Sonnenbrille des Biedermeiers löste man das Problem mit vorklappbaren dunklen Plangläsern und sparte sich, selbsttönende Gläser waren noch unbekannt, damit den stetigen Brillenwechsel. Die hier gezeigte Arbeitsbrille eines Metallarbeiters mit einer Lichtabsorption von 80 % lässt folgern, dass sie nur am Arbeitsplatz zu tragen war. Die Schutzbrillen der Polarforscher und Bergsteiger bedurften weniger an Blendschutz. Im Gegensatz zu den marktüblichen Sonnenbrillen, deren Brechwert auf die Fernkorrektur bezogen war, war diese Brille hier aufgrund ihres beidseitigen Nahausgleichs von + 2.0 Dioptrien ausschließlich für den Arbeitsplatz vorgesehen.

Diese Schutzbrille war einst das Standartmodell in der Metallindustrie, sie wurde in hoher Stückzahl gefertigt. In einem einfachen Eisengestell wurden zwei Gläser, meist mit Planschliff, seltener mit einer Nahkorrektur von + 1,0 bis + 3.0 Dioptrien eingefasst, mittels eines Scharniers konnten bei Bedarf zwei dunkle Plangläser als Blendschutz davor geklappt werden. Die biegsamen Ohrenbügel verhinderten ein Herunterrutschen bei heftigen Kopfbewegungen.

Die Oberflächen der Gläser dieser Brille lassen erkennen, dass ihr Besitzer ständig von heißen Splittern getroffen wurde, sie haben sich tief in das klare wie auch in das dunkle Schutzglas eingebrannt und lassen sich von dort auch nicht mehr entfernen. Nachdem sich bei der mikroskopischen Untersuchung zeigte, dass es bei den Einsprengungen im Glas sich nicht um Schweißperlen sondern um geschmolzene Metallpartikel handelt ist anzunehmen, dass ihr Träger entweder im Funkenflug an einem Hochofen stand oder als Heizer einer offenen Flamme ausgesetzt war.

Die meisten dieser Brillen existieren heute nicht mehr. Sie gingen zur Bruch, die Gläser wurden durch Splittern unbrauchbar, Reparaturen lohnten sich nicht, man warf sie weg. Ab und zu findet man eine solche Brille auf einem Flohmarkt, diese stammt von Ebay. Sie wurde, obwohl in einem noch recht guten Erhaltungszustand, für ein paar Euros für die Sammlung erworben.

 

DAS AUGE DER PRINZESSIN

Über das Leben der Menschen in der Prähistorik und frühen Antike wissen wir nicht viel. Schriften, in denen uns über ihr Leben oder gar ihre Sorgen berichtet wird, fehlen. Gefühle wie Schmerz, Trauer, Freude oder Angst konnten uns weder in Wort noch Ton überliefert werden. Doch Emotionen gab es bereits genauso wie heute und schon immer war das Auge hierfür eines der eindrucksvollsten Ausdrucksmittel. Lediglich aus den Darstellungen des Gesichts, vor allem aber des Auges können wir ablesen, was den Menschen einst bewegte. Seine Abbildungen in der Malerei der Steinzeit, in den Plastiken der Antike bis hin zur ersten realistischen Darstellung in der Malerei oder dem Foto sind damit auch Ausdruck menschlicher Gefühle.

Das einzige also, was uns über die Psyche eines Menschen aus der Vergangenheit erzählen kann ist seine Mimik. Sie berichtet uns noch heute über seinen seelischen Zustand, seine Probleme, sein Leben. Dies gilt auch für diesen kleinen Kopf, man vermutet, er ist der einer ägyptischen Prinzessin aus der 18. Dynastie. Diese Plastik tauchte kürzlich im Handel auf, Fachleute datieren sie vom Stil her auf die Zeit um 1350 vor Christus. Er stammt wohl aus Amarna in Mittelägypten, von dort also, wo auch die bekannten Köpfe des Echnatons und seiner Gemahlin Nofretete ihren Ursprung haben. Dafür spricht vor allem die ausgeprägte Deformation des Hinterkopfes. Die Zuordnung des gerade handgroßen Kopfes zu einem Mann oder doch wohl eher zu einer Frau ist noch in der Diskussion. Die Archäologen denken dabei an die Prinzessin Merit-Aton, die Tochter Echnatons. Doch wer auch immer es ist, von welcher Seite und in welchem Licht man auch den Kopf betrachtet, der Blick fällt sofort auf das Mienenspiel.

Das linke Auge ist weit geöffnet, die Lidspalte wird nahe dreizipflig dargestellt, die obere Lidkante verläuft in seiner Kante gestreckter, sie ist deutlich grösser als das Unterlid. Der Augapfel ist nur angedeutet, typisch für das Portrait dieser Zeit. Die Kornea ist flach aufgesetzt, sphärisch gewölbt, selbst die Karunkel und das untere Tränenpünktchen sind angedeutet. Die Augenbraue ist elegant geschwungen und reicht schläfenwärts bis weit unter das flach auslaufende Unterlid. Der Künstler beherrschte diese Formgebung perfekt.

Der Grundkörper des Kopfes ist aus Kalkstein, die Feinheiten der Gesichtszüge wurden aus einem dünnen darüber liegenden Gipsmantel herausgearbeitet. Der Kopf ist unvollendet, Farbspuren lassen an Artefakte denken. Doch was an diesem Exponat noch bedeutsam ist: wie bei der Büste der Nofretete ist auch hier nur die linke Gesichtshälfte ausgearbeitet, die rechte, und damit auch das zweite Auge und Ohr sind nicht vollendet. Die Gründe hierfür kennt man nicht.

Das Auge strahlt keineswegs vor Freude. Es blickt ernst wie alle Augen dieser Zeit entspannt geradeaus, es spricht den Betrachter an, es hinterlässt das Gefühl von sanfter Dominanz. Das ist nicht das Auge eines Bauern, nicht das eines Bürgers. Im Blick liegt die Strenge eines Herrschers oder einer Herrscherin. Die Milde des Lippenspiels ergänzt den Blick. Wie man den Kopf auch wendet, die Mimik bleibt stets die gleiche. Das einfallende Sonnenlicht erweckt den Kopf zum Leben und unterstreicht die eigenwillige Form des Auges.

Der kleine Kopf, über drei Jahrtausende alt, fesselt auch heute noch den Blick seines Betrachters. Solche archäologische Funde gibt es kaum im Handel. Die meisten Exponate befinden sich sicher aufbewahrt in den Vitrinen großer Museen, die seltenen Angebote kommen nur aus Privatsammlungen, der freie Markt kennt kaum solche Spitzenstücke. Dieser ägyptische Kopf wurde mit einem Konvolut weiterer antiker Artefakte in einem Auktionshaus in Kempten ersteigert. Er stammt aus einem archäologischen Nachlass. Noch wird geprüft ob es sich um eines der äußerst seltenen Originale aus Amarna oder nur um eine perfekt gemachte Replik eines verschollenen Vorbilds handelt. Für letzteres spricht der eher bescheidene Preis für den Zuschlag.

 

OPTISCHES MULTITOOL

In Kenntnis der optischen Gesetze und einer immer präziseren Fertigung von lichtbrechenden Gläsern war der Einfallsreichtum bezüglich ihrer praktischen Anwendung nahezu unbegrenzt. Der Erfindung des Teleskops folgte bald der Bau des ersten Mikroskops, Mikrokosmos und Makrokosmus wurden Schritt für Schritt erschlossen. Die Konstruktionen medizinischer Untersuchungsgeräte wie Augenspiegel und Kehlkopfspiegel folgten dann dicht aufeinander. Waren die ersten optischen Geräte noch nicht für jedermann erschwinglich, so ermöglichte das Zeitalter der Industrialisierung schließlich ihre Massenproduktion die preisgünstige Herstellung. Letztendlich konnte und wollte jetzt jeder wissenschaftlich interessiert oder nicht, ein Fernglas oder Mikroskop besitzen.

Es muss schon ein pfiffiger Erfinder gewesen sein der sich dazu das optische Multitool einfallen ließ. Das hier gezeigte Gerät war zum Gebrauch für jedermann gedacht. Und es war für alles einsetzbar. Es besteht aus zwei kleinen Zerstreuungslinsen als Okular, in 150 mm Abstand lassen sich zwei Sammellinsen als passendes Objektiv ausklappen. Alle vier Linsen, so im Plastikrahmen miteinander gekoppelt, entsprechen in ihre Anordnung einem binokularen Fernrohr vom Typ des Galilei. Auf eine lichtabdichtende Röhre als Verbindungsstück wurde verzichtet, bei Tageslicht stört daher das seitlich einfallende Licht die Sicht beträchtlich.

Die Fokussierung dieses Fernrohres oder -glases erfolgt über zwei ineinander gesteckte Röhrchen, wodurch sich der Abstand zwischen den beiden Linsensystemen durch einfaches Verschieben variieren lässt. Immerhin erreicht das kleine Gerät eine Vergrößerung vom 8-fachen und erlaubt so gerade noch bei Nacht den Ring, oder, wie es die Antike beschrieb, die Ohren des Saturns zu erkennen.

Nun ist das Gerät nur nicht nur ein Fernglas oder gar Opernglas wie es werbend angeboten wird sondern der mittig angebrachte Kompass erlaubt die Orientierung im Gelände. Auf seiner Rückseite befindet sich ein kleiner Planspiegel, wodurch, wie es der Hersteller verspricht, das Gerät bei Wegklappen der jetzt überflüssigen Zerstreuungslinsen auch als Kehlkopfspiegel anwendbar ist. Doch nicht nur das, auch der Augenhintergrund sei damit einsehbar. Letzteres gelingt allerdings selbst dem erfahrenen Ophthalmologen mit dem kleinen Gerät nur andeutungsweise, und dann auch nur in maximaler Mydriasis.

Eher gelingt da der Einsatz des Multitools als Vergrößerungslupe, wahlweise mit + 6.0 oder zusammengesetzt mit + 12.0 Dioptrien. Die in der Werbung angeführte Anwendung als Mikroskop wird in der beigefügten Beschreibung nicht erklärt.

Viel ist aus der Literatur über dieses originelle Multitool nicht zu erfahren. Die beigefügte Gebrauchsanweisung erklärt nur wenig, ihre charaktervoll werbenden Sprüche übertreffen die optische Qualität des Geräts bei weitem. Nur die Bezeichnung DRGM ist vermerkt und lässt daher die Herstellung des Gerätes auf die Zeit zwischen 1891 und 1945 begrenzen. Der Begleitzettel nennt als Hersteller einen A.F. in F. Es handelt sich dabei wohl um eine Frankfurter Firma, zumindest spricht hierfür das Stadtwappen im Emblem. Der weiße Kunststoff, aus dem die Linsenhalterung gefertigt ist, lässt die Zeit kurz vor dem ersten oder aber zwischen den beiden Weltkriegen vermuten. In einer Zeitungsanzeige, datiert aus dem Jahr 1905 wird seine optische Vielfalt hervorgehoben. Ein weiteres vereinfachtes Modell aus Eisenblech trägt die Bezeichnung „Parsifal“ und stammt wohl aus den Kriegsjahren.

Das Gerät dürfte sich auf dem Markt nicht unbedingt durchgesetzt haben. Es wird zwar in der Fachliteratur auch unter Militaria beschrieben und für gestrandete Piloten als unersetzlich bezeichnet, die mangelhafte Stabilität der Plastikausführung macht aber das Ganze kaum kriegstauglich. Auch der Verkäufer konnte nicht viel über die Herkunft des Multitools berichten. Nur selten findet sich immer wieder einmal das eine andere ähnlich konstruierte Gerät im Antiquitätenhandel. Der dort geforderte Preis lässt es eindeutig als Rarität erkennen, er liegt inzwischen deutlich höher als der einst in der Werbung angeführte Kaufpreis von 6,50 Reichsmark, was einem heutigen Wert von etwa 20,00 € entspricht.

SAUGGLOCKE NACH HERZAU

Die sachgerechte Behandlung von Erkrankungen oder Verletzungen des Auges spielte schon immer eine besondere Rolle für den Menschen, führte doch das Versagen einer Therapie oft zum Verlust der Sehfunktion. Dabei ging es sicherlich nicht nur um die fachgerechte Entfernung eines Splitters aus dem Auge, sondern auch um schicksalhafte Erkrankungen wie den grauen oder grünen Star. Das hierzu benötigte Instrumentarium wurde über die Jahrhunderte hin immer feiner und vielfältiger, dem Erfindungsreichtum des Okulisten waren keine Grenzen gesetzt. Zu allen Zeiten gab es Tüftler unter den Augenärzten, die neue Instrumente oder Geräte für die Diagnose und Therapie am Auge konstruierten.

Viele der zahllosen therapeutischen Ansätze sind längst wieder vergessen. Sie wurden irgendwann durch Neuentwicklungen ersetzt. Unbekannt ist heute die nach Werner Herzau benannte Saugglocke. Ihre Anwendung erfolgte im Rahmen der Behandlung von entzündlichen Prozessen am Auge, sie diente zur Aufhellung von Hornhauttrübungen oder zur Senkung des gestiegenen Augendrucks. Die Indikation, die Kontraindikation sowie die Anwendungstechnik sind bestenfalls nur noch den Historikern bekannt, obwohl das Prinzip der Saugglocke noch nicht einmal vor einem Jahrhundert entwickelt worden war. Die Idee, auf mechanischem Wege eine Hyperämie der Bindehaut zu erzeugen um den Heilverlauf an einem erkrankten Auge zu fördern, scheint auf den ersten Blick faszinierend.

War zuvor eine Steigerung der Durchblutung am Auge nur durch eine Stauung der Halsvenen durch eine um den Hals gelegte Gummibinde zu erreichen,- so berichtet es jedenfalls der Erfinder -, konnte diese jetzt allein durch das Anlegen seiner Saugglocke am Augapfel angeregt werden. Dies sollte den Heilverlauf positiv beeinflussen.

Diese Saugglocken, hergestellt von der Firma Präzisa GmbH im thüringischen Ilmenau, bestehen aus einem Glastrichter dessen Innenfläche der äußeren Hornhaukontur abgeformt ist. In der Verlängerung des Trichters befindet sich ein gebogenes Glasrohr von wenigen Zentimetern Länge auf dessen offenes Ende ein Gummiball gesteckt wird. Durch seine Kompression lässt sich der Glastrichter, wie eine Skleralschale auf der Kornea aufgesetzt, am Augapfel festsaugen. Ein zuvor in den Bindehautsack applizierter Tropfen Pantocain sollte ausreichen, das Fremdkörpergefühl und den daraus resultierenden krampfartigen Lidschluss zu unterlaufen. Der derart ausgeübte Unterdruck führt zur starken Durchblutung der Bindehaut und zieht zugleich Flüssigkeit aus dem Hornhautgewebe sowie dem Augeninneren. Auch der Augeninnendruck schien dadurch zu sinken.

Insgesamt, so der beiliegende Waschzettel, förderte dieses Verfahren die Belebung des Stoffwechsels am Auge. In der erhaltenen Fachliteratur streiten sich allerdings der Erfinder und Andersdenkende über den Nutzen. Berichte über Nebenwirkungen oder gar Schäden der Methode fehlen. Über seine Erfolge informiert uns der Konstrukteur ausführlich, nach Anwendung der Saugglocke in Fällen einer Keratitis parenchymatosa erreichten bis zu 75 % aller Patienten auf dem erkrankten Auge wieder volle Sehschärfe. Die diesbezüglichen Publikationen finden sich 1932 in den klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde.

Dieses mit blauem Samt ausgeschlagene Kästchen besteht aus einem Set von zehn Saugglocken mit verschieden geformten Trichtern. Dazu gehören vier Gummibällchen. Auch die Originalbeschreibung zur Anwendung liegt noch bei. Solche Geräte für längst verlassene therapeutische Maßnahmen am Auge sind im Handel nur seltenen zu finden, das dünne Glas war leicht zerbrechlich, der Gummi irgendwann zerbröselt.

Der Sammler entdeckt, wenn er Glück hat, solche Exponate bei der Auflösung alter augenärztlicher Praxen. So stammt dieses Set von Saugglocken aus dem Nachlass eines Fachkollegen, seine Witwe stiftete es der Sammlung. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass diese bestens erhaltenen Hornhautsauger keinerlei Zeichen einer Nutzung oder gar eine Beschädigung aufweisen. Scheinbar waren sie vom Kollegen, obwohl doch als klinisch erprobt empfohlen, nie an einem Patientenauge eingesetzt worden.

 

ALBERT EINSTEIN UND DIE KATARAKT

Wer die Frage stellt, wo denn der Ursprung unser Zivilisation liege, erhält von den Paläoanthropologen einhellig die Antwort: dort, wo der Mensch es lernte mit dem Feuer umzugehen. Feuer heißt Energie, es bedeutet Wärme und es erzeugt das Licht. Dessen Strahlen werden vom Auge erfasst, von seinen brechenden Medien geordnet, gebündelt, in der Netzhaut zum elektrochemischen Impuls umgewandelt und über Sehnerv und Sehbahn ins Gehirn geleitet. Dort werden sie in der Sehrinde analysiert, zum Bild verarbeitet und gespeichert. Licht erzeugt ein Abbild unserer Umwelt, gibt die Umgebung wieder, es zeigt Gefahren, es unterstützt die Nahrungssuche. Licht ermöglicht die Orientierung im Raum.

Sieht man von nächtlichen Leuchten der Sterne ab, so stammt nahezu alles Licht der Erde direkt oder indirekt von der Sonne. Diese findet sich in fast allen Kulturen der Welt als das große Himmelsfeuer, in zahllosen Religionen wird das Sonnenlicht einer Gottheit zugeordnet. Ra, der ägyptische Sonnengott oder der römische Sol sind dafür ein Beispiel. Andere Völker nennen die wärmespende Sonne Echnaton, Helios, Apollo, Mithras oder Sunna. Bereits in der Antike wusste man, dass ein Erlöschen des Sonnenlichts den Weltuntergang besiegeln würde.

Bis in die heutige Zeit aber ist das Licht als Transmitter des Sehens für die Forschung voller Widersprüche geblieben. Ist Licht nun korpuskular, also eine Materie, hat es eine Masse oder ist es nicht anderes als eine elektromagnetische Welle, deren verschiedenen Wellenlängen dem menschlichen Auge als ein Farbenbündel erscheinen? Jenseits des schmalen Spektrums von 380 bis 780 Nanometer sind Ultraviolett oder Infrarot für den Menschen unsichtbar, andere Lebewesen nehmen es noch wahr. Warum aber nicht wir?

Direkt oder indirekt birgt das Licht dem Physiker, so auch Albert Einstein, noch manches Rätsel, das letztendlich die Quantenphysik zu lösen meint. Die Ausbreitung der Strahlen erfolgt nämlich nicht geradlinig, sie werden von einer Masse, also auch von Planeten oder Sternen in ihrer Bahn abgelenkt. Licht wird am Spalt gebeugt, die Geschwindigkeit seiner Ausbreitung gilt als nicht mehr zu steigern.

Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftler suchten im Licht den Ursprung des Seins. Goethe beschäftigte sich mit der Farbenlehre, Einstein beschäftigt sich in dieser wissenschaftlichen Arbeit mit der Fortpflanzung des Lichts in dispergierenden Medien. Er beschreibt die physikalischen Streueffekte und beweist in der vorliegenden Arbeit, dass das Licht in dispergierenden Medien keine Ablenkung erfährt. Oder etwa doch? Es rotiert um eine Achse? Und was davon gilt für das Licht, das den grauen Star durchdringt?

Medizin und Physik stoßen hier aufeinander. Einstein, gerade 43 Jahre alt erklärt, wie sich das Licht in einem trüben Medium verhält. Für den Ophthalmologen war das schon immer die Katarakt. Ihre Therapie war vor einhundert Jahren, als diese Arbeit entstand, noch ein Abenteuer. Während man damals mit dem Graefeschnitt mühsam die ergraute Linse freilegte, sie fasste und samt ihrer Kapsel entband, weist Einstein mittels mathematischer Umschreibung elegant nach, wie sich das Licht aus Sicht des Physikers in ihr fortpflanzt.

Auch für den Nichtphysiker ist diese Arbeit lesbar, wenngleich die mathematischen Formeln nicht gerade leicht verständlich sind. Ob Einstein es bewusst war, dass seine Gedanken zur Lichtausbreitung in dispergierenden Medien einmal auch seine eigene Katarakt betreffen würden, bleibt unbekannt. In Ulm 1879 geboren verstarb er mit 76 Jahren in Princeton. Dass er an seinem Lebensende selbst an einem grauen Altersstar erkrankt war, gilt als sicher.

Dieses Separatum mit dem Titel „Zur Theorie der Lichtfortpflanzung in dispergierenden Medien“ aus dem Jahr 1922 stammt aus einem kleinen Bücherladen in der Schweiz, und konnte daher zu einem bescheidenen Preis erworben werden. Sonderdrucke von Albert Einstein sind als Erstausgaben nämlich hoch begehrt. Man zahlt im internationalen Handel Spitzenpreise. Der Sammler wird besser nicht in den Fachantiquariaten für wissenschaftliche Literatur oder großen Auktionshäusern nach ihnen suchen.

 

DER AUGENARZT IM BILD

Abbildungen von Menschen bei ihrer Arbeit oder in ihrem Beruf gibt es viele. Frühe Holzschnitte, Kupferstiche oder die ersten Portraits als Ölgemälde zeigen bevorzugt das Bild des Priesters, des Landesherren, des Gelehrten und seit der Renaissance auch das des einfachen Bauern beim Pflügen. Darstellungen des Mediziners am Patienten waren damals wohl nicht gefragt, Ratsherren machten sich zu Zeiten Rembrandts besser auf der Staffelei. So ist es nicht verwunderlich, dass sich erst ab der Mitte des 19. Jahrhundert Abbildungen, meist sind es nur Graphiken in den Gazetten, finden, die sich näher mit dem Arzt und seinem Patienten beschäftigen. Äußerst selten aber ist es ein Augenarzt, dessen Berufsbild vom Maler dargestellt wird.

So gehört auch dieses Bild zu den Raritäten. Der Maler Max Lieberg (1856- 1912) portraitierte einen Augenarzt, der bei einem kleinen Jungen nach einem Splitter im Auge sucht. Der Junge, das ist vom Künstler perfekt dargestellt, fixiert den Betrachter. Man wird das Gefühl nicht los, ist es vielleicht der Maler, der sich hier im Bild selbst wieder findet?

Der Arzt, er sitzt auf einem Stuhl mit gepolsterter Lehne, öffnet das rechte Auge des kleinen Jungen geschickt mit beiden Zeigefingern seiner gespreizten knochigen Hände. Die weit geöffnete rechte Hand des Kleinen lässt seine Spannung erkennen, er hat Angst. Der Arzt trägt, wie in dieser Zeit noch üblich, nicht den weißen Kittel sondern ein dunkles Jackett. Er kontrolliert mit strengem Blick das Auge seines kleinen Patienten. Mit seiner Nahbrille, sie lässt sich in der subtilen Darstellung der Szene auf eine Gläserstärke von etwa 4 Dioptrien schätzen, betrachtet er das weit geöffnete Auge aus der Nähe. Er sucht sicher und erfahren nach einem Fremdkörper auf der Bindehaut zu dessen Entfernung er sich, wie damals üblich, einen kleinen Pinsel griffbereit hinter das linke Ohr geklemmt hat.

Das dunkle, weiß werdende Haar ist gelichtet, sein Alter scheint fortgeschritten. Sein Gesicht ist mit Spannung auf das Auge des Kleinen gerichtet. Auch den Lichteinfall hat der Künstler geschickt wiedergegeben: so fällt das Licht auf das Gesicht des Jungen, auf das Auge und die Stirn des Arztes und die vor Angst abwehrbereit gehobene Hand des Kindes. Alles andere versinkt im Hintergrund des an Farben armen Raums.

Es handelt sich um eine Szene, die sich kaum realistischer hätte darstellen lassen. Wohl kaum einem Maler gelang es eine solche Behandlungsszene so sicher zu erfassen und zugleich in ihrer Dramatik originalgetreu wiederzugeben.

Das Bild stammt wie die Signatur rechts oben erkennen lässt von Max Lieberg, einem zu seiner Zeit bekannten Zeichner und Maler. Es entstand wohl um 1870 in seiner Düsseldorfer Zeit, Damals war man der Genremalerei noch sehr zugetan. Knapp eine Generation später wurde sie vom Impressionismus endgültig abgelöst.

Entdeckt wurde das reizvolle Bild auf einer Auktion des bekannten Auktionshauses Zeller in Lindau, die Provenienz bleibt offen. Was das Ganze für den Sammler aber besonders wertvoll macht, ist, dass auch der dazugehörige Entwurf, das Original einer Bleistiftskizze aus der Hand des Künstlers, zusammen mit dem Gemälde erworben werden konnte.

Dem sorgfältigen Betrachter kommen allerdings schnell Zweifel am Titel des gerade einmal postkartengroßen Gemäldes: es nennt sich in der Tat „Der Augenarzt“. Das Umfeld erlaubt die Frage, ob es sich denn bei dem Arzt hier wirklich um einen Ophthalmologen handelt. Die Flaschen, die im Schatten hinter dem Doktor auf dem Tisch stehen passen in ihrer Größe gar nicht so recht in das Fachgebiet der Augenheilkunde und wer das kleine Bild genauer betrachtet erkennt vorne in der rechten Ecke im Dunkel der Ablage einen Schnepper zum Aderlass, der aber gehört gewiss nicht zum Instrumentarium eines Augenarztes.

 

SCHEIBE ZUR IRISDIAGNOSTIK

Einst vermuteten die Menschen im Auge den Sitz der Seele, doch es dauerte bis in die Neuzeit, bevor die letzten Rätsel um Auge und Sehen gelöst werden konnten. Ein besonderes Augenmerk galt dabei der Regenbogenhaut und der durch sie umgrenzten Pupille, die sich unter dem Einfluss von Licht und Emotionen in ihrer Größe veränderte. Den Betrachter faszinierten vor allem die Variationen der Iris, ihre Pigmentierung, ihre Strukturen. Irgendwann erkannte ein Mediziner auch den diagnostischen Wert dieser Veränderungen in Farbe und Form bei Krankheiten oder im Alter. Während die Pupille bei Tageslicht nur wenige Millimeter weit ist, lässt sie bei Dunkelheit nicht mehr viel von der Regenbogenhaut selbst erkennen, wegen ihres Farbenspiels benannten die Griechen die Iris nach der Göttin des Regenbogens.

Bereits in römischer Zeit stellten Ärzte sich die Frage, ob der Zustand der Regenbogenhaut nicht einen Hinweis auf bestimmte Krankheitsbilder geben könnte, war sie doch beispielsweise im Finalstadium des Glaukoms wie das Auge der Eule grün-rötlich verfärbt. Bei Entzündungen im Augeninneren ist sie von einem lividen Ring umgeben, auch war die Rötung der Bindehaut Leitsymptom zahlreicher Allgemeinerkrankungen. Die Gelbverfärbung der Lederhaut bei der Hepatitis oder die ringförmigen Ablagerungen in der Hornhaut bei Thesaurismosen wie z.B. dem Morbus Wilson sprachen für Störungen im Körper. Dabei wurden alle krankhaften Veränderungen des Auges der Irisdiagnostik zu geschlagen, obwohl hier der Begriff einer Augen- nicht aber der Irisdiagnostik präziser gewesen wäre. Man nahm es mit der anatomischen Zuordnung von Krankheitszeichen im Auge mangels vergrößernder Optiken anfänglich nicht so genau. Das änderte sich erst mit der Erfindung von Lupe und Mikroskop.

Jetzt versuchte man die Organe des menschlichen Körpers verschiedenen Abschnitten der Regenbogenhaut zuzuordnen, die im Fall einer Erkrankung dort erkennbare Veränderungen zeigen sollten. Hieraus entwickelt sich über die Jahre hin die sogenannte Irisdiagnostik, die bis heute in der Praxis von Heilpraktikern noch einen Stellenwert hat. Die diesbezüglichen Areale, hier auf einer runden Scheibe aus verzinktem Blech aufgebracht, sollten das Auffinden der zugehörigen Organe erleichtern. Solche Scheiben waren über viele Jahre in Gebrauch, sie sind heute im Zeitalter der digitalen Bildverarbeitung obsolet. Sie verschwanden inzwischen aus den Praxen.

Die hier gezeigte Scheibe ist ein solches Instrument für die Irisdiagnostik und daher wie ein Lorgnon oder eine Lupe konstruiert. Sie besteht aus einem Handgriff auf dem eine runde Scheibe mit einer zentralen Öffnung montiert ist. Auf ihrer Vorderseite ist gezeigt wo sich die Organe in der Iris des rechten, auf der Rückseite die des linken Auges finden lassen. In der offenen Mitte der Scheibe befindet sich eine Konvexlinse, die als Vergrößerungsglas mit einem Brechwert von vier Dioptrien die Beurteilung der Regenbogenhaut auch ohne Spaltlampe erlaubt.

Das Problem, das sich aus der Irisdiagnostik ergibt, ist bekannt. Es zeigt sich in der Verschiedenheit der Scheiben bzw. den verschiedene Zuordnungen. Dort wo einigen Autoren das Herz in der Iris projiziert sehen, vermuten andere die Leber, wieder andere die Lunge und machen daher eine einheitliche Befundung schwer. Dennoch setzt auch heute noch die Allgemeinmedizin auf das Fachgebiet der Augenheilkunde und verlässt sich auf deren diagnostische Aussagen, wie z.B. zum Diabetes oder zu Hypertonie. Hier finden sich in der Tat krankhafte Veränderungen im Augenhintergrund, die allerdings erst nach Erfindung des Augenspiegels um 1850 sichtbar wurden und, das ist wichtig, keineswegs in der Iris lokalisiert sind.

Diese Scheibe zur Irisdiagnostik stammt, wie sich aus der Fachliteratur entnehmen lässt, aus den zwanziger oder dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts. Die Anordnung der Organe ist wohl der Enzyklopädie der Irisdiagnostik von K. Schulte entnommen. Erworben wurde sie auf einem Flohmarkt wobei der Verkäufer mit dem Instrument nicht viel anfangen konnte und es mangels allgemeinen Kaufinteresses preiswert abgab.

DIE KAMERA

Die Malereien der Steinzeit berichten uns in ihrer Abstraktheit vom Leben, von der Jagd oder vom Umgang mit der Natur. Originalgetreue Abbildungen gelangen nicht. Das änderte sich mit der Erfindung von Kamera und Film. Erst das Schreiben mit Licht, wie die Fotografie genannt wird, ermöglichte es die Welt wirklichkeitsgetreu abzubilden. Zu Beginn gelang das nur in Schwarz- Weiß, später in Farbe. Die Holografie erschloss die dreidimensionale Darstellung des Raums, aus der Aufnahme und raschen Wiedergabe von Bildfolgen entstand der Kinofilm, der die Welt auch in ihrer Bewegung nahezu originalgetreu wiedergab. Das Vorbild für den Bau der fotografischen Kamera aber war das Auge.

Das erste Gerät, das ein wirklichkeitsgetreues Abbild der Umgebung lieferte, war ein dunkler Kasten, die Camera obscura. Dieser bestand aus einer allseits geschlossenen Holzkiste, an deren Vorderseite eine kleine runde Öffnung für den Lichtdurchtritt angebracht war. Das Bild projizierte sich im Inneren auf einer hellen Rückwand, es stand auf dem Kopf und erschien seitenvertauscht. Begehbare lichtdichte Hütten oder Zelte, nach diesem Prinzip konstruiert, erlaubten das Bild live zu betrachten. So konnten die Maler und Kupferstecher des ausgehenden Mittelalters naturgetreue Vorlagen für ihre berühmten Stadtansichten anfertigen.

Die Bildqualität wurde wesentlich verbessert, als man eine optisch brechende Sammellinse in die Lichtöffnung einsetzte, die nun, entsprechend fokussiert, ein kopierfähiges Bild lieferte. Raffinierte Optiken und Spiegelsysteme ließen es originalgetreu erscheinen. Revolutioniert wurde das Ganze, als es gelang das Bild direkt auf der Unterlage mittels chemischer Prozesse zu fixieren. Mit lichtempfindlichen Silberlösungen beschichtete Glasplatten speicherten es und es ließ sich jetzt beliebig vervielfältigen.

Mit der Konstruktion der ersten Kleinbildkamera in Serie setzte sich Leitz 1924 in Wetzlar ein Denkmal. Die Fotografie wurde zum Allgemeingut. Dabei kam die Kamera ihrem Vorbild, dem menschlichen Auge, immer näher. Aus der einfachen Sammellinse entstanden optische Systeme die wie Hornhaut, Kammerwasser, Augenlinse und Glaskörper ein zusammenhängendes brechendes Medium bildeten. Gläserkombinationen verschiedener Brechungsindizes unterdrückten das Entstehen von Farbsäumen. Das Pupillenspiel übernahmen die Lamellen der Irisblende, die Lichtmenge, die den Film belichtete regelte ein Schlitzverschluss, der sich für den Bruchteil einer Sekunde öffnete. Ein lichtempfindlicher Film ersetzte die Netzhaut.

Objektive mit verschiedenen Brennweiten erlaubten ferne Dinge heranzuholen, andere erfassten die Weite und übertrafen damit die Fähigkeiten des menschlichen Auges. Inzwischen hat ein Mikrochip den Film ersetzt, elektronische Systeme steuern den Lichteinfall. Computerprogramme haben die Aufarbeitung und Speicherung der Bilder übernommen. Der Reiz der eigenen Bildgestaltung am Objekt selbst ging verloren.

Diese Kamera, eine Leica vom Typ II, hat ihre eigene Geschichte, sie liegt im Dunkeln. Gebaut wurde sie vermutlich zu Beginn des zweiten Weltkrieges wobei die Experten streiten, ob Sie nun in Wetzlar hergestellt oder geschickt in der UdSSR teilweise oder ganz kopiert wurde. Sicher ist nur, solche Kameras wurden im letzten Krieg eingesetzt. Sie erfassten mit dem Auge des Objektivs uns nicht bekannte Szenen und hielten sie für die Nachwelt fest. Die Kamera ist, obwohl sie aus dem letzten Jahrhunderts stammt, noch voll funktionsfähig, die mit ihr aufgenommenen Bilder sind trotz ihres Alters noch von einer Qualität, die selbst heutige Digitalkameras nicht erreichen.

Der frühere Besitzer und seine Bilder sind unbekannt, nur eine handgeschriebene Belichtungstabelle, die sich in kyrillischer Schrift in der alten Ledertasche fand, gibt einen Hinweis auf seine Herkunft. Die Kamera, die festhielt was Menschen einst mit ihren Augen sahen, hatte ein Schicksal, das sich nur erahnen lässt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde sie auf dem Naschmarkt in Wien als angebliche Kriegsbeute zum Kauf angeboten, damals von einer Sammlerin erworben, liebevoll gepflegt und jetzt der Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen überlassen.

 

FRÜHE BRILLE IM KIRCHENFENSTER

Die frühe Geschichte der Brille liegt im Dunkeln, wer sie erfunden oder gar als Erster getragen hat, ist unbekannt. Sicher ist nur, dass sich die älteste Abbildung einer Lesebrille in einem Fresko im Kloster San Nicoló von Treviso findet. Sie soll aus der Zeit um 1350 stammen. Die Nähe zu Venedig und der Insel Murano, im Mittelalter für die Produktion hochwertiger Gläser bekannt, lässt vermuten, dass dort die Geburtsstätte der optisch brechenden Gläser zu suchen ist. Funde aus den Pharaonengräbern in Ägypten lassen allerdings erahnen, dass die vergrößernden Eigenschaften sphärisch geschliffener Bergkristalle durchaus schon vor 3000 Jahren bekannt und genutzt waren.

Darstellungen früher Brillen sind sehr selten. Sie tauchen meist in Kirchen oder Klöstern auf, sie finden sich in Wandmalereien oder auf Altarbildern. Im Rahmen von Restaurierungsarbeiten konnten es jetzt neuere Untersuchungen bestätigen dass sich die wohl weltweit älteste Abbildung einer Brille in einem Glasfenster im Ulmer Münster befindet. Die Brille, die Petrus dort bei der Grablege Mariens trägt, stammt aus den Anfangsjahren der Augenoptik. Das Glasfenster entstand um 1425, Hans Acker soll es geschaffen haben.

Die Brille ist im Original nur 18 mm groß, dennoch ist sie ein wichtiges Bindeglied für die Erforschung der Frühgeschichte der Optik. Es handelt es sich dabei um eine sogenannte Nietbrille, auf der Vergrößerung ist der Nagel, ein plattgeschlagener Eisenstift, klar zu erkennen. Der dargestellte Typ entspricht weitgehend ihrer frühesten Form, die zwischen 1290 und 1420 entstand. Angedeutet zeigt sich allerdings schon der Übergang zum späteren Modell, die zuvor noch geradlinig verlaufenden Stiele sind bereits etwas gerundet, um sich bogenförmig gekrümmt dem Nasenrücken besser anzupassen. Dies bot entsprechend dem Zwicker der Neuzeit einen festeren Halt auf dem Nasenrücken. Auf der ersten gedruckten Darstellung einer Brille von Anton Koberger aus dem Jahr 1493 ist dieser Bogen bereits gut zu erkennen.

Originale solcher Nietbrillen gibt es nur als fragmentarische Funde im Kloster Wienhausen, diese sie sollen um 1350 entstanden sein. Sie entsprechen den wenigen erhaltenen Abbildungen der Zeit. Dabei wird die Brille fast immer dem Apostel Petrus zugeordnet, dem als ältester Prophet eine Sehhilfe zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit zugestanden wird.

Bei dem Material des Gestells handelt es sich um ein elastisches Holz, man vermutet vom Buchsbaum. Die Gläserstärken können nicht beurteilt werden, sie werden im Bild nicht besonders herausgearbeitet, in den Anfangsjahren waren sie meist aus dem leicht grünlichen Waldglas gegossen oder mühsam geschliffen. Frühe Optiken bestehen gelegentlich statt aus Glas auch aus dem härteren Bergkristall, dem Beryll, aus dem später das Wort „Brille“ abgeleitet wurde.

Ursprünglich ist die Nietbrille aus zwei einzelnen Gläsern zusammengesetzt, die auch als Einglas, Lupe, oder Lorgnon bezeichnet werden. Sie besteht im Grunde genommen also aus zwei Lorgnons, die am unteren Stielende mit einem Eisenstift, dem Niet, miteinander verbunden waren.

Diese Brille ist wie alle frühen Brillendarstellungen der Zeit eigentlich zu klein, sie passt nicht so recht zum Gesicht. Die Länge der Stege entspricht anfangs dem Durchmesser der Gläserfassung. Sie werden erst später länger. Ab 1500 werden dann die ursprünglich hölzernen Nietbrillen durch Gestelle aus Kupfer, Eisen oder Leder ersetzt, sie bekommen jetzt einen elastischen Steg.

Der Petrus des Kirchenfensters leidet an einer Altersweitsichtigkeit. Dies ist einfach zu folgern, da es zur Entstehungszeit des Fensters andere Gläser, wie zum Ausgleich von Sehfehlern in der Ferne, so z.B. der Kurzsichtigkeit oder der Hornhautverkrümmung, noch nicht gab. Die Gläserstärken der wenigen frühen Funde liegen zwischen + 2.5 bis und + 3.5 Dioptrien, ein Wert, der auch heute noch dem einer Lesebrille im hohen Alter entspricht.

Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten befindet sich das Glasfenster inzwischen wieder in der Besserer-Kapelle des Ulmer Münsters. Die Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen erhält eine originalgetreue Replik.

 

ANPASSSATZ FÜR KONTAKTLINSEN

Die ersten Versuche Brechungsfehler wie eine Myopie, Hyperopie oder gar einen Astigmatismus mit Gläsern, die dem Auge direkt aufsitzen, auszugleichen, scheiterten nahezu alle. Die mühsam aus einer Glaskugel herausgearbeiteten Sklerallinsen, ursprünglich als Kontaktbrillen bezeichnet, konnten nur für wenige Stunden am Auge getragen werden. Die Linsen saugten sich fest, Bindehautreizung und Hornhautödem führten zum Abbruch der Behandlung. Dennoch war gerade beim Hornhautstaphylom, wie man einst den Keratokonus nannte, die Kontaktschale oder -linse oft die einzige Möglichkeit um den Patienten vor der Erblindung zu bewahren. Erst die Erkenntnis, dass die Hornhauttopographie bei jedem Menschen individuell geformt ist und daher bei jeder Anpassung eine andere Innenkrümmung der Kontaktlinse erforderlich war, brachte den Durchbruch.

Um die Struktur der Hornhauttopographie genauer beurteilen zu können bedurfte es erst einmal geeigneter Messgeräte. Die Konstruktion der Spaltlampe durch Gullstrand wie auch die des Ophthalmometers bzw. Keratometers durch Javal ermöglichte es schließlich die Hornhautvorderfläche geometrisch zu erfassen. Bis dahin ließen sich Kontaktlinsen nur mit Hilfe eines Gipsabdrucks vom Auge abformen. Jetzt aber konnten die Messwerte der zentralen wie peripheren Hornhautkrümmung als Ausgangsbasis für die Innenradien der Kontaktlinse herangezogen werden, sollte die Linse doch in allen Abschnitten dem Auge druckfrei und zugleich frei beweglich anliegen. Nur so war die ungehinderte Tränenkonvektion zur Erhaltung des Hornhautstoffwechsels bei längerer Tragezeit garantiert.

Diese frühen Kontaktlinsen hatten einen haptischen Teil, mit dem sie der perilimbalen Bindehaut aufsaßen sowie einen kornealen Teil, dessen Innenfläche der Hornhaut weitgehend kongruent angepasst sein musste. So sollte zum einen die Hornhaut z.B. beim Keratokonus durch einen sanften Druck gestützt und zugleich ein stabiler Linsensitz erreicht werden.

Während man heute mit computergestützten Berechnungen der Hornhauttopographie die Form der Kornea, ihren Durchmesser und ihre Krümmungsradien in allen Abschnitten sekundenschnell und mit hoher Präzision bestimmen kann, musste man früher durch Pröbeln mit Linsen verschiedenster Durchmesser und Innenkrümmungen die optimale Kontaktline finden.

Ein Anpasssatz von verschiedenen Probelinsen mit fest definierten Parametern sollte das vereinfachen. Die Idee hierzu soll von dem Kieler Augenarzt Leopold Heine stammen. Er gab zunächst Zeiss in Jena den Auftrag einen ersten Probesatz für afokale Skleralschalen aus Glas anzufertigen. Wöhlk in Kiel sowie Müller-Welt in Stuttgart lieferten dann bereits um 1926 die ersten Anpasssätze für Sklerallinsen mit einer zentralen optischen Zone zur Versorgung fehlsichtiger Augen.

Erst Anfang der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts ersetzten thermoplastisch formbare Kunststoffe wie das Polymethylmethacrylat endgültig das Glas, was jetzt die Herstellung von Kontaktlinsen wesentlich vereinfachte. Tuohy und Wöhlk entwickelten die schwimmende Korneallinse, indem sie die Linsendurchmesser verkleinerten und dabei auf den haptischen Teil ganz verzichteten. Die gelungene Synthese hydrophiler Kunststoffe zur Herstellung weicher Kontaktlinsen brachte 1964 letztendlich den Durchbruch und machte die Kontaktlinse zum Allgemeingut.

Die Linsen dieses frühen Anpasssatzes sind noch alle intakt, Beschädigungen sind nicht erkennbar. Er scheint wohl nicht allzu oft benutzt worden zu sein. Solche gut erhaltenen Linsensätze sind sehr selten, der Hersteller dieser Probelinsen waren die Gebrüder Müller-Welt in Stuttgart. Der Kasten aus beklebtem Buchenholz enthält 15 aus Glas gefertigte Korneoskleralschalen mit einem Gesamtdurchmesser von 22 bis 25 mm bei einer zentralen Innenkrümmung von 7.3 bis 8.0 mm. Die Mittendicke liegt bei 1.1 bis 1.3 mm. Die Refraktion reicht von plan bis – 7.0 Dioptrien. Die Parameter jeder Linse sind handschriftlich auf ihrem Rand vermerkt, erst später erhalten die Linsen eine feine Gravur um Verwechslungen zu vermeiden.

Von diesen Anpasssätzen dürften nur noch wenige komplett erhalten sein, der stetige Gebrauch führte zum Verschleiß. Dieses wohl einzigartige Exemplar aus der frühen Geschichte der Kontaktlinse stammt aus der Praxis eines bekannten Kontaktlinsenspezialisten, der es der Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen anlässlich des ECLSO Kongresses 1996 in Ulm als Geschenk überreichte.

 

DAS FERNGLAS

Die ersten optisch brechenden Linsen aus Glas oder Bergkristall dienten als Lesesteine, Lupen oder in ein Brillengestell gefasst erst einmal als Sehhilfe im Nahbereich. Besonders die hochtransparenten, klar durchscheinenden Gläser aus Murano waren zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit sehr begehrt. Ihr Schliff wurde mit der Zeit immer präziser, ihre Abbildungsqualität besser. Auch entdeckte man jetzt die optischen Gesetze solcher Linsen. Irgendwann einmal muss ein Okulist oder Alchemist, wie man damals den Wissenschaftler nannte, erkannt haben, dass die Kombination zwei Konvexgläser, in ihrer optischen Achse hintereinander gehalten, ferne Dinge näher und größer erscheinen ließ. Der deutsch-holländische Brillenmacher Jan Lippershey soll da der Erste gewesen sein, andere schreiben die Erfindung des sogenannten Teleskops oder Fernrohr wiederum anderen zu.

Das heutige Fernglas ist im Grunde genommen nichts anderes als ein binokulares Teleskop. Im Gegensatz zu den Geräten der Astronomie ist es tragbar und freihändig verwendbar. Wie so oft diente seine Erfindung erst einmal dem Militär, später der Astronomie und schließlich auch dem allgemeinen Vergnügen, stellte doch ein Chronist in Venedig fest, dass man nach Erfindung des Teleskops damit dem Voyeurismus auf den venezianischen Dächern Vorschub leiste. Man müsse da künftig mehr auf seine Weiber achten, gesetzliche Maßnahmen wurden angemahnt.

Um im Gegensatz zur Astronomie auf der Erde alltagstauglich zu sein musste beim Fernglas das Bild aufrecht stehen, auch durfte es nicht seitenvertauscht sein. Das ging nur mit einer Optik nach dem Prinzip des Galilei: eine Konkavlinse diente als Okular, eine Konvexlinse als Objektiv.

Zwar war auch das Keplersche Prinzip des Fernrohrs für ein Fernglas anwendbar, dieses bestand aus jeweils zwei Pluslinsen. Um aber die Bilder aufrecht und nicht seitenvertauscht betrachten zu können war eine zusätzliche Linse im Strahlengang erforderlich, alternativ wurde Ende des 19. Jahrhunderts ein System aus Prismen eingebaut, das die Bilder spiegelbildlich drehte und gleichzeitig die Baulänge des sogenannten Binokularfernrohres erheblich verkürzen ließ. Soldaten und Jäger bezeichnen dieses Instrument heute auch als Feldstecher. Aufsteckbare Filter, meist in Orange, sollten das Kontrastsehen verbessern, achromatische Linsensysteme Farbsäume unterdrücken.

Eine Sonderform des Fernglases ist das sogenannte Theater- oder Opernglas. Man kann es als eine verkleinerte Ausführung eines binokularen Teleskops nach galiläischem Prinzip verstehen. Seine optischen Qualitäten ließen allerdings zu wünschen übrig, der geringe Vergrößerungsfaktor und die niedrige Lichtdichte waren unbefriedigend. Für die Betrachtung des Idols auf der Bühne mochte das reichen, kriegstauglich waren diese Gläser nicht. Ihre kunstvolle Gestaltung der mit Perlmutt oder Elfenbein diente deshalb eher der Schau als dem Sehen.

Dieses Fernglas stammt aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Es wurde vermutlich in Frankreich hergestellt, das wie auch Deutschland und England um die besten Optiken wetteiferte. Viele Dinge des modernen Fernglases fehlen ihm noch, die Pupillardistanz ist auf 62 mm fest fixiert und nicht einstellbar. Auch ist die Lichtstärke für einen fünffachen Vergrößerungsfaktor doch recht bescheiden. Des Weiteren hat das Fernglas noch keine Ösen für einen Lederriemen, man konnte es sich also nicht umhängen sondern musste es ständig in der Hand halten.

Ein zentrales Schraubgewinde erlaubt die synchrone Fokussierung beider Optiken, eine monokulare Schärfeneinstellung, z.B. notwendig bei Vorliegen einer Anisometropie, kannte man noch nicht. Die gesamte Optik besteht aus vier Linsen die einfach in eine entsprechend geformte gerade einmal 17 cm lange bauchige Messinghülse eingepasst waren. Diese wurde zur besseren Handhabung mit dunklem Leder oder Kaliko beklebt.

Solche alten Ferngläser findet man heute noch in großen Stückzahlen in den Antiquitätenläden oder auf den Flohmärkten, vor allem frühe und seltene Exemplare sind bei den Sammlern begehrt. Auf Grund des Angebots sind sie wie auch dieses Stück, das aus Paris stammt, im Gegensatz zu historischen Teleskopen schon für ein paar Euros erschwinglich.

 

SCHUFFENHAUERS AUGENTROPFENZÄHLER

Die Anwendung von Medikamenten am Auge war in der Vergangenheit gar nicht so einfach. Während die Menge einer Salbe, die ans Auge gelangen sollte, sich mehr oder weniger durch den Lidschlag selbst regelte, galt dies für Tropfen nicht. So musste doch die Dosis möglichst konstant sein, die in den Tropfen enthaltenen Bestandteile sollten sich gleichmäßig über das Auge verteilen und seine vorderen Abschnitte überall und gleichmäßig benetzen. Dies wurde umso nötiger je, mehr Wirkstoffe in den Tropfen am Auge enthalten waren. – man denke nur an die ersten Präparate zur Behandlung des Glaukoms. Aber auch die Menge von Antibiotika oder entzündungshemmenden Substanzen galt es am Auge sorgfältig zu dosieren.

Die einige Alternative war es bislang die Tropfen direkt aus der Flasche zu applizieren, was eine geschickte Hand und einen ruhigen Patienten erforderte Ziel war es, dass möglichst nur ein einziger Tropfen den Bindehautsack erreichen und sich dort durch den reflektorischen Lidschlag verteilen sollte. Es galt dabei keine wertvollen Medikamente zu verschwenden. Das konnte mit der klassischen Augentropfflasche oder der Augenbadewanne aus der Apotheke nicht gelingen.

Jetzt kam der Augentropfenzähler von Schuffenhauer zum Einsatz. Die kleine Pipetten ist eigentlich recht simpel konstruiert: ein dünnes Glasröhrchen besitzt an einem der beiden offenen Enden einen kleinen Sauger aus rotem Gummi. Am anderen Ende befindet sich eine offene Kugelspitze, dadurch sollten bei Handhabungsfehlern Verletzungen der vorderen Augenabschnitten vermieden werden, zeichnen sich doch selbst feinste Hornhauthautepithelläsionen durch einen höllischen Schmerz aus

Von Vorteil war, dass mit der Pipette genau ein einziger Tropfen dosiert werden konnte. Die Menge der verabreichten Tropfen war selbst bei längerfristiger Anwendung immer garantiert. Die Gesamtlänge des Röhrchens beträgt 10.4 cm, der Durchmesser an seiner dicksten Stelle 7.2, an der dünnsten sind es 2.4 mm. Die Kugelspitze am Ende ist 4.1 mm dick. Die abgegebene Flüssigkeitsmenge ist konstant 0.02 ml pro Tropfen, gerade so viel, wie es die heutigen Ophthiolen auch abgeben.

Das System hatte aber auch einen Nachteil, den alle solche Pipetten haben. Die Sterilität war nicht gewährleistet. Nach Berührung der Glasspitze mit dem Finger oder dem Auge selbst war die Pipette nicht mehr steril, pathogene Keime konnten in die Flüssigkeit verschleppt werden und sich dort vermehren. Infektionen, vor allem die einst gefürchtete Gonoblennorrhoe konnte z.B. auf einer Neugeborenenstation bei mangelhafter Hygiene über den Tropfenzähler weiter gereicht werden. Gerade in der Kranken- und Altenpflege war daher die Sauberkeit der Pipettenspitze grundlegend.

Auch war es nicht empfehlenswert den Tropfenzähler mit verschiedenen Medikamenten unterschiedlicher Zusammensetzung gleichzeitig zu nutzen, eine Vermischung der Inhaltsstoffe wäre die Folge gewesen, da in dem Glasröhrchen immer Spuren des jeweiligen Medikaments zurückblieben, Interaktionen waren möglich. Dennoch scheint sich das Ganze bewährt zu haben.

Als Hersteller der Pipette wird die Firma Teschu genannt. Sie ist heute unbekannt. Für den Vertrieb des Geräts wird auf der Aufbewahrungshülse A. Schellschmidt genannt, als Händler war die Kronen-Apotheke zu Chemnitz, Ecke König- und Gartenstraße angegeben. Sie 1895 war gegründet. Man darf auf Grund dieser Angaben vermuten, dass der Tropfenzähler aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammt.

Die Apotheke existiert noch heute, auch der Name Schuffenhauers blieb mit der Pharmazie verbunden. Ob dort heute noch der Tropfenzähler vertrieben wird war nicht zu erfahren, es ist allerdings auch unwahrscheinlich, denn die verkorkten Augentropffläschchen wurden längst durch die modernen Ophthiolen, abgelöst. Diese kleine Pipette wurde zusammen mit ihrer Originalverpackung, einer beklebten Papphülse, bei Ebay entdeckt. Ihr historischer Wert für die Augenheilkunde wurde erkannt und sie konnte zu einem recht bescheidenen Preis für die Sammlung zur Geschichte von Auge und Sehen erworben werden.

 

DIE BRILLE IM NAHBEREICH

Das normalsichtige Auge ist die Folge einer langen Phase der Evolution. Der Emmetrope kann allein mit Hilfe der Akkommodation sowohl in die Ferne wie in die Nähe alles scharf sehen. Der Fehlsichtige vermag das nicht, nicht immer ist dies allerdings ein Hindernis, der Weitsichtige wird zum guten Jäger, der Kurzsichtige zum Sammler. Beide Spielarten der Natur waren einst nötig um das Überleben eines Stammes zu sichern. Ein Mensch aber, der altert, verliert zunehmend die Fähigkeit in die Ferne und Nähe gleichzeitig gut zu sehen. Das heißt, er kann die wechselnden Entfernungen über den natürlichen Autofokus seines Auges nicht mehr ausgleichen, seine Augenlinse erstarrt, irgendwann bleibt die Sicht auf den Fernbereich beschränkt. In den Jahrtausenden, wo nur wenige Menschen das Presbyopenalter erreichten, mag dies von der Natur so gewollt oder zumindest toleriert worden zu sein.

Durch den Anstieg des Lebensalters verlor der Mensch die Fähigkeit auch im Nahbereich noch ausreichend gut zu sehen. Viele beschreiben ihre Alterssichtigkeit so, als würden jetzt die Arme zu kurz. Ein Text muss weiter von Auge entfernt gehalten werden, um noch erkannt zu werden. Das Maßband oder der Nonius einer Schieblehre lässt sich nicht mehr ablesen, die stehengebliebene Taschenuhr nicht mehr reparieren. Der Nahbereich lässt sich vom presbyopen Auge nicht mehr fokussieren. Eine Sehhilfe wird erforderlich.

Erst nach Entdeckung der vergrößernden Eigenschaften konvex gekrümmter Gläser konnte dieser Sehfehler ausgeglichen werden. Nach ihrer Erfindung gegen Ende des 13. Jahrhundert erschloss sich dem Alterssichtigen endlich wieder der Nahbereich. Jetzt konnten mit einer Brille am Arbeitsplatz wieder feinere Arbeiten durchgeführt werden. Das Zeitalter der Erfindungen, der Technik, der Industrialisierung wäre ohne die Alters- oder Lesebrille, wie man diese Sehhilfe bald nannte, nicht denkbar.

Der alte Mensch wurde jetzt nicht mehr ausgegrenzt, davon berichten uns zahlreiche historische Grafiken und Gemälde die jetzt den Senior mit Brille zeigen und dem Betrachter zugleich beweisen, dass dieser nicht nur des Lesens fähig war, sondern sich auch die hierfür notwendige Sehhilfe leisten konnte. Es waren die Vertreter der Kirchen, des Adels und des Handels die sich jetzt stolz mit der Lesebrille abbilden lassen, berühmte Porträtmaler waren auf diese Wünsche eingestellt.

Es war vor allem der Klerus, der sich in den ersten Darstellungen einer Brille in den Fresken, in frühen Altarbildern oder der ersten Glasmalerei im Ulmer Münster wieder fand. Es war der Prior eines Klosters, der Apostel Petrus oder der Lehrer. Erst im 19. Jahrhundert war es dann auch der Feinmechaniker der eine Brille trug. Es folgten der Uhrmacher, der Juwelier, und natürlich der Arzt und Apotheker, deren Nahbereich für eine Berufsausübung im hohen Alter erschlossen werden musste.

Während die ältesten erhaltenen Fragmente einer Lesebrille vom Typ der Nietbrillen waren, die mühevoll auf den Nasenrücken geklemmt wurden, gab es spätere Modelle die man wie die Scherenbrille entweder dicht vor das Auge oder aber mit verstärkten Gläsern als Lupe direkt über den Text hielt. Seit 1872 wird ihre Gläserstärke in Dioptrien angegeben, je nach Lebensalter sind bis zu 3.0 Dioptrien für das einst normalsichtige Auge im Alter üblich.

Auf diesem kleinen Gemälde hält ein Kaufmann eine Drahtbrille, wie sie ab 1520 in Nürnberg hergestellt wurde, in der rechten Hand. Er trägt sie nicht vor dem Auge sondern setzt sie wie eine Lupe ein. Der unbekannte Maler, der das Bild schuf, gab ihr, da er das Glas nicht durchsichtig malen konnte, eine dunkelblaue Tönung, wie sie nur bei Patienten mit einem grauen Star zum Einsatz kam.

Solche Bilder tauchen immer wieder einmal bei Nachlassversteigerungen auf. Ihre Qualität bestimmt den Preis, die Originale großer Meister sind für den einfachen Sammler unerschwinglich. Hier bei der Abbildung handelt es sich wohl um eine spätere Kopie aus dem Umfeld von Franz Holbein dem Älteren, was aber den Reiz der Abbildung keineswegs mindert.

 

DER LACHGUCKER

Die ersten optisch geschliffen Linsen dienten ausschließlich als Lesehilfen bei Weitsichtig- und Alterssichtigkeit. Irgendwann kam man darauf, sie als Kombinationen auch in Teleskopen, Mikroskopen oder anderen Geräten zur Aufnahme oder Wiedergabe von Bildern zu verwenden. Dass Optiker damit auch Bilder entstellen oder verzerren konnten, das dürfte bald bekannt gewesen sein, spätestens dann nämlich, wenn ein Schliff oder Guss des Glases misslang und unregelmäßig gekrümmte Oberflächen entstanden waren. Dabei war es durchaus amüsant zu sehen wie jetzt die Objekte verfälschte Bilder lieferten, ein Effekt, der heute noch in historischen Spiegelkabinetten auf Jahrmärkten zu jedermanns Gaudi zu erleben ist.

Dass so mancher hohl gekrümmte Spiegel im cleveren Modehaus dem Kunden mit der angebotenen Ware Schlankheit vortäuscht, gehört auch zu diesen Tricks. Inzwischen werden Menschen gerne auch als Karikaturen in den Medien verzerrt dargestellt, es werden ihre Gesichter verformt, doch dies macht man heute nicht mehr durch die Fotografie mit torisch gekrümmten optischen Linsen im Aufnahmeobjektiv sondern mit der Software moderner Bildbearbeitungsprogramme.

Das war zwischen den Weltkriegen noch nicht möglich. Ein findiger Optiker in Dresden erkannte aber, dass mit zylindrisch geschliffenen Gläsern ein Bild in allen Achsenlagen beliebig verzerrt werden konnte, was letztlich den Betrachter lustig stimmen sollte, – und das in einer Zeit, die politisch wie wirtschaftlich kaum als lustig zu beschreiben war.

Lachgucker nannte der gewitzte Erfinder das Instrument. In der Tat ist dieses kleine Gerät, das in seinem technischen Aufbau einem Stereoskop nachempfunden wurde, in der Lage, so manches Schmunzeln auszulösen. In der Gebrauchsanleitung ist ausdrücklich vermerkt, dass beim Blick durch die Gläser der kleinen Box alles unnatürlich aussieht. Es wird sogar gewarnt, man dürfe, wenn man durch den Lachgucker die Welt betrachtet, keineswegs schreckhaft sein.

Schlanke Menschen entwickeln mächtige Bäuche, Busen explodieren in Übergröße, beim Laufen verknoten sich die Beine. Alles wird irreal, ganze Straßenzüge verbiegen sich, Häuserzeilen stürzen ein. Wer ahnungslos durch den kleinen Lachgucker schaut, erblickt das totale Chaos, eine verfälschte Wirklichkeit.

Es ist schon erstaunlich wie so eine paar kleine Varianten im Schliff einer Optik die Welt verfremden. Nachdenklich stimmt, dass dieser kleine Lachgucker, der eigentlich das Volk belustigen sollte, selbst heute noch, wenn man durch ihn schaut, den Betrachter erkennen lässt, dass nichts hinter der Fassade, absolut nichts mehr in dieser Welt im Lot ist.

Hersteller war der Optiker Bernhard Wasmuth aus Dresden, sein Name ist mit goldener Schriftprägung auf der Oberseite des schwarzen Käschens unterlegt. Bekannt ist nur, dass er sich diesen Lachgucker 1925 als DRGM sichern lies. Vermutlich war das Ganze aber kein großer finanzieller Erfolg, denn man hat seitdem nie wieder etwas von der Sache gehört.

Dafür hat sein Erfinder sich allerdings berufspolitisch engagiert und damit einen Namen gemacht. Er ging als Gründer des Centralverbandes der Inhaber optischer Geschäfte für Deutschland, Österreich-Ungarn und die Schweiz in die Geschichte ein. Er wurde zum Pionier im Kampf gegen Billigprodukte und Discounter in der Augenoptik. Sein Betrieb, er existiert nicht mehr, befand sich bis zur Zerstörung Dresdens während des zweiten Weltkriegs dort in der Moritzstraße.

Das mag auch ein Grund sein, warum das kleine Gerät, so originell es bei seiner Markteinführung schien, rasch wieder in Vergessenheit geriet. Selbst heute, in der Zeit der sozialen Medien hätte es keine Chance mehr auf dem Markt. So bleiben nur einige wenige Modelle in der Hand von Sammlern, Museen sind daran nicht weiter interessiert.

Solche optischen Spielzeuge sind heute nur noch selten funktionstüchtig erhalten, die Pappgebilde waren nicht stabil, die Optiken zerbrachen und haben daher als Wegwerfartikel die Zeiten kaum überdauert. Manchmal findet man eines auf einem Flohmarkt oder im Ebay, wo es, wie dieses noch voll intakte Exemplar, dann für ein paar Euro erworben werden kann.

 

DAS MONOKEL

Zum Ausgleich einer Fehlsichtigkeit sind optisch brechende Gläser erforderlich, doch nicht jeder konnte sich im ausgehenden Mittelalter schon eine Brille leisten. Eine preiswerte Alternative war das Einglas. Auch als Monokel bezeichnet wurde es, wie sein Name schon sagt, nur vor ein Auge gehalten. Es diente, im Gegensatz zur Brille nur als kurzzeitige Sehhilfe, so konnte auch die Notwendigkeit, eine Sehhilfe tragen zu müssen, gut verschleiert werden. Im 16. Jahrhundert soll es erstmals in den Handel gekommen sein, als Lorgnon oder Stielglas hielt man sich damals das Glas, wie die heutige Lupe an einem Griff befestigt, vor das eine oder andere Auge.

Im 19. Jahrhundert wurde es zur großen Herrenmode. Jetzt aber wurde das Glas ohne Griff oder Halterung direkt in den Lidmuskel geklemmt, dazu bedurfte es allerdings eines besonderen Randschliffs. Sein Verlust war nämlich vorprogrammiert, es konnte leicht herausfallen. Eine Schnur, im obersten Knopfloch des Revers befestigt, sicherte den Absturz. Von allen Sehhilfen aus der Geschichte der Augenoptik hatte das Monokel sicherlich den instabilsten Sitz, sein Verlust wurde zur Anekdote, besonders dann wenn es im Bowlenglas oder Ausschnitt der angebeteten Dame landete. Zahllose Geschichten ranken sich um seinen Gebrauch, in historischen Filmen sieht man es nicht selten als Accessoire einer lächerlichen Figur.

Schließlich konstruierte man zur Sitzverbesserung eine Fassung aus Metall, die sogenannte Galerie, die jetzt das Glas um einige Millimeter weiter vor dem Auge tragen ließ. Die Gläserstärke betrug üblicherweise 2 – 3 Dioptrien, der Durchmesser lag zwischen 3,6 und 4,6 cm. Das Monokel war primär zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit gedacht, bestenfalls der kurzsichtige Offizier trug es als Konkavglas beim Einsatz im Gelände.

Wie keine andere Sehhilfe hatte das Monokel auch eine psychologische Nebenwirkung, sein Besitzer hinterließ Eindruck. Sein Träger fühlte sich der gebildeten Schicht zugehörig, einem einfachen Bürger oder gar Handwerker stand es nicht zu. Nur der Studiendirektor, Professor oder preußische Offizier trug es, in Bayern war es in allen Schichten verpönt.

Das Monokel diente allerdings auch so manchem zur Vortäuschung eines gehobenen gesellschaftlichen Standes. Der Angeber, der sogenannte Stutzer, wollte damit vor allem der Damenwelt imponieren, auf der hier abgebildeten Postkarte, finden sich gleich drei solcher Helden.

Der Gedanke, es könnte gar von weiblichen Individuen getragen werden, schreckte allgemein ab. Frauen mit Monokel finden sich vergleichsweise selten auf Abbildungen. Und wo sie fotografisch oder auf Gemälden mit Monokel dargestellt werden, sollte es der Trägerin Dominanz verleihen oder die verblichene Führungsrolle der Baronesse unterstreichen.

Die Blütezeit des Monokels in seiner heutigen Form war das ausgehende 19. Jahrhundert, es war große Mode zu einer Zeit, wo der gebogene Brillenbügel noch nicht erfunden war. Bedeutende Ärzte der Zeit, wie anders konnte es sein, warnten ernsthaft vor seinem Gebrauch: die Erschlaffung oder gar Zerstörung der mimischen Muskulatur wurde genau so angeprangert wie das ständige Tragen von korrigierenden Gläsern vor dem Auge.

Monokel tragendes Militär war bald ein Lieblingsmotiv der Karikaturisten. Das rief die Obrigkeit auf den Plan, in England verbot der Kriegsminister sein Tragen, man sollte sich in der Öffentlichkeit damit nicht lächerlich machen. Welche Alternativen der Minister seinen Soldaten vorschlug, bleibt unbekannt, denn der Fehlsichtige war ohne Sehhilfe kaum kriegstauglich.

Das Monokel nur als eine Sehhilfe zu betrachten würde seiner langen Geschichte nicht gerecht, viele seiner Träger erlangten Berühmtheit. Im Handel taucht das Monokel, im Gegensatz zu Brille, seltener auf, es hat, vor allem mit einer Galerie aus Edelmetall, seinen Preis. Aber schon das Sammeln seiner Abbildungen in der frühen Fotografie oder aber in den Karikaturen wie die im Simplicissimus oder in der englischen Satirezeitschrift Punch ist reizvoll. Alte Darstellungen, wie diese hier, kann man in den Antiquariaten bereits für ein paar Euro erwerben.

 

DER BRILLENBÜGEL

Die ersten optisch geschliffenen Gläser, die zum Ausgleich der altersbedingten Weitsichtigkeit dienten, hielt man sich entweder dicht vor das Auge oder brachte sie wie heute beim Vergrößerungsglas nahe vor das zu betrachtende Objekt. Beim Lesestein bzw. späteren Einglas geschah dies noch ohne Halterung oder Gestell, später wurde das Ganze, wie bei der Lupe mit einer Fassung, an der sich ein kleiner Holzgriff befand, versehen. Aus zwei solchen Gläsern, an ihrem Ende miteinander beweglich fixiert, entstand die Nietbrille, die man sich über zwei Jahrhunderte lang mehr oder weniger fest auf die Nase klemmte. Das galt auch für die späteren in biegsamen Draht- oder Ledergestellen gefassten Brillengläser. Sie, sowie ihre Folgemodelle mit festem Nasensteg wie der Zwicker oder Kneifer, kennzeichnete ein instabiles Sitzverhalten.

Die Lösung brachte der Ohrenbügel. Die Frage, ab wann man die beiden über einen Steg miteinander verbundenen Gläser mit einem nach hinten gerichteten Drahtbügel versah, ist nicht eindeutig zu beantworten, vermutlich war dies nicht vor dem 17. Jahrhundert der Fall. Selbst in China, das schon relativ früh Brillenfassungen aus Messing oder Horn auf den Markt brachte, kam der um die Ohren geschlungene Bügel nicht vorher auf. Dafür waren die diversen Methoden, sich die Brillengläser vor dem Auge zu fixieren, bis dahin überall recht phantasievoll.

Um die Hände beim Lesen oder Schreiben frei zu haben befestigte man so z.B. den Rahmen mit den Gläsern z.B. an einem Stirnreifen, man nähte die Gläser vorne an eine Mütze oder fixierte sie mit einer einfachen Kordel, die um den Hinterkopf geschlungen wurde, ähnlich wie es bei der Maskenbrille des Frontsoldaten im letzten Weltkrieg noch üblich war.

Selbst die Arbeitsbrille für den Lokführer oder Heizer bestand noch 1850 nur aus einem bügellosen Drahtgeflecht in das zwei Gläser eingearbeitet waren. Das Ganze wurde mit einem Gummiband gehalten. Ähnliches galt auch für den ersten Automobilisten, der seine in Leder gefassten Schutzgläser mit einem verstellbaren Riemen hinter dem Kopf befestigte. Für den Reisenden, den Bergsteiger oder Antarktisforscher waren die dunkel gefärbten Schutzgläser in ein Kopftuch oder eine Lederhaube eingearbeitet, letzere war auch das Vorbild für die spätere Fliegerbrille.

Die ersten Brillen mit einem gerade nach hinten gerichteten Drahtbügel kamen also erst in der Zeit der Industrialisierung auf, sie setzten sich aber anfangs nicht durch, denn die Gläser verrutschten leicht bei seitlicher Neigung vom Kopfes. Um dies zu verhindern kam man schließlich gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts auf die geniale Idee den ursprünglich starr nach hinten gerichteten Metallbügel über ein Scharnier klappbar zu machen um ihn so über dem Ansatz der Ohrmuschel zu stabilisieren. Das bewegliche Scharnier aber drückte oft unangenehm auf die empfindliche Haut.

Der Durchbruch der Bügelbrille kam erst, als man auf die Idee kam den Metallbügel durch Verbiegen der Form des Ohransatzes anzupassen um so den Verlust der Brille auch bei heftigem Bewegen oder Neigen endgültig zu verhindern. Um bei der Formenvielfalt der Ohrmuschel den unangenehmen Druck auf den Ansatz des Ohrs zu vermeiden wurde die Rundung der Bügel jetzt mit diversen Gespinst umwickelt, in Leder gefasst oder aber durch Verdrillen von feinen Metalldrähten elastisch gemacht. Heute garantiert der thermoplastisch verformbare Brillenbügel einen sicheren Sitz der Gläser vor dem Auge.

Inzwischen ist der gebogene, individuell am Ohr angepasste Brillenbügel eine Conditio sine qua non. Er wurde sogar zum Werbeträger, er trägt teuer das Logo des Designers, das Gestell kostet oft mehr als das sehverbessernde Glas. Und was praktisch ist, selbst Hörgeräte werden heute unauffällig im Brillenbügel versteckt.

Die hier gezeigte goldene Brille hat einen elastischen Ohrenbügel aus einem feinen gedrillten Drahtgeflecht. Sie stammt aus der Mitte des letzten Jahrhunderts und gehört daher schon zur modernen Generation des Brillengestells. Sie diente über lange Jahre einer bekannten Schriftstellerin als Sehhilfe im Alter.

 

DIE LORGNETTE

Während das Lorgnon aus einem einzigen an einem Stiel befestigten Glas besteht und daher nur auf einem Auge benutzt werden kann, hat die Lorgnette immer ein Gläserpaar und ist damit binokular einsetzbar. Ihr Vorbild ist die Nietbrille, durch die bewegliche Verbindung zweier Lorgnons an ihrem Griffende wurde sie in der Wende zum 17. Jahrhundert zur Lorgnette. Beide, das Lorgnon und die Lorgnette sowie die auch damit verwandte Scherenbrille mussten beim Gebrauch in der Hand gehalten werden, was von Vorteil war, wenn die Sehhilfe schnell im Dekolleté verschwinden musste um die Sehschwäche ihrer Trägerin zu verheimlichen.

Der Name Lorgnette stammt, wie die Namen der meisten Modeartikel dieser Zeit, aus dem Französischen und bedeutet so viel wie verstohlen betrachten, beäugen, schielen oder auch, wie könnte es anders sein, liebäugeln. Wer sie erfunden hat ist, wie so vieles in der Geschichte von Auge und Sehen, unbekannt. Lorgnon und Lorgnette, so zeigen die Abbildungen der Zeit, waren das feminine Gegenstück zum Monokel. Letzteres ist schmucklos, nur als einäugige Sehhilfe konstruiert, das Gestell der Lorgnette hingegen ist aus edlem Material, Gold und Silber dominierten. Selbst die einfachen Exemplare waren aus teurem Büffelhorn oder Elfenbein.

Eigentlich könnte man die Lorgnette daher auch als Schmuckbrille bezeichnen. Das Gestell stammte vom Juwelier, der es zum Wertgegenstand machte. Für die Optik dagegen reichte ein einfaches Glas. Die handelsüblichen Gläserstärken von plus 2 – 3 Dioptrien waren in erster Linie zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit gedacht, nur selten finden man einmal eine Lorgnette mit Minusgläsern zum Ausgleich einer Kurzsichtigkeit oder gar eines Astigmatismus, auch getönte Gläser – die es bereits seit dem 15 Jahrhundert gab – waren für eine Lorgnette nicht üblich. In den Jahren der Blütezeit dieser Sehhilfe, der Belle Epoche, war den Trägerinnen die Schau meist wichtiger als das Schauen.

Der Stand und das Einkommen des Ehemanns ließen sich jedenfalls an dem Schmuckstück ablesen, die einfache Marktfrau konnte sich so etwas nicht leisten. Während die Bürgersfrau aus besserer Schicht damit ihre eigenen Werte öffentlich demonstrierte, trug die Bauersfrau bestenfalls eine schmucklose Brille mit einem Eisen- oder Messinggestell, die über Generationen weitergereicht wurde.

Für Büroarbeiten oder am Arbeitsplatz eines Handwerkers war die Lorgnette absolut untauglich, sie war der klassische Ersatz der Brille für den Nachmittagstee im gehobenen Kreise. Beim abendlichen Theater- oder Opernbesuch trug man sie, entsprechend gestylt, passend zur Robe.

Während das Monokel in der Hand respektive am Auge des Mannes blieb, galt dies für die Lorgnette nicht, sie wurde nur bei Bedarf hervorgeholt. Die einfachsten, meist älteren Modelle bestanden wie gesagt aus zwei Gläsern, deren Fassungen zum Schutz vor Bruch in den Griff geschoben wurden. Bei der sogenannten Springlorgnette konnte durch das übereinander Klappen der beiden Gläser der Vergrößerungsfaktor verdoppelt werden, wobei die Lorgnette jetzt quasi als Lorgnon bzw. als Vergrößerungsglas diente. Dazu musste sie dann, vergleichbar mit einer Lupe, nicht direkt vor das Auge sondern in kurzem Abstand über den Lesetext gehalten werden. Ein sanfter Druck auf einen versteckten Knopf löste die beiden Gläser wieder voneinander, eine Feder brachte sie wieder in die Ausgangsstellung.

Die meisten Darstellungen einer Lorgnette finden sich passenderweise in den Modezeitschriften der Zeit, engtaillierte Damen tragen sie zum aufgeplusterten Kostüm, sie halten sie immer in der Hand, nie aber vor dem Auge. Die ohne Zweifel berühmteste Abbildung findet sich in einem Kinderbuch, dem Struwwelpeter, wo in der Geschichte vom Zappel-Philipp eine vor die Augen gehaltenen Lorgnette die Dominanz der gestrengen Mutter unterstreicht.

Lorgnetten gibt es noch reichlich auf dem Markt, ihr Wert als Schmuckstück bewahrte sie in späteren Jahren vor dem Recycling. Der Antiquitätenhandel bietet sie in allen Variationen an, je nach Erhaltungszustand und künstlerischem Wert geht der Preis nach oben. Sind dabei die Originalgläser noch erhalten, bringt dies gerne auch einmal dreistellige Summen. Dieses schmuckvolle Exemplar, es stammt aus dem späten 19. Jahrhundert, wurde auf dem Flohmarkt in Paris entdeckt und für die Sammlung erworben.

 

DIE BRILLE BEI WILHELM BUSCH

Das Tragen einer Brille war keinesfalls immer für ihren Träger eine feine Sache, zu allen Zeiten erntete vor allem der junge Brillenträger und noch mehr die Trägerin ihren Spott. Anders war es beim älteren, meist gebildeten Menschen, ihm gestand man, im Alter weise und weitsichtig geworden, eine Lesebrille zu. Ein Karikaturist wie beispielsweise Wilhelm Busch verstand es dabei meisterlich nicht nur den Menschen sondern auch die Brille mit einem trockenen Humor zu umgeben und in seinen Episoden den Träger zu verulken. In den Münchener Bilderbogen machte er mehrfach die Brille zum Gegenstand streitbarer Auseinandersetzungen.

Im Gegensatz zu den Abbildungen in den zeitgenössischen Modezeitschriften, in denen die Lorgnette als festes Beiwerk zur Wohlstandsmode auftaucht, oder zu den Karikaturen des Simplicissimus, wo dem Monokel die Schlüsselrolle für Bildung und preußisches Militärdesign zukommt, findet man bei Wilhelm Busch nur die Brille des kleinen Mannes. Im Vordergrund stehen dabei immer nur das bürgerliche Standartmodell aus Eisendraht mit den frühen, anatomisch noch nicht angepassten Ohrenbügeln oder auch der Zwicker. Obwohl Busch immer wieder auch einmal den einen oder anderen Vertreter von Kirche und Staat persifliert, fällt auf, dass er bei den Vertretern der gebildeten Schicht die Sehhilfe vermeidet. Es ist der Schneidermeister, der einfache des Lesens fähige Bürger, der Volksschullehrer oder eben der Onkel Nolte, den es erwischt. Dies mag vielleicht daran liegen, dass in diesen Jahren Sehhilfen noch nicht zum öffentlichen Allgemeingut gehören.

Die Brille aber hat es sich bei Busch immer in sich. In den Münchener Bilderbogen, die in der letzten Hälfte des 19. Jahrhundert erschienen, nimmt er einen Herren Aktuar beim häuslichen Mittagessen aufs Korn. Bewaffnet mit einer Lesebrille der Zeit entdeckt der mit scharfem Blick in der Tat das Haar in seiner Suppe. Es kommt deswegen zum handfesten Streit, bei dem schließlich alles zu Bruch geht und hätte seine treue Gattin nicht besondere Toleranz gezeigt, so wäre auch das Schicksal der Brille endgültig besiegelt gewesen.

Weitere bekannte Brillenträger bei Wilhelm Busch sind der Lehrer Lämpel, der bei Max und Moritz, einem Sprengstoffanschlag zum Opfer fiel, so würde man heute sagen. Es ist bemerkenswert, dass nach dem perfiden Attentat auf den Lehrer seine Brille in Zeichnung und Text nicht mehr auftaucht, dafür aber die zerborstene Pfeife ausdrücklich in Wort und Bild erwähnt wird. Alles andere wurde wieder heil, doch was aus der lädierten Sehhilfe wurde, bleibt unbekannt.

Schneidermeister Böck hingegen trägt einen Zwicker. Beim Sturz vom Steg scheint dieser direkt über seinem Opfer zu schweben bevor er dann unauffindbar im Nass verschwindet. Dabei sind im freien Fall des guten Stücks die Gläser dem Betrachter zugewandt, als sollte der Leser die makabre Szene durch den Kneifer selber betrachten. Ein genialer Trick des Karikaturisten.

Eines ist allen gemeinsam: es ist immer der ältere Herr, dem eine Sehhilfe verpasst wird, Frauen und Kinder sind davon freigestellt. Und alle Figuren sind presbyop, so auch die des hochnäsigen Balduin Bählamm oder des Biedermanns Onkel Nolte, der von der frommen Helene unermüdlich geneckt wird. Es scheint, auch Wilhelm Busch selbst hätte im Alter auf eine Brille nicht verzichten können.

Die Blätter des Münchener Bilderbogens sind heute bei Sammlern sehr beliebt. Sie gelten als Vorläufer des Comics und erschienen zu einer Zeit, als es die bunten Heftchen der Mickey Mouse, den Film, das Fernsehen und die sozialen Medien noch nicht gab.

Der hier gezeigte Ausschnitt stammt aus dem Doppelblatt der Münchener Bilderbogen mit der Verlagsnummer 527/528. Erschienen ist er 1868 im Braun und Schneider Verlag. Aufgrund der hohen Auflagen werden die Einzelblätter auch heute noch gut sortiert in den Antiquariaten angeboten und sind dort vom Sammler preiswert zu erwerben.

 

AUGE UND BRILLE IN DER RELIGION

In nahezu allen Religionen und Geheimgesellschaften – etwa den Freimaurern- kommt dem Auge eine eigene Bedeutung zu. Die christliche Religion kennt das all sehende Auge Gottes, das alles erblickt und wertet, das Auge, das Güte ausstrahlt oder das Auge, das den Zorn des Herrn erkennen lässt. Der göttliche Blick ist also zum einen aktiv, als sehender, zu verstehen, zum anderen als ein vermittelndes Objekt, also passiv. Man denke nur an den bösen Blick. Das Gebot, du sollst Dir kein Bildnis von Gott machen, verbot lange Zeit auch das göttliche Auge in seiner Ausstrahlung auf den Menschen zu zeigen. Später war das Auge oft stellvertretend für Gott selbst zu verstehen. Es findet sich so auf dem Geldschein, der Ikone oder im Tympanon des Kirchenfensters.

Über das Auge und Sehen gibt es zahllose Zitate in religiösen Schriften, vor allem aber finden sie sich im alten wie im neuen Testament. Man kannte im Altertum durchaus die Bedeutung der Blindheit, auch ihre schwerwiegenden sozialen Folgen wurden richtig erkannt, sie spielten eine besondere Rolle in den Berichten über Wunderheilungen. Es gehörte zu den göttlichen Wundern Menschen wieder sehend zu machen. In den historischen Texten sucht man jedoch vergeblich nach der Ausgangsdiagnose und dem therapeutischen Vorgehen, quasi nach einer Erklärung für die Wunderheilung.

Über die Sehhilfen ist in den religiösen Überlieferungen der Antike nichts zu lesen, denn sie waren bis ins hohe Mittelalter noch unbekannt. Davon abgesehen hätten solche Überlieferungen keinen Sinn gemacht: Götter waren weder fehlsichtig noch blind. Wenn in späteren kirchlichen Schriften einmal Abbildungen von Brillen auftauchen, dann gehörten diese immer zu Personen, denen Weisheit und Alter nachgesagt werden konnte. Ein Gott mit einer Brille, das war undenkbar, Petrus hingegen als seinem Stellvertreter auf Erden stand dafür schon eher eine Lesebrille zu. Ihre Darstellung in der Hand von Petrus befindet sich auf einem Kirchenfenster im Ulmer Münster aus der Zeit um 1425.

Nicht anders sah es da bei den Heiligen, den Propheten und christlichen Würdenträgern aus. Ihnen werden als Zeichen der geistigen Größe gerne Brillen zugeordnet. In der frühen Kirchenmalerei taucht beispielsweise bereits um das Jahr 1350 die Nietbrille als älteste Form der Sehhilfe auf. Später findet sie sich auch auf Altarbildern.

Priester – lesen und schreiben war auch Gottesdienst – bedienten sich gerne einer Brille, womit sie einerseits den Reichtum der Kirche demonstrieren wollten, auf der anderen Seite aber auch ihre Gelehrsamkeit und Fähigkeit zum Lesen und Schreiben. Lesebrillen für den Bürger, den Handwerker oder gar den Bauern finden sich erst ab dem 17. Jahrhundert, bis dahin war jede Brille ein teures handgefertigtes Unikat, das sich nur Klerus und Fürsten leisten konnte. Dem einfachen Bürger erschloss sich das Lesen der Bibel ohnehin erst nach ihrer Übersetzung in die Deutsche Sprache. In der Lutherzeit gab es Bibeln, in deren Holzdeckel Fächer für die sichere Aufbewahrung einer Brille verborgen waren.

Dieser Kupferstich zeigt einen kirchlichen Würdenträger, der anscheinend in einem religiösen Buch liest. Der Spruch „durch hin auf etwas anderes“, auch an anderer Stelle in kirchlichen Texten gebraucht, scheint dem Alten Testament zu entstammen. Er lässt sich damit erklären, dass durch den Blick durch eine Brille sich ein Text anders interpretieren lässt, Die Darstellung der über dem Lesenden angebrachten Brille könnte fast als Werbung für Sehhilfen gedeutet werden. Diese abgebildete Sehhilfe, eine Lederbrille, stammt wohl aus der frühen Nürnberger Produktion und lässt sich auf das frühe sechzehnte Jahrhunderts datieren. Die Gläserstärke ist nicht bestimmbar, die Striche auf dem Glas markieren es nur als ein optisch brechendes Glas,

Solche Kupferstiche und Holzschnitte mit biblischen oder kirchlichen Darstellungen werden auf Grund ihre reichlichen Angebotes überall preisgünstig angeboten. Diese Abbildung stammt aus einem Antiquariat im Zentrum von Amsterdam.

 

DER ARBEITSPLATZ DES BRILLENMACHERS

Als entdeckt wurde, dass sphärisch geschliffene Gläser vergrößernde Eigenschaften haben und so zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit dienen konnten, dauerte es nur kurze Zeit bis sie als Sehhilfen in den Handel kamen. Man brauchte diese Gläser nur noch in ein Gestell aus Holz, Metall oder Leder einzupassen um sie dann als Einglas, Lupe oder Nietbrille auf den Markt zu bringen. Diese Erfindung sorgte zugleich dafür, dass ein neues Berufsbild entstand. Glasbläser, Holzschnitzer und Ledermachern Feinmechaniker und Juwelier wurden dazu gleichermaßen benötigt. Das Berufsbild des Augenoptikers entstand. Noch nannte man ihn den Brillenmacher, bereits 1535 wurde die erste Brillenmacherzunft in Nürnberg gegründet, weitere Städte folgten.

Die Werkstatt des Opticus, wie man den Augenoptiker damals bezeichnete, musste bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts von Gesetzes wegen zertifiziert sein. Bald gab es die ersten Reglements, die Qualitätssicherung erforderte eigene Gesetze. Diese Vorschriften sind uns zwar überliefert, genauere Beschreibungen der Werkstatt und ihrer Einrichtung fehlen uns aber aus den Anfangsjahren. Erst gegen Ende des 16. Jahrhundert tauchen dann Holzschnitte auf, die uns den Arbeitsplatz des Brillenmachers zeigen.

Die Vorlage für dieses kleine bunte Bild mit dem Wappen eines Optikers und der Darstellung seines Verkaufstandes stammt ursprünglich aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie ist einem Ständebuch entnommen und kam in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg als Sammelbildchen auf den Markt. Diese Bildchen wurden damals fleißig gesammelt, bei jedem Einkauf im Lebensmittelladen gab es ein solches Bildchen, für ein paar Groschen bekam man das Album zum Einkleben dazu.

In einer Zeit, in der es weder Handy noch Bildschirm gab, waren solche Sammelbilder oft die einzige Information zu Themen der allgemeinen Bildung. Die hier abgebildete Verkaufsbude ist recht einfach ausgestattet, sie dient zugleich als Werkstatt. Ein Tisch, ein einfacher dreibeiniger Hocker sind zu sehen, darauf ein Kissen. Eine Vitrine zeigte die bereits fertigen Produkte, vier Lederbrillen werden präsentiert, mehr waren wohl nicht im Angebot. Auch die damals typischen Werkzeuge sind dargestellt: ein Zirkel zum Anritzen der runden Ausschnitte für die Gläser, ein Stück dickes Leder mit den bereits ausgestanzten runden Löchern, schließlich die Stanze selbst. Das umgekippte Glas mit dem Knochenleim, ein paar fertige Gläser. Die zum Ausschneiden benötigte Schere hängt an der Wand bereit.

Der Meister selbst trägt das Gewand eines Handwerkers der Zeit: dunkelrote anliegende Beinkleider, einen gelben Pullover, darüber ein hellrotes Wams mit weißem Kragen. Seine Füße stecken in ein paar einfachen Schlappen. Die braune Lederschürze kennzeichnet ihn als Handwerker. Warum der Meister nun gerade mit einer seiner Brillen in der linken Hand Gänse verjagt, war nicht zu klären.

Die Rückseite des Sammelbildchen belehrt: das Wort Brille stamme vom Beryll, einem Halbedelstein, ab. Um 1300 sei sie erfunden worden, als wahrer Segen für arme Greise mit schwachem Gesicht. Da in dieser Zeit das Glas nicht frei von Bläschen war, stellte man sie anfänglich nur aus Bergkristall her. Erst nach 1450, so der Begleittext, fand die Brille weite Verbreitung.

Heute sind diese Bilderalben für Sammler wieder von Interesse, es gab sie über ein halbes Jahrhundert lang mit zahllosen Motiven, die Bildchen mit der Thematik Kriegsschiffe oder Entdeckungsreisen in die Kolonien waren damals besonders begehrt. Das alles endete in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die digitalen Medien haben die Sammelbilder inzwischen verdrängt. Die wenigen Alben, die es heute noch gibt, sind, wenn noch komplett erhalten, inzwischen ein begehrtes Sammelobjekt.

Die Originalvorlage für dieses Sammelbildchen aus der Serie „Wahrhafftige und eigentliche Beschreibung von den Ständen, Zünften und Handwercken“ stammt aus der Zeit um 1575. Es gehört in das 1934 erschienene Sammelalbum Nr. 3 von Tengelmann und trägt die Nummer 108. Entdeckt wurde es bei Ebay, wo es für ein paar Euro erworben wurde.

DAS AUGE IN DER GESICHTSLESEKUNST

Das Auge ist nicht nur ein Sinnesorgan, mit dem ein Lebewesen seine Umwelt wahrnimmt, sich orientiert, andere Menschen erkennt, sondern es kommuniziert auch mit seinem Gegenüber. Es ist Empfänger und Sender zu gleich. Das Auge hat einen Anteil an der Mimik, wobei der Augapfel selbst, wenn man vom Pupillenspiel einmal absieht, kaum eine eigene Ausstrahlung aufweist. Es ist das Mienenspiel der Lider, die dem Anderen Freude, Trauer, Ärger, Wut oder Hass vermitteln. Damit wird auch der psychische Zustand eines Menschen über das Auge ablesbar. nur wenige Menschen, man denke an den Schauspieler, vermögen dies bei sich zu unterlaufen. Vor allem einem Kind gelingt es nicht, seine Stimmung vor anderen zu verbergen, sein Gesicht verrät alles.

Dies hat die Psychologie schon lange erkannt und setzt bei ihrer Diagnostik in erster Linie auf das Gesicht und seine Mimik. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird die Gesichtslesekunst systematisch erforscht, dabei sind die Interpretationen durchaus divergent, nicht alle Psychologen haben bei gleichem Ausgangsbefund auch die gleiche Meinung.

Allerdings beschäftigt sich nicht nur die Psychologie mit der Frage, was man denn alles aus dem Gesicht eines Menschen ablesen könnte, die Kriminologie hielt lange Zeit angewachsene Ohrläppchen für ein Merkmal von potentiellen Verbrechern. Hervorstehende Augäpfel oder eine übergroße Lidspalte interpretierte man als Anzeichen für Alkoholismus. Die Person war zum Trinker gestempelt ohne dass man nachdachte, ob vielleicht eine Störung der Schilddrüse im Sinne des Morbus Basedow an der Veränderung der Facies schuld sein könnte. Daraus ergibt sich zugleich die Frage, inwieweit das Mienenspiel durch Krankheiten beeinflussbar ist. Das ist ohne Zweifel der Fall. Ein erfahrener Arzt liest aus der Facies seines Patienten viele Erkrankungen wie z.B. Kreislaufstörungen ab.

Nach dem ersten Weltkrieg entwickelte sich die Gesichtslesekunst, wie man sie damals bezeichnete, in eine vollkommene andere Richtung. Es erschienen zahlreiche Publikationen in denen die Mimik, und hier vor allem die Formen von Lidspalte und Augenbrauen, zur Beurteilung des Charakters eines Menschen herangezogen wurden. Immer wieder kamen bebilderte Kladden auf den Markt, an Hand derer ein Arbeitgeber oder Personalchef beurteilen konnte ob sein Stellenbewerber nun aufrichtig, nachlässig, fleißig oder faul sei und ob er eine ausgeprägte Neigung zum Trinken habe.

Große Augen, so steht in einem der Heftchen, sprechen für Sinnlichkeit, zum Hang zu Genüssen aller Art. Gekräuselte Augenbrauen seien Zeichen für Klugheit, Menschen mit aufgerichteten Härchen oder waagrecht verlaufenden Brauen hätten angeblich einen weibischen Charakter. Gegen die Nase herabhängende Augenbrauen sprachen für Trotz. Reichten die Brauen bis zur Schläfe, – eine Zeichnung zeigt dafür als Beispiel den Kopf eines Priesters -, spräche dies für Heuchelei und Scheinheiligkeit. Fehlten gar die Brauen ganz, so sei der Mensch krank, die einzige Feststellung übrigens, die in der Tat ein Arzt bestätigen kann.

Das hier gezeigt Bild, es trägt in dem Heftchen von Lucke die Nummer 53, schreibt dem Besitzer von starken, nach untern ausgebogenen Augenbrauen Phantasie und Leidenschaft zu.

Heute erscheinen uns solche Bewertungen eines Charakters an Hand der Augenbrauen als im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren herbei gezogen. Solche Zuschreibungen sind inzwischen obsolet, sie waren wissenschaftlich nicht haltbar und es gab häufige Fehldiagnosen. Im Freundeskreis mögen solche Bewertungen ganz lustig sein, ansonsten aber sollte man sie bei der Beurteilung eines Menschen besser nicht anwenden.

Meist sind diese kleinen Hefte, die mit solchen einfachen, meist schwarz-weiß gehaltenen Zeichnungen einen Menschen charakterisierten, verloren gegangen, einige wenige haben in Nachlässen überdauert und werden heute für ein paar Cent auf Flohmärkten oder antiquarisch angeboten. Für den Sammler sind sie belustigend, für den Wissenschaftler ein Beweis riskanter Fehldiagnostik.

Diese Kladde stammt aus einem Antiquariat in Biberach. Den Reiz der Originalität haben die Zeichnungen nicht verloren, wohl aber muss man sich die Frage stellen, ob nicht infolge eines Fehlurteils an Hand solcher Zeichnungen so manches menschliche Schicksal besiegelt wurde.

 

DIE BRILLE IM BERUF

Nur wenige Berufe sind für den Blinden oder Sehbehinderten geeignet, der Arbeitsplatz von heute verlangt eine überdurchschnittliche gute Sehfunktion. Das Erkennen von Buchstaben oder Zahlen in Ferne und Nähe, das sichere Differenzieren von Farben sowie das räumliche Sehen sind die Grundbedingungen für das Bedienen und Steuern von Maschinen und Fahrzeugen. Wer schlecht sieht, gefährdet sich und andere. Schon mit der Konstruktion der ersten Brillen gegen Ende des 13.Jahrhundert wurde rasch klar, dass diese im Nahbereich dem Bibliothekar, dem Zeichner oder Holzschneider am Arbeitsplatz eine wertvolle Hilfe waren.

Vor allem mit Einsetzen der Presbyopie wurde die Brille am Arbeitsplatz für jedermann unentbehrlich. An erster Stelle war es die Lesebrille mit einer Gläserstärke von bis zu 3 Dioptrien, die einem Weitsichtigen bzw. Alterssichtigen den Nahbereich erschloss.

Es benutzten sie deshalb nicht nur Mönche wie die ersten bildlichen Darstellungen zeigen. Sie fand später auch Verwendung im Kontor des Kaufmanns, der Kanzlei des Advokaten, und ebenso bedienten sich Notar, Chronist und Stadtschreiber einer Brille, sofern ihnen die Natur nicht zur Kurzsichtigkeit verholfen hatte.

Für die Ferne war im ausgehenden Mittelalter die Brille mit Konvexgläsern wenig nützlich, Menschen mit Kurzsichtigkeit bedurften der Konkavgläser, die aber erst im 16. Jahrhundert auf den Markt kamen. Jetzt war es möglich, auch die Sehfehler für die Ferne auszugleichen. Vor allem der Feldherr und seine kurzsichtigen Offiziere bedurften solcher Gläser, Napoleon trug sie bei seinen Feldzügen als Scherenbrille oder er nutzte ein Spektiv, also eine Art Beobachtungsfernrohr. Der preußische Offizier hingegen setzte beim Truppenaufmarsch auf das Statussymbol Monokel. Seine Angebetete begnügte sich mit der Lorgnette.

Als das Zeitalter der Industrialisierung begann und damit die Gefahren am Arbeitsplatz massiv zunahmen, wurden spezielle Brillen notwendig. Jetzt war nicht mehr nur eine optimale Sehschärfe erforderlich sondern es galt insbesondere das Auge auch vor Fremdkörpern oder schädigenden Lichtstrahlen zu schützen. Abgedunkelte Gläser waren beim Schweißen unverzichtbar, sie dienten, mit einem optischen Schliff versehen, nicht nur zur Sehverbesserung sondern zum Schutz vor dem gefährlichen ultraviolettem Licht.

Das galt auch für den Bergsteiger oder Polarforscher, sie brauchten eine besondere Brille zum Schutz vor der Schneeblindheit bei ihren Expeditionen in die Arktis und Antarktis. Die Taucherbrille verhinderte den direkten Kontakt des Wassers mit dem Auge und ermöglichte das Sehen unter Wasser. Als die ersten Kraftfahrzeuge auf den Markt kamen, waren Windschutzscheiben noch unbekannt. Der Chauffeur, der Kradfahrer aber auch der Pilot im Doppeldecker waren vollkommen dem Fahrtwind ausgesetzt. Zunehmende Geschwindigkeiten erforderten Schutz vor Fremdkörpern, die lederne Kopfhaube, Schutz- und Fliegerbrille hatten die Aufgabe, Verletzungen verhindern. Der Ballonfahrer musste seine Augen vor Wind und Kälte schützen. Der Lokomotivführer war dem Funkenflug ausgesetzt, deshalb war seine Brille mit einem zusätzlichen Schutzgitter aus Fliegendraht versehen.

Es ist interessant auch solche Brillen zu sammeln, die am Arbeitsplatz getragen wurden, sie geben einen Überblick über die Arbeitswelt, ihre Bedingungen und ihre Zeit. Die hier gezeigte Brille gehörte einem Hochofenarbeiter. Für ihn galt es seine Augen vor den Infrarotstrahlen zu schützen, gleichzeitig musste auch das Gesicht vor der Hitze und den glühenden Funken bewahrt werden, besonders im Moment des Abstichs. Diese Brille besteht aus einem festen Gestell in das zwei bruchsichere lichtabsorbierende Gläser eingearbeitet wurden. Das Gestell selbst ist Bestandteil einer feuerfesten, dem Gesicht angepassten Schutzhaube aus schwarzem Leder. Sie konnte für den Transport bequem zusammen gefaltet werden.

Diese Brillen sind heute in der Regel durch einen modernen Hitzeschutzhelm ersetzt, die schützende Lederhaube mit eingearbeiteten dunklen Gläsern wird nicht mehr getragen, sie landete beim Recycling. Ab und zu tauchen noch vereinzelt Exemplare im Handel auf. Dieses Modell, entwickelt für den Hochofenarbeiter und Schweißer, wurde auf einem Flohmarkt im Ruhrgebiet entdeckt und für die Sammlung erworben.

 

DIE BRILLE IN DER WERBUNG

Seit es den Handel und seit es den Händler gibt, ist es üblich, dass man für seine Produkte wirbt. Nur ein guter Umsatz bringt den erstrebten Gewinn. Also preist der Kaufmann seine Waren an in Wort und Bild. Spätestens seit es die Zeitung gibt, gibt es auch die weiträumige Werbung für die Brille. Heute sind Rundfunk, Fernsehen und Zeitschriften davon übervoll und selbst die sozialen Medien nutzen jede Chance, den Bürger zum Kauf zu animieren. Es werben die optische Industrie, der Augenoptiker und inzwischen selbst der Augenarzt. In der Brillenwerbung verspricht man hohe Qualität, rasche Verfügbarkeit und einen guten Preis. Das sind die Kautelen für guten Umsatz, denn kundenfreundlicher Service fördert das Kaufverhalten.

Geworben wird für die Brille, solange es die Brille gibt. Unlauterer Wettbewerb war in vielen Städten zwar verboten, dennoch wollte man auch schon damals den Konkurrenten überbieten. Ratsordnungen regelten den Wortlaut der Anpreisungen. Billig hergestellte Brillen schlechter Qualität, lauthals angeboten, verzerrten bereits um 1600 den Wettbewerb. Fahrende Verkäufer priesen ihre Brillen an der Haustür an, clevere Händler verkauften sie marktschreierisch an ihren Ständen. Im Gegensatz zu den Produkten der lizensierten Brillenmacher, ließen diese Brillen auf eine schnelle und auf Masse angelegte Produktionsweise schließen. Betrügerisch war auch das Schüren falscher Erwartungen: Lesebrillen gingen im Glauben, dass man damit spontan lesen könne, an Kunden, die des Lesens gar nicht kundig waren.

Diese Anzeige stammt aus einer Berliner Tageszeitung aus den Jahren um1895 als die Werbung noch Reklame genannt wurde. Die Firma Optik Treuer in der Mohrenstraße preist ihre Brillen an. Randlose Brillenfassungen waren damals der letzte Schrei und vor allem die Weiblichkeit trennte sich jetzt gerne von der unpraktischen Lorgnette. Die Frau befreite sich und ihre Hand durch die gerade erfundene Bügelbrille mit der Bezeichnung Excelsior B II. Man wirbt mit dem Hinweis auf eine augenärztliche Empfehlung für das Kristallglas der Firma Treuer das auch im Kneifer für den Herren von Bildung und Format inzwischen angeboten wurde.

Gegen Aufpreis waren die Brillen statt mit dem geraden auch mit einem anatomisch angepassten Ohrenbügel zu bekommen, der damals noch aus einem elastischen Drahtgespinst angefertigt war. Der Preis war in der Tat ein Knüller. So kostete das Model Excelsior in der Grundausstattung, bestehend aus Gläsern mit eingeschliffener Refraktion und dem Gestell aus vernickeltem Stahl, gerade mal 4 Mark. Zum Discountpreis von 3 Mark erhielt man ein Gestell aus Stahl mit Silberimitat. Für die privilegierte Schicht gab es anspruchsvollere Ausstattungen. Hier empfahl die Firma Treuer den gleichen Brillentyp in „Gold plattirt“ für 6 – 7 Mark, wahlweise in echtem Silber zum gleichen Preis. Natürlich gab es das Ganze auch in echtem Gold, dafür galt es 10 – 12 Mark auf den Tisch zu legen.

Auch für andere optische Instrumente wurde geworben. Die Anzeige empfiehlt dazu frei und franco, also „frei Haus“, den eigenen Prospekt anzufordern. Das Angebot sei darin in natürlicher Größe abgebildet, da die Firma auch Teleskope vertrieb, lässt dies den Leser an den werbenden Worten allerdings etwas zweifeln.

Viele dieser Anzeigen sind noch erhalten, sie stammen aus alten Tageszeitungen oder Illustrierten. Was gerade diese Anzeige besonders hervorhebt ist das breite Angebot mit Preisangabe, die sonst meist fehlt. Eine Brille vom Grundmodell bis zum gehoben Goldgestell, bei einer Preisspanne zum Preis von 3 – 12 Mark erlaubt den Historikern den Schluss, dass Treuers Brille in der Tat spottbillig ist, genauer gesagt zu sein scheint. Dagegen spricht, dass das zu diesem Zeitpunkt, lange vor der Inflation, der monatliche Verdienst eines älteren Lohnarbeiters nur rund 170 Mark betrug. Da konnte sich gewiss nicht jeder eine solche Brille leisten. Allerdings musste er für ein Pfund Brot gerade mal 13 Pfennige ausgeben, das Glas Bier kostete drei.

Diese Anzeige stammt, wie bereits erwähnt, aus einer Berliner Tageszeitung aus den Jahren zwischen 1890 und 1900. Brillentyp und Preis passen in diese Zeit. Solche alte Zeitungen sind inzwischen beliebte Sammelobjekte geworden. reizvoll sind darin vor allem solche Anzeigen.

DIE AUGENSPÜLUNG

Aufgrund seiner exponierten Lage ist das Auge von Mensch und Tier vor Verletzungen durch Fremdkörper nur wenig geschützt. Splitter bei Bearbeitung der Steine, Staub von der Straße, dem Acker oder dem Schlachtfeldes führten zu Augenentzündungen, die nur durch ein sorgfältiges Ausspülen und Reinigen der Bindehaut zu beherrschen waren. Dies war bis in die Zeit des Mittelalters jedoch nicht einfach. Zwar waren schon die Ophthiolen bekannt, sie kamen, als Lacrimes bezeichnet, schon um 1000 vor Christus in den Handel. Man sagt, sie sollen dem Krieger zur Aufbewahrung der Tränen seiner Geliebten gedient haben, eher aber waren sie für Augentonika gedacht, mit denen der Staub und kleine Fremdkörper aus dem Auge gewaschen werden konnten. Ihr Inhalt von weniger als zwei Millilitern reichte jedoch kaum für eine effektive Lokaltherapie.

Der Staub, der ins Auge geriet, machte den Krieger kampfuntauglich, Marmorsplitter den Bildhauer arbeitsunfähig. In der Antike bestand die Therapie lediglich im Ausspülen mit Wasser oder einer anderen reizmildernden Flüssigkeit. Eine Augenspülung erforderte jedoch eine größere Menge an Wasser, vor allem dann, wenn es galt chemische Stoffe wie Laugen oder Säuren, die ins Auge gerieten, zu neutralisieren. Das war zum Beispiel der Fall, wenn im alten Ägypten bei der Präparation einer Mumie Natronlauge ins Auge geriet. Das gleiche geschah, wenn Giftschlangen ihr ätzendes Serum dem Angreifer ins Gesicht spien, was unbehandelt zu einer bleibenden Hornhauttrübung und somit zur Erblindung führte.

Für solche Fälle benötigte man zum einem möglichst eine saubere, neutrale Spülflüssigkeit und einen geeigneten Behälter. Besondere Spülgefäße für das Auge kannte man in der Antike nicht, der Wasser- oder Weinkrug reichte. Vermutlich wusch man nach einer Staubexposition die Augen einfach mit fließendem Wasser aus. Das galt auch noch bis ins Mittelalter. Erst um 1550 empfahl ein bislang unbekannter Autor, das Mittelstück eines aufgebohrten Gänsekiels als Tropfhilfe zur Verabreichung von Augentropfen, bzw. als Röhrchen für die Spülung der Augen zu nutzen. Es ist der Vorläufer des späteren Glasröhrchens oder Tropfenzählers.

Im neunzehnten Jahrhundert stieg im Zuge der Industrialisierung die Zahl der Augenverletzungen durch Chemikalien und Metallsplitter dramatisch. Die Unfälle verliefen nicht immer glimpflich. Zu ihrer Entfernung reichte nun nicht mehr der einfache Wasserstrahl oder die Spülflasche. Um die tiefsitzenden oder gar eingebrannten Fremdkörper zu entfernen oder das verätzte Auge zu neutralisieren, bedurfte es ausgefeilterer Methoden. Die Spülflüssigkeit musste rasch und mit geregeltem Druck die vorderen Augenabschnitte spülen können

Vor allem war ein konstanter Druck zur Spülung erforderlich. Gegen Ende des 19, Jahrhunderts bieten Leon und Jules Rainal aus Paris in ihrem Katalog für medizinische Hilfsmittel dazu ein mechanisches Spülgerät an. In einem Hohlzylinder befindet sich ein Kolben, der durch die Kraft einer Uhrfeder unter Druck gesetzt wird und auf diese Weise die Spülflüssigkeit durch einen kleinen Stutzen am unteren Ende des Zylinders herauspresst. Ein Absperrhahn regelt die Wassermenge, die über einen Kautschukschlauch, an dessen Ende sich eine Porzellandüse befindet, herausspritzt.

Der Preis für das komplette Instrument lag bei etwa 20 Franc, nach heutigem Wert sind dies etwa 90 €. Die Gebrauchsanleitung ist leider verloren gegangen, Richtlinien für eine Dosierung sind nicht mehr erhalten. Das Gerät soll sich angeblich sehr bewährt haben, es bestand allerdings die Gefahr, dass bei Vorliegen einer Perforation das Auge durch die Druckspülung Schaden nahm.

Die Literatur berichtet uns nur wenig vom praktischen Einsatz des Gerätes in der Augenheilkunde, es wurde aber mit anders geformten Spülköpfen noch bis in die Mitte des 20. Jahrhundert in anderen Fachgebieten wie Urologie, Hals- Nasen- Ohrenheilkunde und Gynäkologie erfolgreich eingesetzt. Das abgebildete Gerät, es ist noch voll funktionsfähig, stammt aus der ehemaligen Praxis eines französischen Ophthalmologen, der es der Sammlung zu Geschichte von Auge und Sehen schenkte.

DER HOHLSPIEGEL

Die optischen Gesetze des Hohlspiegels waren bereits in der Antike bekannt, die Strahlen der Sonne oder einer anderen Lichtquelle werden in einem nahe gelegenem Brennpunkt des Spiegels gebündelt, dort entwickelt sich durch die Konzentration der infraroten Licht- bzw. Wärmestrahlen eine hohe Temperatur, mit der sich brennbare Materialien wie trockenes Holz oder Papier entzünden lassen. Heute ist die Methode mit einem Hohlspiegel ein Feuer zu entfachen obsolet. Diese Methode nutzen allenfalls noch Pfadfinder und Trekking-Freaks. Sie gelingt auch nur, wenn die Sonne scheint. Bei niedrigem Sonnenstand sowie bei Nacht und Nebel müssen Streichhölzer oder Feuerzeug zur Hand sein. Auch bei einer Sonnenfinsternis versagt das ansonsten bis heute bewährte System des Hohlspiegels von Natur aus kläglich.

Wer den Hohlspiegel erfunden hat ist unbekannt. Sein Prinzip ist einfach, es entspricht einem nach innen, also konkav gewölbtem Spiegel. Sein optischer Effekt gleicht dem einer Konvexlinse, also dem eines Brennglases bzw. einer Lupe. Die von einer Lichtquelle ausgehenden parallelen Strahlen werden im Brennpunkt des Spiegels gebündelt und entwickeln hier die höchste Lichtstärke bzw. Temperatur. Der Spiegel selbst war dabei ursprünglich halbkugelförmig gekrümmt, weitaus bessere Effekte werden, wie man inzwischen weiß, mit einem parabolaren Krümmungsverlauf erzielt. Wichtig ist es dabei, dass die Innenfläche möglichst hochverspiegelt ist um einen optimalen Wirkungsgrad zu erreichen.

Archimedes, so wird berichtet, habe einen solchen Hohlspiegel benutzt um die römische Flotte, die im Jahr 212 vor Christus Syrakus bedrohte, damit in Brand zu setzen. Er baute, so die Geschichtsschreibung, am Hafeneingang eine größere Anzahl von Hohlspiegeln auf, deren Brennpunkte im Sonnenlicht auf die gegnerischen Schiffe ausgerichtet waren. Angeblich gingen sie kampflos in Flammen unter. Mehrere Wissenschaftler versuchten in den letzten Jahren die Konstruktion an Hand der historischen Beschreibungen nachzubauen, sie bestritten allerdings den damit erzielbaren Effekt zumal der Brennpunkt der Spiegel nur bei wenigen Metern lag und die feindlichen Schiffe, um in den konzentrierten Lichtstrahl zu geraten, den Hohlspiegeln hätten recht nahe kommen müssen.

Sicherlich war die Stärke des reflektierten Lichtstrahls gegenüber den heutigen hochverspiegelten Systemen erheblich geringer, die Spiegel zur Zeit des Archimedes waren aus Bronze und erreichten trotz optimaler Politur einen Wirkungsgrad von nicht mehr als 30 Prozent. Die Bündelung der Strahlen dürften also lediglich dazu gereicht haben, um ein paar Liter Wasser zu erwärmen, nicht aber um ein im Wasser schwimmendes Kriegsschiff in Brand zu setzen

Mit mehr Erfolg und zu einem anderen Zweck wurde der Hohlspiegel dann später in der mittelalterlichen Schifffahrt eingesetzt, wo er als einfaches Hilfsmittel an Bord des Segelschiffes zum Entzünden einer Lichtquelle diente.

Auch dürfte er manchem Schiffbrüchigen geholfen haben am Strand ein Feuer zu entfachen um so auf sich aufmerksam zu machen.

Heute bewährt sich der Parabolspiegel noch immer in der Optik, er dient so zur einfachen Bündelung des Lichts bei einer herkömmlichen Taschenlampe oder z.T. auch noch in Leuchtfeuern auf Leuchttürmen. Unersetzlich ist er in der Funktechnik beim Senden und Empfangen von elektromagnetischen Wellen, die sich bekanntlich wie Lichtstrahlen verhalten. Als sogenannte Satellitenschüssel hat er inzwischen die Welt erobert. Auch zu Hause ist der Hohlspiegel als Vergrößerungs- oder Kosmetikspiegel noch im täglichen Gebrauch.

Die hier gezeigte Abbildung, ein Kupferstich des frühen 17. Jahrhunderts, stammt aus einem theologischen Werk. Sie zeigt einen auf einem Holzgestell montierten Hohlspiegel mit dem, allerdings nur auf kurze Distanz, ein offenes Feuer entfacht wird. Der Spiegel ist aus Bronze. Zwar hätte Silber einen wesentlich höheren Wirkungsgrad, es wird aber ohne Nachbearbeitung durch die Oxydationsprozesse rasch trübe. Heute bevorzugt man zumeist mit Quecksilber beschichtetes Glas.

Erworben wurde das Blatt für eine bescheidene Summe im Ebay. Die Überschrift über dem Kupferstich, „Durch Krafft von oben“ soll wohl aussagen, dass die himmlische Energie, also die der Sonne, ausreicht etwas Irdisches in Brand zu setzen. In der Tat, uns berichten die Chronisten des Mittelalters, dass der achtlose Umgang mit einem Hohlspiegel oder auch Brennglas immer wieder zu Brandkatastrophen geführt haben soll.

 

DIE AUGENVERLETZUNG

Seit es den Menschen gibt, gibt es auch Verletzungen. Seit Urgedenken bemüht man sich, dabei die Wundheilung zu fördern und den Folgeschaden niedrig zu halten. Genauso wichtig war es aber auch, den Verletzungen vorzubeugen. Dies galt besonders in den kriegerischen Auseinanderersetzungen, wo es darum galt, den Kämpfer vor einer Verwundung zu schützen. Das wichtigste Sinnesorgan, nämlich das Auge, bedurfte dabei besonderer Maßnahmen. Schon in den frühen Armeen diente hierzu der Helm aus Bronze oder Eisen, besonders aber das Visier, das eine direkte Verletzung des Auges durch Pfeile oder Steine aus der Schleuder verhindern sollte. Dabei gab es ein grundlegendes Problem: je besser dabei das Auge geschützt werden sollte, desto mehr musste das Gesichtsfeld begrenzt und damit die Sehfunktion beschränkt werden. Ein Kompromiss war da vor allem auf dem Schlachtfeld schwierig.

Gerade aber das Auge war in kriegerischen Auseinandersetzungen ein beliebtes Ziel. Sein Verlust bedeutete den sofortigen Ausfall eines Kämpfers. Die zunehmende Treffgenauigkeit der Schusswaffen, die höhere Geschwindigkeit und eine immer stärkere Durchschlagkraft der Geschosse wurden im ausgehenden Mittelalter zum Problem. Aber auch beim Kräftemessen in den Turnieren waren es vor allem die Kopf- und vor allem die Augenverletzungen durch die Lanze, die oft spektakulär verliefen und von denen uns durch die Chronisten der Zeit ausgiebig berichtet wird. Hier unterscheidet sich das Mittelalter nicht von der von den Paparazzis geprägten Gegenwart: ging etwas im wahrsten Sinne ins Auge, wurde es rasch und blutrünstig in der Öffentlichkeit verbreitet.

So waren es immer wieder besonders die durchbohrenden Verletzungen der Augenhöhle von denen uns berichtet wird. Traf beim Turnier die Lanze den Schädel so gab der Helm nur wenig Schutz. Das Visier wurde losgeschlagen und die Lanze trat durch die Orbita, im besten Fall zerfetzte sie den Bulbus mit seinem umgebenden Gewebe, durchbohrte die dünnen Knochen der Nebenhöhlen, blieb in der Schädelkalotte hängen oder trat am Hinterkopf heraus.

In zahllosen Bildern, Graphiken wurde das schaurige Abbild des Getroffenen dargestellt, ohne Zweifel verliefen diese Stichverletzungen in der Mehrzahl der Fälle sofort tödlich. Überlebte der Krieger die Verletzung, so sorgte der rasch einsetzende Wundbrand, wie man damals die Blutvergiftung oder Sepsis nannte, für das tödliche Finale.

So hängt im Schloss Ambras in Innsbruck ein Gemälde, wo eine hölzernen Lanze beim ritterlichen Turnier den gegnerischen Helm durchschlagen hatte, die Augenhöhle durchbohrte und aus dem Hinterkopf wieder heraus trat. Der Begleittext verweist darauf, dass der edle Ritter den Unfall einäugig mit dem Fremdkörper vor Ort noch überlebte, wobei die Experten heute meinen, dass die bleihaltige weiße Farbe des Corpus alienum von antibiotischem Charakter gewesen war und so den raschen Tod durch eine Sepsis verhinderte. Der traumatisierte Ritter soll, so berichtet der Chronist, den Unfall noch ein Jahr überlebt haben, seine Schmerzen wurden mit einem bewährten Analgetikum der Zeit, nämlich mit Alkohol, mehr oder weniger erfolgreich bekämpft.

Der hier gezeigte Kupferstich stammt aus einem geschichtlichen Werk des 17. Jahrhunderts. Er zeigt das Kriegsgemetzel des deutschen Königs Adolf von Nassau und Albrecht dem Ersten von Österreich in der Schlacht von Göllheim aus dem Jahr 1298. Es ging um die Königswürde im Heiligen römischen Reich. Dabei schlug Albrecht seinem Rivalen den Helm vom Kopf und stieß ihm die Lanze in die linke Augenhöhle. Sie traf den Augapfel, durchbohrte die Augenhöhle und drang in die Schädelgrube ein. Der Streit ging im wahrsten Sinn ins Auge, die Folge war der sofortige Tod des Widersachers, die Auseinandersetzung um die Königskrone war gewaltsam entschieden worden. Albrecht sprach lästernd von einem Gottesurteil.

Graphiken dieser Art finden sich immer wieder einmal im Handel, diese stammt aus einem Berliner Antiquariat. Bei Text und Bild handelt es sich meist um Berichterstattungen über Unfälle bei Ritterturnieren oder kriegerischen Auseinandersetzungen, heute wie damals schauderten die Betrachter gerne über solche blutrünstigen Darstellungen.

 

DIE BRILLE DES FLIEGERS

Augenverletzungen sind Teil der Geschichte der Menschheit. Bereits kleine Splitter bei der Herstellung und Bearbeitung von Faustkeilen oder Pfeilspitzen, Funken beim Entfachen eines Feuers mit dem Feuerstein, selbst harmlose Verletzungen durch Späne bei der Holzbearbeitung konnten zur Entzündung der vorderen Augenabschnitte und schlimmstenfalls zum Verlust eines Auges führen. Schon früh machte man sich daher Gedanken wie man hier das Auge schützen könnte. In den Steinbrüchen der Antike trug man dünne Tücher aus Stoff, die um den Kopf gewickelt wurden, später waren es dünne Metallgeflechte die man vor dem Auge befestigte. Nach der Erfindung der Brille erkannte man bald die schützenden Eigenschaften von ihren Gläsern.

Die Entwicklung des motorisierten Verkehrs, vor allem aber die rasche Steigerung der Fortbewegungsgeschwindigkeit, brachte zugleich auch eine erhöhte Anzahl von Augenverletzungen mit sich. Ebenso wie am Arbeitsplatz, benötigten nun der Kradfahrer, der Automobilist und vor allem der Flieger einen Schutz des Auges in Form einer Brille. Diese frühesten Schutzbrillen bestanden aus einem einfachen Eisengestell, in das besonders große runde Plangläser eingesetzt waren um das Auge breitflächig abzudecken. So wurde zwar die Verletzungsgefahr gemindert, es konnte damit aber die Sicherheit vor einer Verletzung keineswegs gänzlich gewährleistet werden. Größere Fremdkörper beispielsweise konnten das schützende Glas durchschlagen und dessen scharfkantigen Splitter dadurch letztendlich selbst einen Schaden am Auge verursachen.

Kritisch wurde die Situation für den motorisierten Menschen wie gesagt, durch die immer schneller werdenden Fahr- oder Flugzeuge. Windschutzscheiben kannte man anfänglich nicht, Das wurde schon im ersten Weltkrieg zu einem Problem der Piloten von Kampf- und Aufklärungsflugzeugen, da der Flieger sozusagen vorn in seiner Maschine im Freien saß. Sein Auge war ungeschützt, er war der Witterung ausgesetzt und hatte daher das Problem, dass während des Flugs Fremdkörperpartikel, im Winter waren es Schneeflocken oder Eiskristalle, ins Auge geraten und ihn im wahrsten Sinne außer Gefecht setzten konnten.

Während beim Lokomotivführer anfangs noch ein offenes feinmaschiges Drahtgeflecht oder nur ein Sehschlitz als Schutz vor Staub, Splittern oder Funkenflug genügen musste, wurde das Gesicht von Chauffeuren, Motorradfahrern und Fliegern mit einer Lederhaube für den Kopf und einer Schutzbrille für die Augen versehen. Diese ersten Schutzbrillen für den Fahrer oder Piloten waren recht einfach, sie bestanden meist nur aus zwei runden Scheiben aus Fensterglas, die mit Hilfe eines Lederbands oder aber eingearbeitet in einer Haube vor dem Auge fixierte wurden. Das Problem dabei war, dass dieses System nur ein eingeengtes Blickfeld erlaubte. Ähnlich wie beim sogenannten Tunnelblick war das periphere Gesichtsfeld stark eingeschränkt, was ein Risiko beim Überholen, vor allem aber ein gefährliches ein Hindernis beim Luftkampf war.

Es zeigte sich also bald als nachteilig, dass diese frühen Brillen ursprünglich nur für den Geradeausblick gedacht waren, seitliche Objekte blieben verdeckt, durch den Seitenschutz der Brille, unsichtbar. Auf den Seitenschutz, meist aus Leder oder verzinktem Blech, später aus Kunststoff, konnte aber aus Sicherheitsgründen nicht verzichtet werden. Daher kam man schließlich auf die geniale Idee, diesen Bereich durch jeweils ein weiteres Glas zu ersetzen. So entstand schließlich die Brille mit Gläsern als Seitenschutz. Dies spielte vor allem beim Luftkampf eine Rolle. Die hier gezeigte Brille, sie besteht aus vier einzelnen dunklen Gläsern, stammt von einem Straßburger Flohmarkt. Solche Schutzbrillen trug der Pilot in beiden Weltkriegen.

Über ein halbes Jahrhundert waren solche Fliegerbrillen im Gebrauch. Dann gelang es brechende Gläser auch seitlich zu biegen, so der Motilität des Augapfels anzugleichen und damit auch den Randbereich des Gesichtsfeldes optisch voll zu erfassen. inzwischen sind solche Schutzbrillen mit Randscheiben obsolet. Der Augenbewegung angepasste Gläsertypen, getönte oder selbsttönende besonders bruchsichere Gläser einschließlich einer Mehrfachentspiegelung tragen heute wesentlich zur Sicherheit ihres Trägers bei.

 

SCHLEIFMASCHINE FÜR BRILLENGLÄSER

Mineralisches Glas ist nur schwer zu bearbeiten, selbst der Bergkristall, der Beryll, der anfänglich auch für die Herstellung von Brillengläsern benutzt wurde, zeichnet sich durch eine besondere Härte aus. Wer also eine Glasscheibe zu einem optisch wirkungsvollen Brillenglas umwandeln wollte brauchte ein besonderes Maß an Geduld und Ausdauer. Von der Präzision seiner Arbeit hing es ab, ob das Glas letztendlich auch ein verzerrungsfreies Bild lieferte. So ist es nicht verwunderlich, dass man im ausgehenden Mittelalter nach Methoden suchte, Brillengläsern möglichst ohne die Nutzung menschlicher Arbeitsleistung den notwendigen Schliff zu geben. Hierbei halfen, soweit möglich, die Wind- und Wasserkraft. Die Industrialisierung ließ dann im vorletzten Jahrhundert mit ihren motorgetrieben Maschinen die Herstellung von Brillengläsern zur Routine werden.

Anfangs war der Gläserschliff noch reine Handarbeit. So berichten die Chronisten dass Dutzende von ungelernten Hilfskräften Tage damit verbrachten den von der Glashütte angelieferten Rohlingen die rechte Form zu geben. Auf Schleifmaschinen, deren Vorbild die Töpferscheibe war, gab man der einen Seite des Glases eine dem Kugelschnitt entsprechende Form. Die andere Seite blieb anfänglich, wie beim Lesestein, plan. Erst später wurden die Gläser bikonvex. Aus der Differenz zwischen Mittendicke und Randdicke ließ sich, sofern Durchmesser und Brechungsindex des Materials bekannt waren, die Gläserstärke errechnen. Bevor im vorletzten Jahrhundert mit der Einführung des metrischen Systems die Dioptrie als Maßzahl für die Brillenstärke eingeführt wurde gab man zuvor nur die Brennweite an.

Sie war leicht zu bestimmen, man musste das Glas nur in die Sonne halten und konnte mit Hilfe der Bündelung der Lichtstrahlen, beispielsweise auf einem Blatt Papier, den Brennpunkt finden. Die Gläserstärke der ältesten noch erhaltenen Brille, sie wurde 1953 in dem im 13. Jahrhundert gegründeten Kloster Wienhausen unter dem Chorgestühl der Nonnen entdeckt, beträgt wie die meisten Gläser der Zeit. + 3.4 Dioptrien und diente daher als Lesehilfe zum Ausgleich der Altersweitsichtigkeit.

Nach Erfindung des Buchdruckes, nahm der Bedarf an Lesebrillen rasch zu denn es wurden immer mehr Menschen des Lesens fähig, Der langwierige Schleifprozess in Handarbeit verhinderte jedoch eine Massenproduktion an Lesehilfen. Es wurde notwendig, den Brillenschliff zu automatisieren. Bereits im 16. Jahrhundert gab es daher zum Teil abenteuerliche Konstruktionen um mehrere Gläser in Serie gleichzeitig zu bearbeiten.

Die Enzyklopädie von Diderot, ab 1751 in Frankreich erschienen, enthält in ihren Bildbänden die Abbildung verschiedenster Geräte und Werkzeuge zur Herstellung von Gläsern für die verschiedensten optischen Instrumente, so auch für Brillen. Die Schleifmaschine besteht aus einem massiven Holzgestell, das im Grundprinzip einer Töpferscheibe gleicht. Ein großes Schwungrad wird mit einer Handkurbel angetrieben, ein Treibriemen aus Leder überträgt die Drehung auf ein kleines Rad und vervielfältigt so die Rotation im Verhältnis 1 zu 5. Die im Gussverfahren vorgearbeitete bikonvexe Glaslinse ist in einer konkaven Auflageschale befestigt, die auf einer vertikalen angebrachten drehbaren Stange montiert ist. Diese wiederum ist über ein hölzernes Winkelgetriebe mit dem kleinen Rad verbunden, eine Umdrehung mit der Handkurbel lässt die Linse fünffach um ihre Achse rotieren.

Über der Halterung der Linse befindet sich eine mit zwei Flügelmuttern befestigte Metallstange an der diverse Schleif- und Polierköpfe befestigt werden können, sie sind in weiteren Abbildungen dargestellt und zeigen verschiedene Krümmungsradien, sodass auf der gleichen Maschine der Schliff verschiedener Gläserstärken möglich ist. Die konkaven Polierköpfe wie die Halterungen für die Linsen sind aus Metall, meist aus Messing, sie werden mit der Drehbank vorgefertigt. Ein Stück dünnes Leder zwischen Glas und Auflage verhindert ein Zerkratzen der Gläseroberfläche bei ihrer Bearbeitung und sichert den Halt.

Hier diese Abbildung stammt aus einem der zahlreichen Bände von Diderot. Erworben wurde sie bei einem Bukinisten vom Seine Ufer in Paris. Leider finden sich heute kaum noch komplette Bände der berühmten Enzyklopädie aus der Zeit des 18. Jahrhunderts auf dem Markt, clevere Händler verkauften sie meist seitenweise zerlegt, um so einen höheren Preis zu erzielen.

Autor:
Dr. Hans-Walter Roth, Augenarzt
Institut für wissenschaftliche Kontaktoptik Im Wiblinger Hart 48
89079 Ulm
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Dr. Hans-Walter Roth

 

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